Yannick Steinkellner: für die galerie

Yannick Steinkellner ist 2015 Landesmeister von Steiermark & Kärnten geworden. Er gewann den Titel in der Disziplin Poetry Slam. Wir erfahren in einer Art Vorwort mehr über das Selbstbild des Autors: „… ein Experte darin zu sein, kein Experte zu sein.“ Dazu gehört der Kontext, dass der Autor ein Jahrzehnt damit verbracht hat, selbst geschriebene Texte vor Publikum vorzutragen. Seine Texte handeln von dem, was ihm die „Gesellschaft … vor die Füße wirft und was mich und die Menschen in meinem Umfeld bewegt.“ Das ist erfrischend ehrlich. Und macht neugierig auf das Folgende. Jetzt hat Steinkellner viele dieser Texte in die Form eines Buches gebracht. Funktioniert Poetry Slam auch als „Nur“-Text? Was verliert diese Literatur-Gattung, wenn sie nicht vorgetragen wird?

Steinkellners „für die galerie“ ist am besten mit einer Biographie vergleichbar und doch nicht. Ist eine Art Gesellschaftskritik und -darstellung und doch wieder auch nicht. Ein Poetry Slam in Papier gegossen. Absolut originell! Von der Kindheit bis zum Küchenradio, von Biathlon bis Leidenschaft behandelt der Autor genau das, was ihn und die Menschen in seinem Umfeld bewegt. Aufgelockert wird der Text durch eine Art Poesie, durch ein i, das über sechs Seiten reicht, durch #autobildlyrik und einen Text über Marko Arnautovic, der immerhin einmal bei Werder Bremen spielte. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Peter Sonnenbichler: Wirf deine Krücke ins Abendrot

„Wirf deine Krücke ins Abendrot!“ ist das Debüt von Peter Sonnenbichler. Auf mehr als 200 Seiten verführt der Lyriker mit kraftvollen und doch sensiblen Zeilen in eine schöne Vergangenheit oder auch Parallelwelt, ohne die Gegenwart dieser Erde zu vernachlässigen. Der Autor nimmt LeserIn mit dem lyrischen Ich an die Hand und zeigt Ästhetik ohne Kitsch, prangert an ohne Stereotype.

Die Lyrik von Sonnenbichler ist erfrischend neu. Nicht nur im Format. Die Zeilen wimmeln vor Neologismen, die mit Aussagekraft zu überzeugen wissen. Eingeteilt ist das Buch in sechs Kapitel, die von wilden Blumen, dem roten Stern im Süden, Herzfüllungen, dem Abererkennen und dem damaligen Zauberfrühling handeln. Textbeispiel gefällig?

„kaum bewegt sich ein blatt
flach geht der atem der welt
und die polkappen hängen sicher schon
durch bis zu den wendekreisen.
da ist die luft draußen.“ Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Yrsa Daley-Ward: In den Knochen: Gedichte

Über 70 „poetische Fragmente“ versammelt Yrsa Daley-Ward in ihrem Gedichtband „In den Knochen“. Jedes ganz eigen und doch mit einem inneren Zusammenhalt. Sie erzählt von Liebe und Verlassenwerden, von Familie und Gewalt, von Niederlagen und Stärke. Ob es nur ein paar Zeilen sind oder die Texte über mehrere Seiten gehen: Yrsa Daley-Ward formuliert auf den Punkt und trifft ins Herz. Viele Frauen werden sich, ihre Gedanken und Handlungen darin wiederfinden, doch die Beobachtungsgabe der Autorin macht auch vor Männern nicht halt. Vor allem, wenn es um Beziehungen geht, findet sie Worte, die die Augen öffnen.

Oft erzählt sie kleine Geschichten aus dem Alltag, die exemplarisch stehen für die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern, in den Familien oder in der Gesellschaft. Das ist an sich einfach zu lesen, hat aber Widerhaken, an denen das Fühlen und Denken hängen bleibt und die einen weiter beschäftigen.

In ihrem Gedicht „Eine hohe Kunst“ heißt es:

„Vielleicht hast du es von deiner Mutter gelernt
oder einer anderen gejagten Frau.
Teufel anzulächeln ist ein nützliches
Vermögen.“ Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Sarah Bosetti: „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe!“: Mit Liebe gegen Hasskommentare

Ob es die bösen Ausländer sind, die dumme Frau oder der böse Feminismus – als politisch engagierte Feministin bekommt Sarah Bosetti jeden Tag Hasskommentare von fremden Menschen. Eine Frau solle nicht sprechen, das störe ihr Aussehen und derartige Sachen muss sie täglich lesen, einige Menschen wünschen ihr sogar den Tod.

Natürlich könnte sie diese Kommentare mit Hass erwidern – aber wo bliebe denn da der Spaß?

So entstand dieses Buch: Ein Gedichtband, in dem Sarah Bosetti mit Liebesgedichten auf ihre Hasskommentare antwortet.

Ihre Gedichte sind witzig, zynisch und stellen den wütenden Hasskommentar-Verfassern eine ordentliche Portion Intelligenz und Schlagfertigkeit entgegen.

Neben ihrer hohen thematischen Wichtigkeit sind die Gedichte auch noch sehr unterhaltsam; Spaß ist beim Lesen dieses Buches auf jeden Fall garantiert! Die meisten Gedichte enthalten eine humorvolle Schlusspointe, sie passen sich in Sprache und Stil perfekt an den heuteigen Zeitgeist an. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Clara Paul (Hrsg.): Der schöne Augenblick – Lektüre zwischen den Jahren

Ein kleines, feines Buch für Liebhaber*innen von Lyrik und Kurzprosa; ein kleines feines Geschenk für alle, bei denen Sie sich vielleicht für etwas bedanken möchten. Und ein kleines feines Buch für Sie selbst, eben für die Zeit zwischen den Jahren, die Zeit, in der wir alle in der Regel ein wenig zur Ruhe kommen, innehalten.

Der schön gestaltete Band umfasst Gedichte und Texte vieler namhafter Autor*innen, so unter anderem Rainer Maria Rilke, Hans Magnus Enzensberger, Hermann Hesse, Max Frisch, Antoine de Saint-Exupéry, Elke Heidenreich oder von Tucholsky, Ringelnatz, Brecht usw..

Gemeinsam ist den Geschichten und Gedichten das Thema Augenblick. Es geht um entscheidende, kritische, unvergessene und unvergessliche, kurz um ganz besondere Augenblicke. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Axel Kutsch (Hrsg.): Versnetze_zwölf

Bereits seit 2008 gibt Axel Kutsch im Verlag Ralf Liebe jährlich die Versnetze heraus. Die Idee hinter den Netzen ist spannend, denn sie verbinden die Verse regional und über die Generationen hinweg. Innerhalb der großräumigen Sortierung nach deutschen Postleitzahlenbereichen erfolgt die Anordnung nach dem Alter der Autorinnen und Autoren – am Beginn stehen jeweils die Jüngsten. Die Bandbreite reicht vom Jahrgang 1929 bis 1997, wobei der Schwerpunkt deutlich auf den Jahrgängen zwischen 1940 und 1970 liegt. Hinzu kommt der „kleine Grenzverkehr“, in dem auch deutschsprachige Lyrikerinnen und Lyriker aus anderen Ländern zu Wort kommen.

Die Vielfalt der Sammlung ist beeindruckend, die unterschiedlichsten Stile und Themen sind vertreten. Rätselhafte Verse wechseln sich ab mit leicht verständlichen, gereimte mit ungereimten, konkrete mit abstrakten, heitere mit ernsten oder gar wütenden. Manche bestehen nur aus wenigen Worten, andere füllen eine ganze Seite. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

W. Schiffer & D. Gücyeter (Hrsg.): Cinema: Lyrikanthologie

Kino, Cinema, Film – jede und jeder hat dazu wohl andere Assoziationen und Inspirationen. Der Elif Verlag hat Lyrikerinnen und Lyriker eingeladen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und die entstandenen Werke in der neuen Lyrikanthologie „Cinema“ versammelt, die so vielfältig ist, wie das echte, wahre und erfundene Leben innerhalb und außerhalb der Kinos.

Nicht nur Jenseits von Afrika, Jurassic Park, Cinderella und Mad Men, Aki Kaurismäki, Jim Jarmusch, Alfred Hitchcock und Stanley Kubrick, Porno-, Dokumentar-, Spiel- und Zeichentrickfilme, Isabelle Huppert, Tilda Swinton, Laurel und Hardy, bekannte und unbekannte Filmschaffende, Besucherinnen und Besucher und natürlich Kino und Film „an sich“ – als Gefühl, als Eindruck, als Zufluchtsort und Traumraum – haben in dieser abwechslungsreichen Anthologie größere und kleinere Auftritte. Umrahmt wird die Lyrik von gelungenen Filmidol-Collagen von Stefan Heuer, der auch mit einigen Gedichten darin vertreten ist. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Anke Glasmacher: Obstkistenpunk

Da steht eine „sie“ vor der Tür und will nicht eintreten in die Welt dahinter, die auf sie (und vielleicht auch auf die Leserinnen und Leser) fremd und furchteinflößend wirkt. Eine (andere?) „sie“ liegt am Bordstein. Vermutlich vergessen.

Ein „er“ dreht am Flughafen auf dem Band seine Runden, überlegt, ob er einen mitkreisenden Rucksack ansprechen soll, schwingt sich dann doch herunter, verlässt die Halle und fährt mit dem Taxi nach Hause. Oder ist es nicht nur einer? Ist der „er“ vom Anfang der Geschichte ein anderer als der „er“ am Ende?

Um eine „sie“ wächst im Stadtpark ein steinernes Iglu, trennt sie von ihrer Umwelt und wirft sie auf sich selbst zurück. Im „Viertel“ tauchen mysteriöse herrenlose Päckchen auf und im Grab liegen zwei. Doch welche zwei?

Aus diesem Stoff sind die Geschichten von Anke Glasmacher, die mich herausgefordert, aber auch beeindruckt haben. Menschen (oder auch ein Koffer) tummeln sich darin, die wenig von sich preisgeben, nur selten ihre Namen oder Funktionen. Immer wieder habe ich mich gefragt, wer „er“ und „sie“ sind, wie ich sie festhalten und identifizieren kann, um ihnen näher zu kommen. Doch die Geschichten und die Figuren entziehen sich einer einfachen Annäherung. Sie verwirren bewusst, sind Momentaufnahmen aus einer absurden, beängstigenden und komplexen, aber faszinierenden Welt, die stellenweise lose – manchmal nur durch einzelne Worte – verknüpft scheinen. Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Linda Vilhjálmsdóttir: Freiheit

Freiheit – in diesem Wort steckt eine außergewöhnliche Tiefe und eine Menge Sprengkraft. Wo beginnt die individuelle Freiheit, wo endet sie? Darf oder kann man die persönliche Freiheit einschränken, um eine Gesellschaft als Ganzes freier oder „besser“ zu machen – wie auch immer man „besser“ definiert? Geistige Freiheit, körperliche Freiheit, Entscheidungsfreiheit, gesellschaftliche Freiheit, politische Freiheit, religiöse Freiheit und noch so viel mehr – kann es einen Vorrang für eine Art der Freiheit geben, wenn dies eine andere beschneidet?

Die Antworten auf diese Fragen sind so vielfältig wie die Menschen, die darüber nachdenken. Linda Vilhjálmsdóttir widmet der Freiheit einen Gedichtzyklus, in dem sie darüber aus ihrer Sicht reflektiert. Im Hintergrund steht die Situation ihres Heimatlandes Island währende der letzten Finanzkrise. Doch die meisten ihrer Überlegungen und Einsichten lassen sich ohne weiteres in einen universellen Zusammenhang stellen.

Dies wird schon auf den ersten Seiten deutlich, wenn es heißt:

wir haben
das wort vervielfacht
auf erden

vervielfacht die festungen
zwischen himmel und erde
vervielfacht gott

vervielfacht das lachen
das weinen den hass und die gier
vervielfacht alles
zwischen himmel und erde
alles außer der güte Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Sigurður Pálsson: Gedichte erinnern eine Stimme

Gewöhnlich beginne ich meine Rezensionen mit einem Einblick in den Inhalt des beschriebenen Buches. Nun habe ich erstmals einen Lyrikband ausgewählt. Doch worum geht es in „Gedichte erinnern eine Stimme“? Erzählen diese Gedichte Geschichten? Ich meine ja. Sie sprechen vom Leben, von den Elementen, die es ermöglichen und bereichern, von Feuer und Schatten, Erde, Stimmen in der Luft, dem Wasser oberhalb und unterhalb.

Der isländische Autor Sigurður Pálsson, der nicht nur in der Lyrik unterwegs war, nimmt die Leserinnen und Leser mit in eine Welt der Poesie, die vom Alltag durchdrungen ist und die den Alltag durchdringt. Beides ist nicht zu trennen.

Gleich im ersten Gedicht „Feuer und Schatten“ ist zu lesen:

Sonnige Heiterkeit
Das ist die richtige Einstellung
So wollen wir ankämpfen
gegen das Bleierne und Dunkle
gegen Unrecht und Gewalt
die ganze lange Liste … Weiterlesen

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten: