Sadie Jones: Aufs Land

Sadie Jones (Jahrgang 1967) ist Drehbuchautorin. Sie hat mehrere Romane geschrieben. Ihr neuester mit dem Titel „Aufs Land“ ist am 26. Juni 2024 in einer Übersetzung von Katrin Segerer im Penguin Verlag erschienen.

Amy und Lan

Die Geschichte von Amy, Lan und ihren Familien beginnt an Halloween 2005 und endet im Frühling 2010. Zu Beginn sind die beiden Kinder, aus deren Perspektiven Sadie Jones abwechselnd erzählt, sieben Jahre alt und leben auf dem Bauernhof Frith in einem fiktiven Dorf im Westen Englands. Die Familien Harriet und Adam Connell, Gail und Jim Honey und Rani und Martin Hodge, allesamt Stadtmenschen, haben den Hof renoviert und versuchen sich nun als Landwirte.  Die Freundin Em und der psychisch kranke Finbar wohnen ebenfalls auf dem Gelände. Dazu mehrere Hunde, Katzen, Hühner, Ziegen und das Kalb Gabriella Weihnacht.

Amy, Lan, ihre Geschwister, Bill und Lulu Hodge erleben eine unbeschwerte und abenteuerliche Kindheit auf dem Land. Amy und Lan sind unzertrennlich. In die Schule gehen die Kinder nicht gern. Sie versorgen die Tiere, helfen bei der Heuernte und passen gegenseitig auf sich auf. Die ersten dunklen Wolken über Frith ziehen auf, als die Eltern während der Finanzkrise 2008 entscheiden, ein Bed and Breakfast in einem der Gebäude einzurichten. Bei den ersten Gästen kommt es für deren kleinen Sohn zu einem fast tödlichen Unfall im Heuschober. Und Lans Mama Gail und Amys Papa Adam hüten ein Geheimnis, das das Leben der Kinder für immer verändern wird.

Paradies mit Stacheln

Sadie Jones beschreibt in „Aufs Land“ eine ländliche Idylle mit Widerhaken. Das einfache Leben, wie ihre Stadtmenschen es anstreben, hat seinen Preis.

Der Hof kostet Geld, die Lebensunterhalte der Familien müssen finanziert werden, den Laienlandwirten fehlt das fachmännische Know-How und nicht zuletzt sorgen das soziale Miteinander und die Beziehungen untereinander für das Scheitern des Traums. Alle kriegen ein bisschen ihr Fett weg: die Städter, die naiv „aufs Land“ ziehen, die Bed and Breakfast Gäste, die die Idylle loben, aber schnell unzufrieden werden und die Landmenschen, die ihre Höfe verkaufen müssen und im Supermarkt an der Kasse sitzen. Das Paradies hat Stacheln.

Erzählt aus den kindlichen Perspektiven der Hauptfiguren, Amy und Lan, werden die Schwachstellen aus dem Handeln und dem Verhalten der Erwachsenen deutlich. Aber aus dieser Erzählweise erwächst auch die Hoffnung und der Optimismus auf eine gelingende Zukunft.

Sadie Jones’ „Aufs Land“ ist die Geschichte über eine Flucht vor der Moderne ins ländliche Paradies, das es aber nur in den Augen der Kinder ist und bleibt, wie Jones ihre Figur Lan gleich zu Anfang sagen lässt:

„Ein Ende gibt es nicht, weil es die Geschichte ist, wie wir nach Frith gekommen sind. Und wir gehen hier nie, nie wieder weg.“ (S. 25)

Die Erzählstimmen von Amy und Lan unterscheiden sich kaum. Der Tonfall, der Satzbau, die Inhalte gleichen sich. Einzig ihre Bewertungen der Geschehnisse auf Frith unterscheiden sich ein wenig. Das hat für mich als Leserin einige Längen. Aber letztlich nehmen mich der Pragmatismus, der Witz und die Lebensfreude der Kinder für das Buch ein.

Jones versieht ihre jungen Hauptfiguren mit unverstellter Zuversicht, die sich wohltuend von der Blauäugigkeit und Verlogenheit der Erwachsenen absetzt. Das ist ein Gewinn für den Roman.

„Aufs Land“ von Sadie Jones ist keine Werbung für das Landleben, sondern eine schöne Geschichte über einen Traum vom alternativen Leben, der für einige Träumer ein ernüchterndes Aufwachen mit sich bringt.

Sadie Jones: Aufs Land.
Aus dem Englischen von Katrin Segerer.
Penguin Verlag, Juni 2024.
320 Seiten, Hardcover, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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