Jason Rekulak: Schlafenszeit

Fesselnder, paranormaler Mysterythriller mit Suchtfaktor – kritisch beleuchtet!

Follow the white rabbit …

Da es innerhalb dieses Genres ein ganz schönes Auf und Ab gibt und dieser Thriller gehypt wird, musste ich natürlich schauen: Was steckt dahinter?

Mallory stand kurz vor einem Sportstipendium, als eine Tragödie ihr Leben zerstörte und sie in die OxyContin-Abhängigkeit trieb. Nach 18 Monaten Abstinenz wagt sie jetzt einen Neuanfang und nimmt einen neuen Job als Kindermädchen für den fünfjährigen Teddy in einem wohlhabenden Vorort an.

Ja, „Schlafenszeit“ ist ein Pageturner, doch mir fehlte der ultimative Drive, der mich so richtig an den Seiten kleben lässt.

Unter dem Lob von Stephen King prangt auf dem Cover: „Albträume erwachen, wenn diese Tür sich schließt“.

Aber welche Albträume? Das Cover verspricht mehr Horror, als der Inhalt hält. Der Gruselfaktor kommt leider kaum durch.

Positives:

Für mich war es ein fesselnder, elektrisierender Lesegenuss. Wie bei jedem guten Rätsel stellte ich kuriose Vermutungen an, während mich jeder Hinweis mehr verwirrte. Denn Rekulak lässt mich an allen Protagonisten zweifeln.

Diese originelle Geistergeschichte ist meisterhaft geschrieben, sie rast vorwärts und sprüht geradezu vor kleinen Cliffhangern am Ende jedes Kapitels, die den Leser immer weiter antreiben. Dabei heben die Illustrationen die Geschichte auf ein ganz neues Level, indem sie den Geheimnissen zusätzliche Dimensionen verleihen. Sie schaffen eine eindringliche Atmosphäre, die die Handlung unheimlich lebendig werden lässt.

Wenn du mysteriöse Geschichten mit einem Hauch von Grusel liebst, musst du dieses Buch unbedingt lesen!

Kritik:

Bestes Horror-Buch?

Also, das hier soll der Sieger des Goodreads Choice Awards 2022 für das beste Horror-Buch sein? Kann mir jemand erklären, wo genau der Horror steckt? Ich seh’s nämlich nicht. Auch Grusel und intensive Spannungselemente waren für meinen Geschmack viel zu spärlich verteilt.

Opioidabhängigkeit

Mallory wirkt auf mich nie wie die verlorene, tragische Figur, die sie sein sollte. Trotz ihrer Drogenvergangenheit und inneren Konflikte bleibt sie flach, ohne emotionale Zerrissenheit, die ihre Geschichte verdient hätte. Auch ihre Religion wirkt hier lediglich wie eine dekorative Requisite.

Als genesende Süchtige machte sie auf mich nie den Eindruck, dass sie damit tatsächlich zu kämpfen hatte.

Die Hintergrundgeschichte ihrer Opioidabhängigkeit (zuerst OxyContin, später Heroin) ist ebenfalls unrealistisch, weil allein der erste Kontakt – ihr Arzt verschreibt Oxy aufgrund von Schmerzen – für Millionen von Menschen ausgereicht hätte, um in die Abhängigkeit zu stürzen. Aber das kann Mallory nicht passieren! Auch sonst scheint es so einfach für sie zu sein, clean zu bleiben, ohne auch nur einen einzigen Rückfall zu haben.

In der Realität ist die Rückfallquote bei Oxycodon sehr hoch. Schätzungen zufolge werden mehr als die Hälfte der Menschen, die wegen einer Opioidabhängigkeit behandelt werden, innerhalb von sechs Monaten rückfällig.

Das passt einfach nicht zusammen …

Abgesehen davon, dass sich Mallory als hobbymäßige Langstreckenläuferin fast nur von Junkfood ernährt und eine der Hausregeln ‚Kein Junkfood‘ ist – serviert sie Teddy dennoch jeden Tag ein ungesundes Mittagessen wie Chicken Nuggets oder Ravioli. Obwohl der Kühlschrank prall gefüllt ist mit quietschfrischem High-End Food.

Eine versteckte Agenda?

Ist es Kalkül oder Kunst? In Zeiten gesellschaftspolitischer Debatten scheint es für manche Literaturkritiker verlockend, in jedem Buch versteckte Botschaften zu suchen. Es muss anstrengend sein, etwas entlarven zu wollen, worüber man sich beschweren kann, nur weil diese vermeintlichen, woken Trendthemen gerade polarisieren.

Einige Rezensentinnen, vor allem aus den USA, feuern scharfe Kritik ab. Sie kritisieren Fatshaming/gewichtsbezogene Stigmatisierungen, rassistische Stereotypen und positive Anspielungen auf Harry Potter und J. K. Rowling.

Ist der Autor Provokateur oder Beobachter?

Auf den heiß diskutierten zentralen Kritikpunkt kann ich wegen Spoilergefahr nicht eingehen. Doch er hinterlässt genauso wie die Anschuldigungen über „rechte/konservative Propaganda“ viele offene Fragen.

Muss man in jeder literarischen Figur ein Abbild der Realität suchen? Darf ein Autor nicht polarisierende Themen beleuchten, ohne als Propagandist abgestempelt zu werden?

Fakt ist, der Autor bleibt ein Mysterium, über dessen Leben und Ansichten kaum etwas bekannt ist, was viel Raum für Interpretationen lässt. Ist das vielleicht Teil einer cleveren Marketingstrategie, um Leser durch Kontroversen zu fesseln?

Fazit:

Trotz meiner Kritikpunkte hat mich der Roman fantastisch unterhalten! Schon allein wegen der originellen Plotentwicklung freue ich mich riesig auf Jason Rekulaks nächstes Buch!

„»Wenn du das Unmögliche ausschließt, muss das, was übrig bleibt, egal wie unwahrscheinlich es ist, die Wahrheit sein.« Das sagt Spock in Star Trek VI, wobei der damit Sherlock Holmes‘ Worte paraphrasiert.“ (S. 172)

Jason Rekulak: Schlafenszeit – Albträume erwachen, wenn diese Tür sich schließt
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Beyer.
Piper, Mai 2024
464 Seiten, Paperback, 17,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.

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