Johannes Mario Simmel: Es muss nicht immer Kaviar sein

Geheimagent und Gentleman – aus heutiger Sicht vielleicht ein bisschen antiquiert, aber nicht minder gut zu lesen wie vor Jahrzehnten. Immerhin ist das Buch, das jetzt zum 100. Geburtstag des Autors neu aufgelegt wurde, bereits 1960 erschienen. Viele werden den Bestseller damals gelesen und inzwischen vielleicht vergessen haben. Es lohnt sich, ihn mit dem Wissen von heute, vor dem Hintergrund der Entwicklungen, die Simmel damals ja nicht vorhersehen konnte, noch einmal zu lesen. Die Sprache mag ein bisschen seltsam anmuten, der damaligen Zeit entspricht sie ebenso wie die Rechtschreibung, die ja mittlerweile reformiert worden ist. Das mag zu Anfang ein bisschen seltsam wirken, aber nach ein paar Seiten, nimmt man das gar nicht mehr richtig wahr.

Was man allerdings über die gesamten 740 Seiten sehr wohl wahrnimmt, ist das Frauenbild, das Simmel hier vermittelt. Für die 1960-er Jahre nicht ungewöhnlich, heute völlig überholt, waren Frauen eher attraktives Beiwerk, man schmückte sich mit ihnen und betrachtete sie nicht wirklich als Partnerin auf Augenhöhe. Wenngleich es natürlich auch hier, in den Romanen, starke Frauen gibt. Frauen, die ebenbürtig sind, etwas zu sagen haben.

Simmels Romane – und es waren eine ganze Menge, die zum Bestseller wurden – spiegeln die Zeitgeschichte wider. Mit der Figur des „Geheimagenten wider Willen“, Thomas Lieven lässt er uns eine Zeit plastisch erleben, die viele sicher nur noch aus Erzählungen ihrer Eltern oder Großeltern kennen. Über achtzehn Jahre erstreckt sich die Erzählung, in der Lieven gleich mehrfach als Geheimagent für verschiedene Nationen tätig ist. Es hat sich so ergeben, immer wieder musste er seine Haut retten und eben Zugeständnisse machen. Immer wieder wird er begleitet von schönen Frauen, gerät in ausweglose Situationen, die man sich damals vielleicht real so nicht vorstellen konnte, aber dennoch ist es Zeitgeschichte.

Simmel hält der Nation den Spiegel vor.  Er geht kritisch mit der Politik wie auch der Gesellschaft um. Trivial waren seine Romane nicht, auch wenn man das vermuten mag. Seine Figuren sind ausdrucksstark gezeichnet, auch Thomas Lieven, Liebling der Frauen, begnadeter Koch und erfolgreicher Agent. Das Buch heute nochmal zu lesen, ist eine interessante Erfahrung. Immerhin haben wir uns auch verändert, blicken heute mit ganz anderer Erfahrung auf das, was Simmel beschreibt. Wer den Roman als Teenager, junge Frau oder junger Mann gelesen hat, hat vielleicht einfach nur einen Roman gelesen. Rückblickend stellt sich vieles anders dar. Ich finde, es lohnt sich.

Das umfangreiche Nachwort ordnet Autor und Werk dann auch nochmal ein, erläutert und gibt einen guten Einblick in das Leben des Erfolgsautors und seine Zeit. Amüsant auch die Übersicht über die im Roman erwähnten Rezepte, die Lieven selber für seine Gäste kocht oder die in Restaurants serviert werden. Auch hier einige Reminiszenzen – wer bringt heute noch Schildkrötensuppe auf den Tisch? Vor sechzig Jahren war das eine teure Delikatesse. Auch die Speisekarten haben sich verändert.

Insgesamt, eine schöne Idee, mit der Neuauflage noch einmal an Johannes Mario Simmel zu erinnern.

Johannes Mario Simmel: Es muss nicht immer Kaviar sein
Droemer-Knaur, März 2024
740 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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