Sebastian Fitzek: Die Einladung

Was ist Wahrheit? Was ist Lüge? Was ist Einbildung? – Diese Frage treibt auf Dauer nicht nur Marla, die Protagonistin, um, sondern früher oder später auch den Leser.

Überhaupt Marla. Ist sie nur verwirrt? Oder macht sie allen was vor? Kann sie eigentlich selbst einschätzen, was Realität oder Fiktion ist? Auf jeden Fall ist sie stark traumatisiert seit ihrer Kindheit durch einen Vater, der sie – wie er später in einem Abschiedsbrief schreibt – begehrt, aber sie nie angerührt hat und der an diesem Begehren später zerbricht und Selbstmord begeht. Ihr Leben lang fühlt Marla sich verfolgt, sieht Schatten, wo (angeblich?) keine sind, fühlt sich beobachtet, obwohl niemand in ihrer Nähe ist. Sie ist gesichtsblind, gleicht diese mangelnde Fähigkeit aber durch genaues Beobachten und Wahrnehmen, was anderen entgeht mehr als aus. Das macht sie zu einer wertvollen Beraterin des LKA, auch ohne jede polizeiliche Ausbildung. Ihre Mentorin beim LKA scheint ihre einzige Vertraute und Freundin, die einzige, die Marlas Probleme und Nöte versteht.

Wirklich? Marla, Einzelgängerin und in der Schule schon als „mad Marla“ verhöhnt, sieht die Chance, mit sich und den alten Schulfreunden ins Reine zu kommen, als sie eine Einladung zu einem Klassentreffen in einer einsamen Hütte in den Bergen bekommt. Sie springt über ihren Schatten und fährt hin. Was sie für ein unterhaltsames Winterwochenende mit alten Schulfreunden gehalten hat, wird zum Albtraum. Nicht nur für Marla.

Immer wieder hat Marla mit ihren Dämonen zu kämpfen, immer wieder wird sie offenbar von „ihrem Schatten“ zum Narren gehalten und zweifelt an sich selbst. Fitzek versteht es auch diesmal, den Leser sozusagen mitten hinein zu versetzen, mit der Hauptfigur zu leiden, mit ihr Angst zu haben, vor dem , was sie als Nächstes erwartet, an ihr zu zweifeln oder verwirrt den Kopf zu schütteln.

Ein bisschen ist es das, was mir als Gesamteindruck geblieben ist: verwirrt! Spannend erzählt, kurze Sätze, eine Story, die so von Psychospielchen strotzt, dass es schon fast zuviel ist. Verwirrend fand ich auch einzelne Kapitelüberschriften, wie zum Beispiel: „vier Jahre später. Fünf Jahre vor der Entscheidung.“ „Drei Jahre danach. Zwei Jahre vor der Entscheidung“. Dann wieder „zwei Jahre später. Neun Tage vor der Entscheidung“. Es braucht eine Zeit, bis man die ganzen Stränge zueinander bringt. Als Leser schwirrt einem bald der Kopf. Ständig entwickelt man neue Theorien, die man aber bald wieder verwirft. Bis zum Schluss dieses echt komplexen Psychothrillers glaubt man nur, der Lösung ein bisschen näher zu kommen. Erst „danach“ erkennt man, dass es durchaus den ein oder anderen Hinweis gegeben hat. Keiner ist, was er vorgibt zu sein. Alle spielen ein Spiel. Marla auch?

Auch wenn die Story verwirrend ist und man immer wieder Zweifel hat, man bleibt dabei. Wie immer, klare Sprache, stark im Ausdruck und bildhaft. Grausam und bösartig,

Sebastian Fitzek: Die Einladung
Droemer Knaur, Oktober 2023
384 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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