Raphaela Edelbauer: Die Inkommensurablen

Wie in einen fiebrigen Traum treibt uns die Autorin Raffaela Edelbauer durch eine Wiener Nacht. Aber nicht irgendeine: Es ist der 30. Juli 1914. Die letzte Nacht vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Menschenmassen feiern, taumeln, wissen nicht wohin mit sich und ihren Gefühlen. Alles ist auf den Beinen, alles ist im Umbruch. Meisterlich beschreibt die österreichische Schriftstellerin, was hinter den erhitzten Gemütern lodert, was die Stimmung explodieren lässt, was eine Zeitenwende einleitet. Es ist nicht nur der Konflikt zwischen Nationen. Es sind mannigfaltige Brennpunkte. Proletarier gegen Aristokratie, Tradition gegen Moderne, Männern gegen Frauen, Wissenschaft gegen Spiritualität. Drei junge Menschen stehen sinnbildlich für die Tragödie dieser Nacht. Eine Generation voller Hoffnungen, voller Hunger – zum Scheitern aufs Schlachtfeld geführt.

Der 17-jährige Tiroler Hans flüchtet in einer Nacht- und Nebelaktion von dem Bauernhof, auf dem er seit Jahren als Pferdeknecht geschuftet hat. Der uneheliche Sohn eines Holzexporteurs ist belesen. Sein Wissen findet durch seine prekären Umstände allerdings kaum Anwendung. Er denkt, da muss noch mehr kommen im Leben. Er weiß nur noch nicht was. Da er bei sich eine seltene Gabe vermutet, sucht er die Psychoanalytikerin Helene Cheresch auf, die sich mit Phänomen wie Traumdeutung und kollektivem Unterbewusstsein befasst.

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Anna-Maria Caspari: Ginsterhöhe

Eine spannende Zeit in einer interessanten Region bildet den Hintergrund für den neuen Roman der Autorin, die in eben dieser Region auch zuhause ist.

Über die Spanne von 1919 bis 1949 erzählt sie die Geschichte des Dorfes Wollseifen in der Eifel, welches erst durch den Bau des Urftstaudamms und später aufgrund der Nähe zur NS-Ordensburg Vogelsang zweifelhafte Berühmtheit erlangte. Heute würde man diesen Ort vergeblich suchen, denn nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gebiet komplett geräumt und zum Truppenübungsplatz umgewidmet.

Anhand der erfundenen Bewohner kann man das Schicksal des Dorfes verfolgen. Es beginnt mit der Rückkehr des Bauernsohnes Albert aus dem ersten Weltkrieg. Er ist schwer versehrt, körperlich durch eine Granatenverletzung im Gesicht und psychisch durch die Erlebnisse auf den Schlachtfeldern. Seine Ehe leidet unter seine Entstellung, dennoch haben er und seine Frau Bertha mehrere Kinder.

Dann gibt es noch Leni, die Verlobte von Alberts bestem Freund, der im Krieg gefallen ist. Sie hat ein Kind und Albert möchte ihr gern helfen, doch sie möchte sich nicht helfen lassen.

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Andreas Izquierdo: Labyrinth der Freiheit

Was für ein Roman! Ein Buch zum Verschlingen, zum Eintauchen und die Welt um sich herum vergessen. Der dritte Band der „Wege der Zeit“-Reihe. Den man allerdings, das muss zugegeben werden, nicht gänzlich verstehen kann, wenn man die ersten beiden Bände nicht gelesen hat. Die Zusammenhänge der Geschichte, die Verhältnisse der Figuren zueinander und deren Verhaltensweisen erschließen sich nicht immer, wenn man die Vorgeschichte nicht kennt. Das galt aber bereits für Band 2 in ähnlicher Weise.

Wir treffen Isi, Artur und Carl wieder, die drei Freunde, die sich bedingungslos und bis zur Selbstaufgabe vertrauen und füreinander einstehen. Und genau dies ist auch lebens- oder vielmehr überlebenswichtig bei den rasanten und gefährlichen Ereignissen, die sich im Roman abspielen. Weiterlesen

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Peter Prange: Der Traumpalast 02

Der zweite Band von Peter Pranges Geschichte über die Entstehung der Ufa führt uns bis tief in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts. Er schließt sich unmittelbar an den ersten Band an und es ist unbedingt empfehlenswert, „Im Bann der Bilder“ zuerst zu lesen, da es keine Rückblenden oder Wiederholungen gibt. Rahel und Tino sind inzwischen verheiratet, Tino hat die Filmgesellschaft durch die schwierigen Inflationsjahre gebracht, aber jetzt scheint „Metropolis“ und seine irren Kosten ihnen allen das Genick zu brechen. Der Film muss ein kommerzieller Erfolg werden, aber das wird er nicht. Geld muss her, und so reist Tino nach Hollywood und handelt einen Kreditvertrag aus, der eine Kooperation beinhaltet. Deutsche Kinos zeigen amerikanische Filme und amerikanische Filme deutsche. So hofft man auch, den amerikanischen Markt für die deutsche Kunst begeistern zu können.

Rahel versucht weiterhin als Schauspielerin Fuß zu fassen, aber die Hauptrolle bleibt ihr lange verwehrt, obwohl Erich Pommer immer wieder versucht, sie zu besetzen.  Mit Erich Pommer verbindet Rahel eine nicht gelebte Liebe, die erst einschläft, als Erich mit seiner Familie nach Hollywood übersiedelt, auch um Abstand zu Rahel zu schaffen. Als er zurückkommt, entsteht ein Dreiecksverhältnis, mit dem man mehr oder weniger glücklich ist.

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Mechtild Borrmann: Feldpost

Wie ihre anderen Bücher, die ich immer gerne gelesen habe, so ist auch dieser ein historischer Roman, für den Mechtild Borrmann diesmal in Tagebuch-Archiven recherchiert hat. Was sie dort fand und las, inspirierte sie zu diesem eindringlichen Roman.

Auf zwei Zeitebenen und aus mehreren Perspektiven erzählt sie die Geschichte zweier miteinander schicksalhaft verbundener Familien. Zu Beginn begegnen wir am Ende des Jahres 2000 der Anwältin Cara Russo, die in einem Café sitzt und einer fremden Frau erlaubt, an ihrem Tisch Platz zu nehmen. Doch plötzlich verschwindet die Frau, nachdem sie kryptische Bemerkungen über das Verschwinden einer Adele gemacht hatte. Zurück lässt sie eine Aktentasche.

Statt diese Tasche über ein Fundbüro oder ähnliches der Frau zurückzuerstatten, beginnt Cara zu recherchieren. Dies wäre auch einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an dem Roman habe, dass ich genau dies nämlich ziemlich unrealistisch finde. Aber sei es drum.

Cara folgt den Spuren der Liebesbriefe, die sich in der Aktentasche befanden und die aus den vierziger Jahren, aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs stammen. Sie führen die Anwältin zu einem Richard Martens, der offensichtlich der Absender der gefundenen Briefe war. Weiterlesen

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Anne Stern: Fräulein Gold: Die Rote Insel: Die Hebamme von Berlin 05

1926 ist für Hulda Gold ein Jahr des Umbruchs: Sie muss kündigen, damit ihre Vermieterin nicht Gefahr läuft, wegen Kuppelei angezeigt und bestraft zu werden, und sie muss ihre Stelle als leitende Hebamme im Krankenhaus kündigen. Hulda befindet sich in einer Situation, vor der sie am meisten Angst hatte. Sie ist ein gefallenes Mädchen, eine schwangere, ledige Frau, die für ihren sichtbaren Zustand bestraft wird.

Zum Glück ist sie mit der kommunistischen Ärztin Grete befreundet, die illegal Schwangeren aus ihrer Not hilft. Auch Hulda brauchte in früheren Jahren ihre Hilfe. Doch heute will sie ihr Kind behalten. Aus diesem Grund vermittelt Grete Hulda in der Nähe ihrer Praxis ein kleines, verschimmeltes Kellerzimmer, in dem sie wohnen darf und beschäftigt sie als Arzthelferin. Irgendwann im Juni wird ihr Baby zur Welt kommen. Was danach aus Hulda und ihrem Kind werden soll, steht in den Sternen.
Auf der schäbigen Seite von Berlin Schöneberg, der roten Insel, leben traditionell die Armen eng aufeinander in heruntergekommenen Häusern und glauben wie Grete an eine bessere Zukunft durch den Kommunismus. Immer mehr lässt sich Grete in politische Kämpfe gegen die Nazis hineinziehen. Diese eskalieren, als ein Freund von ihr erschlagen wird. Automatisch wird nun auch Hulda eine Beteiligte, ob sie will oder nicht. Weiterlesen

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Kai Meyer : Die Bücher, der Junge und die Nacht

Wenn es nicht vermessen wäre, müsste man diesen Roman mit den Büchern des großen Carlos Ruiz Zafón vergleichen.

Nun ist Leipzig nicht Barcelona und Kai Meyer sicher nicht Ruiz Zafón, doch atmosphärisch wie auch thematisch muss sich dieses Buch nicht hinter denen des Spaniers verstecken.

Dieser fesselnde Roman, der auf drei Zeitebenen spielt und eine faszinierende Geschichte erzählt, ist mystisch, dramatisch, spannend, philosophisch und historisch fundiert. Im Mittelpunkt steht die Liebe zu Büchern.

Robert Steinfeld betritt im Jahr 1971 zusammen mit der befreundeten Bibliothekarin Marie die riesige Büchersammlung des Max Pallandt. Dieser ist Spross der ehemals Leipziger Verlegerfamilie Pallandt, mit denen auch das Schicksal von Roberts Vater Jakob eng verbunden war. Diese tragische Beziehung zwischen den reichen Pallandts und dem idealistischen Buchbinder Jakob Steinfeld beginnt im Jahr 1933. Weitere 10 Jahre später wird der kleine Junge Robert aus dem brennenden, von Bomben zerstörten Leipzig gerettet, nachdem er sein ganzes bisheriges Leben eingesperrt und einsam hatte verbringen müssen. Weiterlesen

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Edvard Hoem: Der Geigenbauer

„Sein letztes Weihnachten verbrachte Lars mit dreien seiner sieben Töchter, und er sprach über vieles, was er ihnen nie zuvor erzählt hatte.“ (S. 8) Unter anderem sprach er über die fehlende Freiheit. Das ganze Land sei unfrei, und nicht alle, die fortgingen, fänden den Weg nach Hause zurück.

Lars Olsen Hoem (1782-1852) war der jüngste Sohn einer Bauernfamilie, die an der Westküste Norwegens lebte. Traditionell war sein Leben als Knecht vorbestimmt, indem Lars nach dem Tod des Stiefvaters weiter für dessen ältesten Sohn auf dem Hof der Familie arbeiten sollte. Sein einziger Ausweg, eigenes Geld zu verdienen, wäre mit einem Boot zu fischen und Waren zu transportieren. Ohne Geld fortzugehen, war noch mit weiteren Schwierigkeiten verbunden. Denn jeder, der in die Fremde wollte, musste zuvor konfirmiert werden, um als Erwachsener zu gelten.

Lars wartete ungewöhnlich lange auf seine Konfirmation. Erst als für den Napoleonkrieg junge Soldaten gebraucht wurden und Lars mit 50 anderen jungen Männern eingezogen wurde, änderte sich für ihn alles. Weiterlesen

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Volker Kutscher: Transatlantik

Der letzte Krimi um den Berliner Kommissar hat ja einen gemeinen Cliffhanger enthalten. Wir erinnern uns, er endete, als die „Hindenburg“ mit Gereon Rath an Bord steuerte auf den Landeplatz in Lakehurst zu. Dazwischen gab es noch den liebevoll gezeichneten Band „Mitte“, der den Leser über Fritzes Schicksal aufklärte, aber auch nicht gut endete. Umso sehnlicher wurde dieser neue Band um Gereon Rath, Charlie Rath und Fritze erwartet.

Und die Fäden werden wieder aufgenommen. Allerdings beginnt der Roman nicht am 6. Mai 1937, sondern bereits einige Wochen früher. Gereon Rath hat sich nach Wiesbaden verzogen und arbeitet als Auslieferfahrer. Er wähnt sich hier sicher, in Berlin hält man ihn für tot und hier meint er niemanden zu kennen. Aber er hat einfach zu viele und zu weitgestreute Bekannte und einer davon erkennt ihn auch in Wiesbaden. Rath wird erpresst, aber er bekommt auch die Gelegenheit, genug zu verdienen, um in Amerika einen Neuanfang zu wagen. Wenn er die „Hindenburg“ besteigt.

Charlie Rath ist aus Prag zurückgekehrt, nachdem sie von Fritzes Verhaftung erfahren hat. Sie bewirbt sich erneut um die Vormundschaft des Jungen und um ihn aus der Irrenanstalt herauszuholen, hat sie einen ganz besonderen Zeugen aufgetrieben Weiterlesen

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Karen Duve: Sisi

Einen Roman über „Sisi“, Kaiserin von Österreich-Ungarn, zu schreiben, ist eine mutige Sache. Karen Duve hat sich dieser Herausforderung gestellt, unzählige Originaldokumente durchforstet und eine unglaublich akribische Recherche betrieben. Das hat sich gelohnt. Insbesondere drei Personen stehen im Mittelpunkt dieses Buches. Zum einen ist das Elisabeth selbst, strahlendes Zentrum des Geschehens. Des Weiteren ihre Nichte Marie Louise Baronesse Wallersee, fast genauso schön, genauso schlank und eine besessene Reiterin wie ihre Tante. Außerdem gibt es noch die Hofdame Marie Festetics. Sie verehrt Elisabeth abgöttisch. Es geht viel ums Reiten und um die Jagd in diesem Buch. Beides von Elisabeth tatsächlich exzessiv betrieben. Es wird skizziert, wie skrupellos sie ihre unvergleichliche Schönheit einsetzt, wie sie Ehen arrangiert, die ohne Widerspruch eingegangen werden müssen und wie sie dabei sogar ihre eigene Tochter Gisela verschachert. Ihre Angst vor dem Alter ist ein ständiges Thema und die Beziehung zu Franz Joseph, der alle ihre Eskapaden bezahlt. Elisabeth wird suggestiv, manipulativ und absolut empathielos gezeichnet.  Ihr Wille ist Befehl. Weiterlesen

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