William Hjortsberg: Gray Matters (1971)

Der Tod – er droht uns allen. Reiche Menschen versuchen durch Transplantationen, innovative Seren und die abstrusen Versprechen sogenannter Wunderdoktoren, den körperlichen Verfall hinauszuzögern. Ganz Ängstliche lassen ihren Körper einfrieren, um in einer zukünftigen Welt vielleicht wieder zum Leben erweckt zu werden.

Alles ändert sich, als ein Wissenschaftler eine Methode entwickelt, das Gehirn aus dem Körper zu extrahieren und lebend in sogenannten Nährbanken weiterexistieren zu lassen. Umhegt von Robotern, überwacht von einer anonymen Kontrollinstanz, leben die ihrer Körper beraubten Gehirne so in einer eigenen, virtuellen Welt. Dass sie dabei gegängelt und überwacht werden, dass ihr stromlinienförmiges Verhalten gefördert und letztlich mit der Zuteilung eines neuen Kunstkörpers belohnt wird, ahnen die meisten dieser unfreiwillig Inhaftierten nicht.

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Sigrid Boo: Dienstmädchen für ein Jahr (1930)

Das von Ärger geprägte Wortgefecht zwischen Helga und Jørgen endet mit einer Wette. Wenn Männer behaupten, Helga, eine moderne junge Frau, sei nutzlos, dann kann sie nur dagegen halten. Natürlich kann sie alles, was sie sich in den Kopf gesetzt hat. Und dann behauptet Jørgen im Kreis ihrer Freunde, sie könne niemals ein Jahr lang unerkannt als Dienstmädchen arbeiten. Für Helga gibt es kein niemals. Für einen Diamantring als Gegenleistung würde sie diese Aufgabe meistern. Erst nach dem Streit begreift sie, dass sie tatsächlich gewettet hat. Nun muss sie ihre Familie überzeugen und noch ganz viel erledigen.

Aus den Reaktionen ihres Umfelds entnimmt Helga, dass kaum jemand an ihr Durchhaltevermögen glaubt. Eine verwöhnte Fabrikantentochter, die nie im Haushalt arbeiten musste, so sagen sie, ist in der Diensttracht einer Hausangestellten einfach nicht vorstellbar. Dabei weiß jeder von ihrem Ehrgeiz, dem gerade abgeschlossenen Abitur mit den sehr guten Noten und den gewonnenen Trophäen beim Sport. Jørgen, der Frauenschwarm, kann ebenfalls eine Trophäe werden. Weiterlesen

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Nettie Jones: Fish Tales

Lewis Ex-Mann sagt: „Ich finde dich nicht verrückt. Ich finde dich mutig. Die meisten können sich ein Leben, wie du es lebst, nicht einmal vorstellen.“ (S. 195)

Wie soll man Lewis Leben beschreiben, das sich die meisten Menschen nicht vorstellen können? Lewis hat früh gelernt, wie wichtig es ist, anderen – insbesondere Männern – zu gefallen. Nachdem sie viel zu früh von einem Pädophilen verführt worden ist, entwickelt sich die junge Lewis zu einem „heißen Feger“. Sie tobt sich in jeder Hinsicht aus, bis sie ein Alter erreicht, um nicht einmal als Bettvorlage erwünscht zu sein.

Der Debütroman Fish Tales von Netti Jones erschien 1983, ein zweiter Roman folgte sowie Essays und Kurzprosa. Sie hatte das Glück, zwei Fürsprecherinnen für sich zu gewinnen: Gayl Jones, die nach der Lektüre ihrer Tagebücher zu ihr sagte: „Schreib!“ – und Toni Morrison, ihre Lektorin bei Random House.

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Siân James: Ein Nachmittag im Mai

Die Waliserin Siân James (1930-2021) veröffentlichte 1975 ihr preisgekröntes Erstlingswerk, den Roman Ein Nachmittag im Mai. Darin geht es um die sechsunddreißigjährige Anna. Sie ist seit vier Jahren Witwe, Mutter von drei Töchtern und lebt in der walisischen Countryside. Seit dem Tod ihres Mannes Giles steht sie in einer Art Sackgasse. Nur mit viel Mühe kann sie aus den Einkünften eines kleinen Vermögens ihre Familie finanzieren. Und seit die Jüngste das Schulalter erreicht hat, glaubt sie an einen Ausweg: Sie will im kommenden Herbstsemester ihr Studium wieder aufnehmen. Es wird Zeit nach vorn zu schauen, denkt Anna. Als Lehrerin kann sie ihr eigenes Geld verdienen und damit leichter Rechnungen bezahlen.

An einem Tag im Mai geraten Annas Pläne und Gedanken durcheinander, als sie dem gutaussehenden Schauspieler Charlie wieder begegnet. Der jüngere Mann küsst sie spontan und ausgiebig bei der Begrüßung, als wären sie bereits ein Liebespaar. Auch sonst sind seine Umgangsformen einnehmend.

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Katherine Mansfield: In der Bucht

Die neuseeländisch-britische Schriftstellerin Katherine Mansfield wurde 1888 in Wellington/Neuseeland geboren und starb im Alter von nur 34 Jahren an Tuberkulose in Fontainebleau/Frankreich. Während ihrer schriftstellerischen Schaffensphase hat sie keinen Roman veröffentlicht, sondern ihren Bekanntheitsgrad durch 73 kurze Erzählungen erlangt. „In der Bucht“ ist eine ihrer bekanntesten und längsten Geschichten, die in Neuseeland angesiedelt sind. Der kleine, schmale Erzählband gehört zum Quartett aus Klassikerbänden mit ausschließlich weiblichen Autoren aus dem Verlag Mare.

Katherine Mansfields Vorbild war Anton Čechow, der ihr eigenes Schreiben geprägt hat.

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Jeremias Gotthelf: Die Käserei in der Vehfreude

In dem beschaulichen Dorf Vehfreude wollen die Männer Veränderungen einführen. Statt dem Dekret zu folgen, bauen sie keine größere Schule, sondern ihr eigenes Käsehaus. Es wird mit viel Aufwand ausgerüstet und ein Senn eingestellt, der den Käse fachmännisch herstellen soll. Bildung ist für sie nicht so wichtig, zumal viele kaum lesen, schreiben und rechnen können. Sie sind Bauern und kennen sich mit Kühen aus. Seit Generationen leben sie von der Milchwirtschaft. Und was sie nicht verkaufen können, gilt als verloren.

Inzwischen wissen auch die Vehfreudener Männer, guten Käse kann man nicht nur aus Almmilch herstellen. Früher galt ihre Milch als minderwertig, weil ihre Kühe nicht auf der Alm grasen. Doch dies hat sich geändert. Denn die Nachfrage nach Käse ist gewachsen.

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Angelika Mechtel: Das gläserne Paradies

Die Autorin Angelika Mechtel lässt uns durch eine Glasscheibe in das Innere einer gutbürgerlichen Familie blicken. Von 1971 bis 1972 geht die Zeitreise zu einer „ehrenwerten Gesellschaft“. Den Rahmen bildet die opulente Feier zum 60. Geburtstag von Amelie Born, der Ehefrau eines bekannten Professors.

„Jedes Mitglied ausgestattet mit einer weißen Weste, die untadelig bleibt, solange barmherzig abgedeckte Ungeheuerlichkeiten nicht an die Öffentlichkeit gelangen.“ (S. 10)

Abzudecken gibt es reichlich: Herzlosigkeit, Grausamkeit gegenüber ärmeren Mitmenschen, routinierter Mord, Drogenschmuggel, Lügen, Betrügen und das Vertuschen vergangener Schandtaten.

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Mary Downing Hahn: Meine Freundin Helen: Eine Geistergeschichte

Unheimlich gut: Grusel-Nostalgie aus den 80ern

Könntest du nachts schlafen, wenn direkt vor deinem Fenster ein Friedhof liegen würde?

Zum Inhalt:

Heather ist die nervigste kleine Göre, die man sich vorstellen kann – die neue Stiefschwester ist ein wahrer Quälgeist für Molly und Michael in ihrer neuen Patchwork-Familie. Doch als ob das nicht schon genug Drama wäre, beginnt der eigentliche Albtraum, als Heather auf dem düsteren Friedhof hinter ihrem neuen Zuhause, einer unheimlichen alten Kirche, eine neue »Freundin« findet: Helen.

Kein gewöhnliches Mädchen, sondern ein ruheloser Geist, der dort seit über hundert Jahren lauert – verborgen im Schatten der Grabsteine, mit einem finsteren Plan…

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Joseph Conrad: Herz der Finsternis (1899)

Des Menschen Gier ist unersättlich. Davon zeugt diese 1899 erstmals erschienene und nun bei Diogenes deluxe Verlag neu aufgelegte Geschichte von Joseph Conrad. Forscher, Goldsucher, Händler, Abenteurer – im Text beschönigend als „Pilger“ bezeichnet – ziehen in die Schwärze des afrikanischen Kontinents, immer weiter am Fluss Kongo entlang. Dort bringen sie nicht etwa den vermeintlichen Fortschritt, sondern schröpfen den Kontinent bis aufs Blut. Von Bodenschätzen über Elfenbein bis hin zu den Menschen, den Sklaven. Entrechtet, ausgebeutet, gefoltert, getötet: Diese von Conrad beschriebenen Szenen wirken bisweilen wie ein Fiebertraum, wie ein Delirium, erschreckend nah und distanziert-abgeklärt zugleich.

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Ross Macdonald: Schwarzgeld (1965)

Man sieht Lew Archer an, dass er nicht zum mondänen Tennisclub Montevista gehört. Dies liegt unter anderem an seinem einfachen Anzug und den direkten Fragen, die er Angestellten und Mitgliedern über Francis Mantel stellt.

Sein Mandant, ein junger reicher Mann, erklärt, Francis Mantel sei seit zwei Monaten hier, und plötzlich stünde seine ehemalige Verlobte unter Mantels Einfluss. Es sei keine normale, keine gesunde Beziehung. Er mache sich schreckliche Sorgen um sie.

Für den Detektiv Archer aus Los Angeles scheint es ein ganz normaler Fall zu sein, bis er auf Ungereimtheiten stößt. Dieser Mantel bringt auf der einen Seite alles mit, was ein reicher Mann unter seinesgleichen braucht: Arroganz, Geld und den Anspruch, nur das Beste sei gerade gut genug für ihn. Doch auf der anderen Seite hat er die Angewohnheit, genauso schnell zu verschwinden, wie er gekommen ist. Nur dieses Mal will er die Exverlobte des Mandanten mitnehmen.

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