Christa Anita Brück: Ein Mädchen mit Prokura (1932)

Der Titel beschreibt schon die Ungeheuerlichkeit: Wie kann ein „Mädchen“ in einer Berliner Bank die Prokura haben und dies 1931 während der Bankenkrise? Viele arbeitslose Menschen leiden unter einer großen Not, die Familien hungern. In diesem Zusammenhang ist es fast schon verständlich, wenn die männlichen Angestellten dem unverheirateten Fräulein Thea Iken, fast dreißigjährig, groß, schlank und schön diese Position nicht gönnen.

Thea hatte bis dahin einen harten Weg hinter sich, und auch mit dem anfänglichen Lohn kann sie ihr Leben kaum finanzieren. Um nach ihrem Schwächeanfall nicht als schwächliche Frau angesehen zu werden, gesteht sie zögernd, seit Wochen nichts Warmes mehr gegessen zu haben. (S. 17)

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Joan Didion: Play It As It Lays (1970)

Dieser Klassiker spielt im Hollywood der späten sechziger Jahre.

Protagonistin ist die wenig erfolgreiche Schauspielerin Maria Wyeth. Sie ist gefangen und gleichzeitig verloren in der Scheinwelt Hollywoods. In einer Art Marionettenrolle spielt sie einen Part, der sie selbst und ihr Leben so verändert, dass sie die Bodenhaftung zur Normalität verliert. Maria findet nicht heraus, aus der Spirale. Vor allem belastet sie, dass ihre kleine Tochter Kate mit einer geistigen Beeinträchtigung geboren wurde und deshalb weg von ihr, in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht ist.

Ihr unstetes Leben ist Falle, Flucht und Fluch zugleich. Die Beziehung zu ihrem Mann Carter liegt in Trümmern. So sucht sie immer wieder Trost in Affären, an denen ihr nichts liegt. Sie umgibt sich mit Menschen, die ihr nichts bedeuten. Sie sucht Trost im Alkohol und macht damit alles nur schlimmer. Sie fährt stundenlang auf der Überholspur des Highways ins Nirgendwo und wieder zurück, während sie sich dabei mit Musik zudröhnen lässt.

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Gwendolyn Brooks: Maud Martha

„Maud Martha“ ist der einzige Roman von Gwendolyn Brooks (1917 – 2000), die vor allem als Lyrikerin bekannt war.

Maud Martha erfährt schon als kleines siebenjähriges Mädchen, wie es sich anfühlt, wenn Menschen nach ihrem Aussehen beurteilt werden. Ihre Haut hat die Farbe von dunklem Kakao, ganz ohne Milch, und ihre Haare sind unbezähmbar. Sie weiß, dass sie in den Augen der anderen nicht hübsch ist und beschließt doch, jemand ganz besonderes zu sein, ein einzigartiges Maud-Martha-Kunstwerk. Sie weiß, dass sie dem alltäglichen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft nicht entkommen kann, aber sie wird ihm nicht erlauben, ihr Leben zu bestimmen.

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Herbert Clyde Lewis: Gentleman über Bord (1937)

In „Gentleman über Bord“ von Herbert Clyde Lewis ist der erfolgreiche Börsenmakler Henry Preston Standish aus New York bereits dreizehn Tage an Bord der Arabella, als ihm sein eigenes Missgeschick zum Verhängnis wird: Er rutscht auf einem Ölfleck aus und stürzt ins Meer. 

Da es noch recht früh am Tag ist und die anderen Passagiere sich noch alle in ihren Kabinen aufhalten, bemerkt niemand das Unglück. 

Wohl wissend, dass nur wenige andere Schiffe auf der Reiseroute zwischen Honolulu und Panama unterwegs sind, die ihn, den Schiffbrüchigen, bemerken könnten, bleibt Standish dennoch zuversichtlich und ist überzeugt davon, dass die Arabella auf ihrer Route bald kehrt machen würde, um nach ihm zu suchen. Während er sich auf dem Wasser von dem kaum merklichen Wellengang hin- und herschaukeln lässt, fühlt er sich sogar wohl und trotzt seinem Schicksal in erstaunlicher Weise. – Was Standish zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht weiß, ist, dass es noch viele Stunden dauern wird, bis sein Verschwinden überhaupt auffällt und er lange Zeit weder von den anderen acht  mitreisenden Passagieren, noch von den Besatzungsmitgliedern vermisst werden wird.

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T.E.D. Klein: The Ceremonies

Ich habe vor langer Zeit T.E.D. Kleins Kurzgeschichtensammlung „Dunkle Götter“ (1985) gelesen, und besonders hat mich die Story „Nadelmans Gott“ fasziniert. Dass der Piper Verlag nun „The Ceremonies“, Kleins Horror-Roman von 1984, neu aufgelegt hat, freut mich daher sehr!

Der Hintergrund der Story mit viel Lovecraft`scher Mystik sind Aberglaube und religiöser Fanatismus. Die Handlung ist in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt, das heißt die Handlung wird nicht von Handys, SMS und E-Mails voran gepusht. Das Erzähltempo ist langsam und zieht gerade dadurch in den Bann.

Worum geht es? Seit ewigen Zeiten schlummert eine uralte Macht in den Wäldern, unweit von New York, nahe dem Ort Gilead, der von einer religiösen Gemeinschaft errichtet und bewohnt wird. Ein Diener dieser alten Macht ist Aloysius Rosebottom, verniedlichend „Rosie“ gerufen. Angeblich ist er ein harmloser alter Mann mit Interesse an alten Riten und Volkstänzen, in Wirklichkeit plant er seit sehr, sehr langer Zeit die Auferstehung seines Gottes. Weiterlesen

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Gloria Naylor: Die Frauen von Brewster Place (1982)

Der Brewster Place ist ein teilweise abgeriegelter sozialer Brennpunkt am Rande einer amerikanischen Großstadt. Anfangs führte an den Hochhäusern eine Straße vorbei, die in eine Einkaufsstraße mündete. Später wurde an dieser Mündung eine Mauer quer über die Straße gebaut, so dass nur noch die Bewohner aus den oberen Etagen auf das geschäftige Treiben und die Lichter schauen konnte. Wer nach dem Mauerbau zum Brewster Place zog, hatte in der Regel bereits alles für seinen sozialen Aufstieg versucht und sich mit dem Scheitern abgefunden. Hier zog niemand mehr weg, es sei denn mit den Füßen zuerst.

Die New Yorker Autorin Gloria Naylor (1950-2016) zeigt in ihrem nach wie vor modernen Debütroman aus dem Jahr 1982, wie schwarze Frauen mal mit oder ohne Kinder ihren Alltag mit harter Arbeit und Armut bewältigen. Das Besondere in diesem Roman ist nicht nur der ungewöhnliche Aufbau sondern auch der Fokus auf die Frauen. Das Leitthema ist die Frage: Was passiert mit schwarzen Frauen, denen die Chance auf Bildung und sozialen Aufstieg erschwert wird oder wenn sie mit einer guten Schulbildung ihren Platz in der Gesellschaft finden wollen?

In diesem Kontext spielen Männer in dem von der Autorin eng definierten Verhaltensmuster meist nur eine penetrierende Rolle. Mal helfen ihnen dabei Überzeugungskünste oder im schlimmsten Fall Gewalt. Weiterlesen

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Virginia Woolf: Mrs Dalloway (1925)

London im Juni 1923. Mrs. Clarissa Dalloway, die Gattin des Parlamentsabgeordneten Richard Dalloway, bereitet sich und das Haus auf einen ihrer beliebten Gesellschaftsabende vor. Einkäufe müssen getätigt und dem Hauspersonal letzte Anweisungen erteilt werden. Während sie am Nachmittag dann noch ihr Kleid ausbessert, erscheint überraschend Besuch: Peter Walsh, ihre erste Liebe, dem sie später allerdings den deutlich solideren Richard Dalloway vorgezogen hatte, ist aus Indien zurückgekehrt und wartet ihr mit seinem Besuch auf.

Gleichzeitig streift der Kriegsheimkehrer Septimus Warren Smith, begleitet von seiner italienischen Ehefrau Lucrezia, durch die Stadt, auf der Suche nach Hilfe gegen seine Ängste und gegen das Gefühl der Empfindungslosigkeit.

Die äußere Handlung ist auf wenige (scheinbar) alltägliche Ereignisse an ebendiesem Junitag 1923 reduziert, das Voranschreiten der Zeit wird durch das Leuten von Big Ben verdeutlicht, dessen viertelstündlicher Glockenschlag zugleich dem Roman, der im Übrigen ohne Kapitel auskommt,  Struktur verleiht. Weiterlesen

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Gloria Naylor: Linden Hills (1985)

Der Name Linden Hills steht für den nördlichen Abhang eines fruchtbaren Plateaus, der am unteren Ende am städtischen Friedhof endet. Und weil der felsige Boden für landwirtschaftliche Zwecke völlig ungeeignet ist, konnte 1820 der dunkelhäutige Luther Nedeed dieses 2,5 km lange Areal kaufen. Die Gemeinde lachte damals über diesen scheinbar dummen Menschen und freute sich schon am Tag des Eigentümerwechsels auf sein Scheitern. Doch was sie später erkannten, erschütterte ihre Erwartungen: Aus dem unwegsamen Gelände ist im Laufe der Jahre eine Heimat für Farbige geworden, die Luther Nedeeds Hütten angemietet oder auf einem gepachteten Grundstück Häuser gebaut haben, während ihr Vermieter und später sein Sohn, Enkel, Urenkel noch immer neben dem Friedhof leben und ihre Dienste für Beerdigungen anbieten. Seine Erfolgsgeschichte, der amerikanische Traum für Farbige, weckte die Neugier der Forscher, den Neid der weißen Nachbarn und die Sehnsucht zukünftiger Mieter und Pächter. Was vielen nicht auffiel, war der häufige Wechsel der Bewohner. Weiterlesen

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Goliarda Sapienza: Tage in Rebibbia (1983)

Irgendwann ging es nicht mehr weiter. Die Autorin Goliarda Sapienza (1924–1996) hatte alle Karten in ihrem Leben ausgereizt, und es schien, dass all ihre Entbehrungen umsonst gewesen waren. Zehn Jahre hatte sie an ihrem Lebenswerk geschrieben, unter Depressionen gelitten, und die Verleger lehnten ihr unkonventionelles Manuskript ab. Wäre sie ein Mann gewesen, hätten die Verleger vermutlich das umfangreiche Buch herausgebracht. Aber das literarische Werk hatte eine moderne, unabhängige Frau geschrieben. Mittel- und obdachlos stand sie da, und keiner wollte sie für ihre Arbeit entlohnen. Und weil sie eine Dekade lang nur für ihr Opus lebte, gab es in dieser Zeit auch keine Veröffentlichungen, die für sie sprachen.

Goliarda Sapienza hatte also alle Karten ausgespielt und wie jeder andere lebendige Mensch Hunger und andere Bedürfnisse. Wer keine Gönner oder Spender zur Hand hat, der greift schon mal zu. Also griff sie zu und erleichterte eine Bekannte. Statt den Wertgegenstand zu versilbern, wurde sie geschnappt, verurteilt und landete 1980 am Ende des Sommers für ein paar Monate in einem römischen Frauengefängnis. Dieses hatte gerade einige Reformen durchlebt: Es gab keine Nonnen mehr als Aufsichtspersonal, und die Gefängniskleidung wurde abgeschafft. Nun regelten die inhaftierten Frauen ihren Alltag zum Teil eigenständig. Weiterlesen

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J. L. Carr: Leben und Werk der Hetty Beauchamp (1988)

Die Zukunftsperspektive einer jungen Frau war in Großbritannien in den späten 80er Jahren oft dieselbe: Ein Leben im Schatten des Ehemannes ohne eigene Selbstverwirklichung. Dieser tristen Realität zum Trotz schildert der britische Bestsellerautor J. L. Carr in dem erstmalig 1988 erschienenen Roman „Leben und Werk der Hetty Beauchamp“ eine feministische Perspektive einer jungen Frau, die fest davon überzeugt ist, dass ihr Leben mehr zu bieten hat als zu heiraten, eine Familie zu gründen und dem Ehemann alle Wünsche zu erfüllen.

Die 18-jährige Hetty hat bald ihren Schulabschluss in der Tasche und möchte ihrer Bildung auch nach der Schule einen hohen Stellenwert beimessen. Vonseiten ihrer Eltern – besonders der ihres cholerischen Vaters – erfährt sie allerdings mehr Gegenwind als Unterstützung, besonders, was ihre Liebe zur Literatur angeht. Als jedoch ein gewaltiges Geheimnis an die Luft kommt, beschließt Hetty, fortan ihren eigenen Weg zu gehen.

Dass J. L. Carr in der damaligen Zeit die Perspektive einer selbstbestimmten Protagonistin beleuchtet, verdient Lob. Carr zeigt in seinem Roman realitätsnah, welche Rolle Frauen in der Gesellschaft und Familie zu der Zeit einnahmen und dass der Status quo eben nicht im Sinne aller Frauen war. Der Roman ist allein schon deshalb lesenswert, weil es interessant ist zu erfahren, wie ein feministischer Roman in den 80er Jahren umgesetzt wurde. Weiterlesen

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