Des Menschen Gier ist unersättlich. Davon zeugt diese 1899 erstmals erschienene und nun bei Diogenes deluxe Verlag neu aufgelegte Geschichte von Joseph Conrad. Forscher, Goldsucher, Händler, Abenteurer – im Text beschönigend als „Pilger“ bezeichnet – ziehen in die Schwärze des afrikanischen Kontinents, immer weiter am Fluss Kongo entlang. Dort bringen sie nicht etwa den vermeintlichen Fortschritt, sondern schröpfen den Kontinent bis aufs Blut. Von Bodenschätzen über Elfenbein bis hin zu den Menschen, den Sklaven. Entrechtet, ausgebeutet, gefoltert, getötet: Diese von Conrad beschriebenen Szenen wirken bisweilen wie ein Fiebertraum, wie ein Delirium, erschreckend nah und distanziert-abgeklärt zugleich.
WeiterlesenKlassiker
Ross Macdonald: Schwarzgeld (1965)
Man sieht Lew Archer an, dass er nicht zum mondänen Tennisclub Montevista gehört. Dies liegt unter anderem an seinem einfachen Anzug und den direkten Fragen, die er Angestellten und Mitgliedern über Francis Mantel stellt.
Sein Mandant, ein junger reicher Mann, erklärt, Francis Mantel sei seit zwei Monaten hier, und plötzlich stünde seine ehemalige Verlobte unter Mantels Einfluss. Es sei keine normale, keine gesunde Beziehung. Er mache sich schreckliche Sorgen um sie.
Für den Detektiv Archer aus Los Angeles scheint es ein ganz normaler Fall zu sein, bis er auf Ungereimtheiten stößt. Dieser Mantel bringt auf der einen Seite alles mit, was ein reicher Mann unter seinesgleichen braucht: Arroganz, Geld und den Anspruch, nur das Beste sei gerade gut genug für ihn. Doch auf der anderen Seite hat er die Angewohnheit, genauso schnell zu verschwinden, wie er gekommen ist. Nur dieses Mal will er die Exverlobte des Mandanten mitnehmen.
WeiterlesenLiesbet Dill: Tagebuch einer Mutter (1943)
Olivias Leben beginnt märchenhaft. Sie darf behütet und beschützt ihren Neigungen folgen. Von allem ist genug da, so dass sie mühelos in die Rolle der Ballkönigin schlüpft und als gute Partie gilt. Und wie im Märchen verliebt sie sich in den schönsten Mann, der wiederum sie liebt.
Auf das reale Leben ist sie jedoch nicht vorbereitet. Ihr Mann stirbt im Ersten Weltkrieg. Von jetzt auf gleich steht Olivia mit ihren vier Kindern alleine da. In Zeiten großer Unsicherheit ist für sie und ihre Kinder der soziale Abstieg sicher. Ohne Eltern, mit der geldvernichtenden Inflation und der geringen Witwenrente wird ihr Alltag mühselig. Auf die harte Tour lernt Olivia den Pfennig umdrehen und vieles mehr.
Die Autorin Liesbet Dill (1877-1962) wurde im Saarland geboren. Ähnlich wie Olivia wuchs sie in begüterten Verhältnissen auf. Neunzehnjährig wurde sie mit einem 36-jährigen Mann verheiratet. Die arrangierte Ehe machte sie so unglücklich, dass sie Mann und zwei Söhne verließ. Nach der Scheidung verdiente sie ihr tägliches Brot mit dem Schreiben. Sie schrieb über 100 Romane, die häufig die unfairen Lebensbedingungen der Frauen thematisieren. Ihre letzten Romane wurden der Kategorie trivial zugeordnet, so dass ihr Gesamtwerk, teilweise international veröffentlicht, herabgestuft worden ist. Liesbet Dill geriet in Vergessenheit. Weiterlesen
Ursula Parrott: Ex-Wife (1929)
Eine köstliche Zeitkapsel? »Sex and the City« meets »The Great Gatsby«?
Als dieser Roman vor 100 Jahren, 1929, anonym erschien, wurde er sofort zum Bestseller – eine skandalöse Scheidungsgeschichte aus der Zeit des Jazz.
Doch wo steckt der Glamour und die wilden Partys à la »The Great Gatsby«? Wo der freche, moderne Geist von »Sex and the City«?
Du bekommst eine spritzige, schnelle Lektüre über Patricia, 24 und frisch verlassen, die das wilde Manhattan der Roaring Twenties unsicher macht. Zwischen Barbesuchen, Partys, Musicals, zu viel Alkohol, Zigaretten, Flirts und unpassenden Affären reflektiert sie über die Vergangenheit mit ihrem Ex-Mann, einem egozentrischen Arsch, und kämpft voller Selbstzweifel und nostalgischer Sehnsüchte mit dem Wunsch, wieder mit ihm zusammenzukommen. Weiterlesen
Stella Benson: Zauberhafte Aussichten (1919)
1918, während des Ersten Weltkriegs, wird London von den Deutschen bombardiert. Die Menschen (Lebende und Verstorbene) suchen Schutz, unter anderem in unterirdischen Bunkern. In diesem Klima der Angst und Unsicherheit soll jeder in der Bevölkerung seinen Beitrag leisten. Die Hexe Angela gibt ihr gesamtes Geld für Kriegsanleihen her. Als sie später hungert, sieht sie sich gezwungen, ein Brötchen zu stehlen. Auf ihre ganz persönliche Weise kämpft sie auch über den Wolken mit einer gegnerischen Hexe, während unter ihr die Kampfflieger über London kreisen.
Auch Sarah Brown leistet ihren Beitrag, in dem sie für eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitet. Die unerwartete Begegnung mit der Hexe verzaubert nicht nur sie, sondern verändert auch das Leben der anderen Damen und des Vorsitzenden im Wohltätigkeitskomitee. Und damit sind die „zauberhaften“ Aussichten noch lange nicht vorbei.
Diane Oliver: Nachbarn: Storys
Die amerikanische Autorin Diane Oliver (1943–1966) gewann während ihres Studiums an der University of North Carolina ein Stipendium und wechselte daraufhin zu der University of Iowa. Dort schrieb sie sich in den Schreibkurs ein. Während ihres Studiums veröffentlichte sie die Kurzgeschichte Nachbarn und drei weitere. Ihre schriftstellerische Karriere hätte nun weitergehen können, wenn nicht ein tödlicher Verkehrsunfall kurz vor ihrem dreiundzwanzigsten Geburtstag gewesen wäre. Was danach geschah, spricht für das Talent der jungen Autorin. Posthum erhielt sie den MFA-Abschluss und eine Auszeichnung für ihre literarischen Leistungen.
Der wechselfreudige Literaturmarkt ließ Diane Oliver zurück: Die Gesellschaft veränderte sich. Im Laufe der Jahre entdeckten Verlage und Literaturagenturen für sich immer mehr Autorinnen und später auch schwarze Autorinnen. Nachdem die Britin Elise Dillsworth bei Diane Olivers Schwester und deren Nichte einen Stapel Manuskripte fand, darf sich die Leserschaft auf neue Erstveröffentlichungen freuen. Die Professorin und Autorin Tayari Jones erklärt in ihrem Nachwort, wie Diane Oliver ihr Denken beeinflusst habe und die Autorin aus diesem Grund eine literarische Vorgängerin sei.
WeiterlesenAgatha Christie: Und dann gab’s keines mehr
Agatha Christies „Und dann gab’s keines mehr“ ist der bestverkaufte Kriminalroman aller Zeiten – zu Recht?
Zehn Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, reisen nach Einladung auf eine einsame Insel. Die meisten freuen sich auf die Auszeit – doch bereits auf dem Boot wird es merkwürdig: Keiner von ihnen scheint den Gastgeber U. N. Owen persönlich zu kennen und als sie dann im einzigen Haus auf der Insel ankommen, ist niemand da, um sie zu empfangen. Nicht weiter schlimm, wahrscheinlich handelt es sich um eine harmlose Verspätung.
Doch dann stirbt der erste von ihnen …
WeiterlesenJohannes Mario Simmel: Es muss nicht immer Kaviar sein
Geheimagent und Gentleman – aus heutiger Sicht vielleicht ein bisschen antiquiert, aber nicht minder gut zu lesen wie vor Jahrzehnten. Immerhin ist das Buch, das jetzt zum 100. Geburtstag des Autors neu aufgelegt wurde, bereits 1960 erschienen. Viele werden den Bestseller damals gelesen und inzwischen vielleicht vergessen haben. Es lohnt sich, ihn mit dem Wissen von heute, vor dem Hintergrund der Entwicklungen, die Simmel damals ja nicht vorhersehen konnte, noch einmal zu lesen. Die Sprache mag ein bisschen seltsam anmuten, der damaligen Zeit entspricht sie ebenso wie die Rechtschreibung, die ja mittlerweile reformiert worden ist. Das mag zu Anfang ein bisschen seltsam wirken, aber nach ein paar Seiten, nimmt man das gar nicht mehr richtig wahr.
WeiterlesenLouise Meriwether: Eine Tochter Harlems
Als die Lehrerin Francie erklärt, wie wichtig es für sie sei, Nähen zu lernen, begründet sie dies mit der überschaubaren beruflichen Perspektive für schwarze Mädchen. Es lohne nicht, Schreibmaschine und Stenografie zu lernen, weil sie niemals Sekretärin werden könne.
Es sieht so aus, als wäre Francie in einer Sackgasse geboren, die ihr keine Chance für ein eigenständiges Leben erlaubt. Und die Zeit der großen Depression nimmt mit vollen Händen ihre Träume.
Die Amerikanerin Louise Meriwether (1923–2023) war nie der Ruhm vergönnt wie Toni Morrison oder Alice Walker. Sie fiel als politische Aktivistin und Journalistin auf. Durch ein Interview lernte sie James Baldwin kennen und schätzen. Er wurde ihr Freund und schrieb das Vorwort zu ihrem Debüt.
WeiterlesenJosephine W. Johnson: Die November-Schwestern
Einen Neuanfang zu wagen, spricht für Mut. Alles hinter sich zu lassen, in die Fremde zu ziehen, um Farmland zu bearbeiten, zeigt Hoffnung. Margets Eltern haben beides, als sie diesen Weg wählen. Drei Mädchen und ein wenig Gepäck sind alles, was sie noch haben. Die gepachtete Farm, die Obstbäume, der Wald, die Weiden und steinige Felder werden ihr neues Zuhause. Doch da ist auch noch Verzweiflung, mit der sich Margets Eltern in die ungewisse Zukunft stürzen. Es heißt alles oder nichts. Genau genommen ist dieses Alles ein Berg von Schulden, der wie eine Eisenkugel an ihren Fesseln gekettet ist. Jeder Schritt wird doppelt schwer.
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