Melanie Metzenthin: Unsere kurze Ewigkeit: Margarethe und Fritz Krupp

Sie hatte kein einfaches Leben. Geboren als Margarethe, Freiin von Ende, viertes von zehn Kindern des preußischen Oberpräsidenten August Freiherr von Ende. Margarethe war die älteste Tochter. Sie wurde schon früh mit hausfraulichen Arbeiten betraut, besuchte lediglich für zwei Jahre eine höhere Töchterschule. Sie setzte sich gegen die strenge Mutter, zu der sie erst spät ein recht gutes Verhältnis entwickelte, durch, mit dem Wunsch, ein Lehrerinnenseminar zu besuchen und als Gouvernante zu arbeiten. Zunächst in England, danach am Hof von Sachsen-Anhalt, wo sie die Bekanntschaft der Prinzessin Maria-Anna machte, die später zu einer engen Freundin und Vertrauten wurde. Fritz Krupp lernte sie als junges Mädchen bei einem Besuch des Vaters in Essen, in der Villa Hügel kennen. Mit seiner Mutter verband sie von Anfang an eine freundschaftliche Beziehung. Fritz und Margarethe waren sich ebenfalls freundschaftlich verbunden. Sein Heiratsantrag, den er ihr in England machte, kam durchaus überraschend.

Fritz galt immer schon als kränklich und nicht durchsetzungsfähig, weshalb er unter den Direktoren der Firma einen schweren Stand hatte, zumal er kein eigenes Aufgabengebiet hatte. Dennoch beweist er taktisches Geschick bei Verhandlungen. Während Fritz‘ Vater Alfred die Eheschließung mit Margarethe zunächst ablehnt, unterstützt seine Mutter Bertha ihn unbedingt. Margarethe gelingt es jedoch recht bald, von ihrem Schwiegervater anerkannt und geachtet zu werden. Geschickt und mit Vertrauen in ihren Ehemann gelingt es ihr, die Pflichten der Hausherrin in der „Villa Hügel“ in Essen zu erfüllen und das Unternehmen bei allen gesellschaftlichen Anlässen zu repräsentieren. Fritz‘ schwache Gesundheit erfordert immer häufiger Margarethes Engagement, sowohl in der Familie als auch auf internationalem Parkett. Sie verschafft sich Achtung und Respekt bei Geschäftspartnern wie Mitarbeitern. Ihre Liebe und ihre Ehe werden auf eine harte Probe gestellt, als Fritz sich später mehr und mehr nach Capri zurückzieht, wo er meint, frei und ohne den Druck des wichtigsten Unternehmers leben zu können.

Seine Neider nutzen das, um ihn zu diffamieren. Nur seine Freundschaft zu Kaiser Wilhelm II. schützt sein Ansehen. Margarethe weiß sich der Unterstützung und Freundschaft des Kaisers und seiner Gemahlin versichert. Doch Fritz zerbricht an der zermürbenden Situation und verstirbt recht plötzlich. Offiziell heißt es, er sei einem Schlaganfall erlegen, Margarethe und einige Vertraute sind allerdings davon überzeugt, dass Fritz die Anfeindungen und Verleumdungen nicht mehr ertragen konnte und seinem Leben ein Ende bereitet hat. Da beide Töchter noch nicht mündig sind, leitet Margarethe den Konzern zunächst treuhänderisch mit der Unterstützung des Direktoriums und Aufsichtsrates, deren Achtung sie sich über lange Jahre verdient hat, bis zur Heirat der älteren Tochter Bertha mit Gustav von Bohlen und Halbach. Der Name Krupp bleibt dennoch erhalten.

Wieder einmal hat der Kaiser seinem treuen Freund und Geschäftspartner, wenn auch posthum, einen Gefallen erwiesen. Gustav führte nach der Eheschließung den Namen „Krupp von Bohlen und Halbach“, der bis heute bekannt ist. Margarethe, die immer für ihre Wohltätigkeit und Großzügigkeit bekannt war, zog sich, wie das von ihr erwartet wurde, aus dem aktiven Geschäft zurück und engagierte sich umso intensiver auf sozialem Gebiet. Bis heute lebt ihr Name in den von ihr in Auftrag gegebenen und finanzierten gartenstädtischen Siedlungen „Margarethenhöhe“ in Essen und „Margarethenhof“ in Duisburg weiter. Für ihre Verdienste wurde Margarethe Krupp 1912 die Ehrenbürgerschaft der Stadt Essen verliehen.

Melanie Mezenthien packt diese historischen Fakten in einen überaus interessanten Roman, der sich vor allem mit der Ehe von Fritz und Margarethe Krupp befasst. Die Seelenverwandtschaft, auf der – wie Margarethe mehrfach erzählt – ihre Ehe mit Fritz beruht, wird von der Autorin in den Fokus genommen. Wo Fritz kränklich und schwächlich, aber kreativ und engagiert war, hat Margarethe mit klarem Verstand und Pragmatismus unterstützt, was für Unternehmen und Familie wichtig war. Sie selbst stand oft genug im Hintergrund, was später dazu führte, dass Fritz während seiner intensiven Zeit auf Capri sich von ihr abgewendet hat und in Schwierigkeiten geraten ist, vor denen sie ihn hätte warnen können, wenn er offen mit ihr geredet hätte. Trotz allem hat Margarethe immer Verständnis für ihren Mann aufgebracht.

Seine Jugend war nicht einfach, vielleicht wollte er auf Capri einfach nachholen, was ihm verwehrt geblieben war. Ihren Töchtern versuchte sie, eine möglichst unbeschwerte und sorgenfreie Kindheit und Jugend zu ermöglichen, ihnen viele Freiheiten zu lassen, sie aber immer zu führen und für sie da zu sein. Ein sehr lesenswerter „Roman einer Ehe“, der uns eine Frau nahebringt, von der die meisten bestimmt nicht sehr viel mehr wissen, als dass sie die Ehefrau des damals reichsten und wichtigsten Unternehmers in Deutschland gewesen ist.

Melanie Metzenthin: Unsere kurze Ewigkeit: Margarethe und Fritz Krupp
Piper, Mai 2024
416 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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