Im Laufe eines Jahres erscheinen unzählige Bücher von berühmten Autorinnen oder noch unbekannten Autoren. Darunter finden sich dann immer wieder ganz besonders berührende, unterhaltsame, fesselnde, interessante oder dramatische Bücher, die lesens- und empfehlenswert sind.
Aus den vielen Büchern, die die Rezensentinnen und Rezensenten der Leselust in den vergangenen zwölf Monaten gelesen und besprochen haben, sind es diese, die sie im Jahr 2023 besonders begeisterten:
Olivia Grove
Ein nervenaufreibender Bungee-Sprung, der die Grenzen zwischen Realität und Wahnsinn verschwimmen lässt?
In „The Institution“ von Helen Fields begibt sich die forensische Profilerin Dr. Connie Woolwine undercover in eine abgeschottete Anstalt zur Heilung und Pflege psychisch kranker Straftäter. Eingeschlossen mit Psychopathen und Serienmördern in einer Hochsicherheits-Psychiatrie!
Olivia Grove schwärmt in ihrer Review von der von Helen Fields geschaffenen Atmosphäre, die das Institut als klaustrophobisch, rau und extrem gefährlich darstellt. Eines ist sicher: Die Leser erwartet ein brodelnder Kessel aus Wut und Bösartigkeit.
Isabella M. Banger
Um ihre Schwester vor einem unbekannten Gift zu retten, versucht Ning in Judy I. Lin: A Magic Steeped in Poison, den Wettkampf der mächtigsten Teemagier des Landes zu gewinnen, um eine Bitte an die Prinzessin stellen zu dürfen. Doch darauf ist sie nicht vorbereitet und die Intrigen am Hof sind tödlich …
Die Autorin nutzt die Legenden und Mythen ihrer Kindheit als Inspirationsquelle für ihre Geschichten. Die Magie in diesem Buch wird dadurch viel greifbarer und wirklicher als in einem herkömmlichen Fantasy-Roman; es ist nicht nur eine Gabe, über die die Protagonistin einfach verfügt, sondern ein kleiner Einblick in eine andere Kultur, der fasziniert, inspiriert und verzaubert.
Sabine Bovenkerk-Müller
Ein packender und aufwühlender Roman über die Last des Gewissens. Claudia Piñeiro erzählt in „Kathedralen“ von einer Familie, in der die Verheimlichung eines „Fehlers“ eine Kettenreaktion auslöst. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt die Autorin, wie hoch der Preis sein kann, wenn Dogmen höher bewertet werden als die Not eines geliebten Menschen.
Sabine Sürder
Mein Lieblingsbuch des Jahres 2023 ist „Prophet“ von Sin Blaché und Helen Macdonald. Das Buch ist Science Fiction, Thriller, Liebesgeschichte, Mystery und Horror, alles in einem. Phantastisch, schnell und spannend geschrieben mit zwei sehr ausdrucksstarken Charakteren in einer gesellschaftlich und politisch brisanten Story. Das ist guter Stoff für Leserinnen und Leser. „Prophet“ von Sin Blaché und Helen Macdonald hat eine ernste Botschaft in einer schillernden, feurig-explosiven Verpackung.
Andreas Schröter
Ich war in diesem Jahr mehr als begeistert von Philipp Oehmke: Schönwald. Oehmke entblättert seine Handlung langsam anhand zahlreicher Rückblenden. Es ist erstaunlich, wie tief und glaubhaft sich der Autor dabei in die Köpfe seiner so unterschiedlichen Protagonisten versetzen kann. Das hat Klasse, und auch wenn der Vergleich etwas überzogen scheint: Das erinnert zuweilen an die Romane der ganz Großen unserer Zeit wie etwa Jonathan Franzen, Richard Ford oder Ian McEwan.
Renate Müller
Ulla Scheler: Acht Wölfe – Acht junge Menschen wollen eine geführte Wanderung durch die unberührte Natur Kanadas machen und geraten dabei in Lebensgefahr. Daraus gestaltet die junge Autorin ein ergreifendes Psychogramm, ein hochdramatisches Abenteuer und eine fesselnde Charakterstudie.
Karina Luger
Eva Lohmann: Das leise Platzen unserer Träume
Jule und David führen nach außen eine kinderlose Vorzeige-Ehe. Hinter den Kulissen geht es freundschaftlich und kultiviert zu, aber beide vermeiden es akribisch über die Dinge zu sprechen, über die sie längst reden müssten. David unterhält nämlich eine Affäre mit Hellen, die von Jule weiß. Jule kennt Hellen nicht, bis die sich in ihr Leben schleicht, um Davids Ehefrau ein bisschen unter die Lupe zu nehmen. Letztendlich fliegt das Dreieckskonstrukt in die Luft, platzen die wohlgeordneten Lebensträume. Wie wird es für die drei Akteure weitergehen?
Michael Kothe
Ein unerwartet geerbtes Haus am Bodensee wirbelt das Leben von Isabella kräftig durcheinander – sowohl in Bezug auf neue Schmetterlinge im Bauch wie auch auf ihre zwanghafte Neugier, ein Familiengeheimnis zu lüften. Wie in ihren anderen Romanen versteht es die Autorin Sibylle Baillon in Wie Spuren am See: Die Erbin auch, eine spannende Atmosphäre, ein farbenfrohes Ambiente und eine romantische Stimmung zu zaubern, wie es feinfühliger kaum möglich ist: Wäre der Roman ein Haus oder eine Wohnung, so wäre bei der Einrichtung unübersehbar die Hand einer Frau federführend – wir Männer sind da viel zu nüchtern.
Diana Wieser
Natalie Haynes: Die Heldinnen von Troja: A Thousand Ships
Troja ist gefallen, die überlebenden Frauen harren am Strand darauf, als Kriegsbeute aufgeteilt zu werden. Während Odysseus und Achill weltbekannt sind, werden in diesem Roman Protagonistinnen wie Polyxena, Theano oder die Amazone Penthesilea in den Mittelpunkt gerückt. Sie sterben ruhmreiche Tode, rächen sich an ihren Peinigern, gründen neue Dynastien. Lassen sich weder als Täter oder Opfer, noch als gut oder böse verorten. Braucht es eine feministische Neuauflage von Homers Klassiker? Unbedingt. Denn auch heute werden Frauen als Kriegsbeute verschleppt, vergewaltigt, getötet. Frauen demonstrieren und kämpfen – manche Armeen haben einen Frauenanteil von 30 Prozent – seit jeher auf vielen Ebenen. Dies führt Autorin Natalie Haynes, die in Cambridge Altphilologie studiert hat, einmal mehr vor Augen.
Jana Luisa Aufderheide
So weit das Licht reicht“ von Sabrina Imbler.
„Oasen an einem Ort, an dem so wenige Dinge sicher sind, kommen und gehen zwangsläufig in raschem Wechsel. Aber das Leben findet immer einen Raum für einen Neubeginn, und Gemeinschaften in Not werden einander immer wieder finden und sich neue Wege bahnen, um gemeinsam in der Dunkelheit zu funkeln und zu leuchten.“ Sabrina Imbler ist eine Königin der Metaphern, die ihre Liebe zur Unterwasserwelt mit ihrer komplexen Migrations- und Sexualgeschichte verbindet, in Wellenbewegungen zwischen Land und Meer navigiert und die Lebewesen beider Orte im Einklang sieht. Ihre Worte bringen Licht in jedes Dunkel und schaffen Zugang – nicht nur zu ihrem Herzen in der Queeren Community sondern auch zu den tausende Meter unter uns gedeihenden Wundern, von denen wir so viel lernen können, die uns so viel ähnlicher sind als wir jemals hätten annehmen können. Nach diesem Buch, das verspreche ich, sind wir alle etwas schlauer und alle etwas verliebter in die Vielseitigkeit, in die Diversity unserer bunten Welt.
Sabine Ertz
Ulrike Fuchs: Reporterin für eine bessere Welt
Nellie Bly – mit der Macht ihrer Worte schrieb sie sich auf die Titelseiten. Ihre mutigen Taten berührten das Leben zahlreicher Frauen
Die Geschichte einer mutigen, entschlossenen, zielstrebigen jungen Frau, die Ende des 19. Jh um Anerkennung in der männerdominierten Welt des Journalismus gekämpft hat. Nellie geht alleine nach New York, nimmt Rückschläge und Niederlagen mit zäher Ausdauer hin und schafft es, indem sie einen gefährlichen Auftrag übernimmt, endlich beachtet und anerkannt zu werden.
Eine wirklich fesselnde Romanbiografie aus der Reihe „bedeutende Frauen, die die Welt verändern“.
Jana Jordan
Robert Menasse – Die Erweiterung
Dieses Buch ist eine Bestandsaufnahme über den Zustand der Europäischen Union. Die aus wechselnden Perspektiven erzählte Geschichte um die Hintergründe eines Kunstraubs zeigt die Bandbreite an Widersprüchen, zwischen wirtschaftlichen Interessen und persönlichen Befindlichkeiten. Robert Menasse veranschaulicht komplizierte Zusammenhänge mit amüsanter Leichtigkeit.
Hier könnt ihr lesen weiterlesen, welche Bücher den Rezensentinnen und Rezensenten im Jahr 2022 gut gefallen haben! Guten Rutsch und ein frohes neues Jahr von eurem Leselust-Team!
Ein Special von Renate Müller mit Beiträgen von Olivia Grove, Isabella M. Banger, Sabine Bovenkerk-Müller, Sabine Sürder, Andreas Schröter, Karina Luger, Michael Kothe, Diana Wieser, Jana Luisa Aufderheide, Sabine Ertz und Jana Jordan.