Haruki Murakami: Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

Murakamis 641-Seiten-Roman gliedert sich in drei Teile, in denen die Grenzen von Realität und Traum zunehmend verschwimmen.

Im ersten Teil erinnert sich der Ich-Erzähler, ein namenloser Mittvierziger, an seine ebenfalls namenlose Jugendliebe. Er spricht sie direkt an, als würde sie ihm gegenübersitzen, dabei liegt ihre gemeinsame Geschichte fast dreißig Jahre zurück. Damals erzählte sie ihm von einer fiktiven Stadt, in die sie sich manchmal flüchten würde, einen paradiesischen Ort, an den man nur käme, wenn man seinen Schatten hinter sich ließe. Durch eine Mauer wäre man vom Rest der Welt getrennt, während die Schatten im Grenzgebiet verweilen würden. Da sie ohne ihren Besitzer nicht lange überleben konnten, musste man rechtzeitig zurückkehren. Mit dem Tod hätte man sich gegen die reale Welt entschieden und dürfte auf ewig in der Traumstadt leben.

Schon bald war dem Erzähler klargestellt, dass das Mädchen an die Existenz der Stadt glaubte, und er folgte ihren Gedanken. Gemeinsam erschaffen sie sich eine Parallelwelt, in der sie für immer zusammen sein könnten. Aber als der schwer verliebte Junge die Mauer zwischen Realität und Traum durchbrach, seinen Schatten beim Wachmann der Zwischenwelten zurückließ, um für immer mit seiner großen Liebe zusammen zu sein, erkannte sie ihn nicht und wirkte seltsam unbeteiligt.

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Helene Bockhorst: Der Supergaul

Und es ist doch ein Pferderoman und eine Liebesgeschichte und ein Krimi und …

Bei dieser Geschichte, die die für ihre Kurzgeschichten mehrfach ausgezeichnete Autorin hier erzählt, weiß man manchmal nicht, ob man lachen soll oder den Kopf schütteln.

Berenice nennt sich selbst Tierkommunikatorin und kann – angeblich – insbesondere mit Pferden sprechen. Oder vielmehr deren Gedanken lesen. Das lässt sie sich gut entlohnen von all jenen Pferdebesitzern, die sich um ihre Tiere sorgen und nicht mehr weiter wissen, wenn das Pferd nicht mehr laufen möchte, nichts mehr frisst oder ansonsten irgendwie bockig ist oder traurig guckt oder ähnliches.

Natürlich ist das alles irgendwie Betrug, was ihr der örtliche Tierarzt auch ständig unter die Nase reibt. Und genauso natürlich ist es dieser Tierarzt, der Berenice ständig im Kopf herumgeht, weil er nun mal sehr gut aussieht und sehr nett und sympathisch ist.

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Julia Phillips: Cascadia

Sam, die Protagonistin, lebt gemeinsam mit ihrer Schwester Elena und ihrer Mutter auf der Insel San Juan im Nordwesten der Vereinigten Staaten von Amerika. Die genaue geografische Lage der Insel samt Fährpassage ist am Buchbeginn auf einem Landkartenausschnitt British Columbias zu ersehen, was für den Textinhalt interessant und aufschlussreich ist.

Die schwer erkrankte Mutter der beiden jungen Frauen liegt die meiste Zeit im Bett und muss sich von ihren Töchtern versorgen lassen.

Die jüngere Schwester Sam arbeitet auf einer Fähre. Dort ist sie mit reichen Urlaubern konfrontiert, deren Allüren sie immer wieder frustrieren, da sie selbst ein ganz anderes, armseligeres Leben führen muss und wie ihre Schwester nie genügend Geld zur Verfügung hat. Die ältere Elena arbeitet in einem Golfclub. Beiden Mädchen blieb es trotz Highschoolabschluss verwehrt, einen lukrativeren, besseren Job zu bekommen. Doch Elena und Sam haben einen gemeinsamen Plan. Solange die Mutter noch lebt, ist es für die Töchter eine Ehrensache, deren Versorgung weiter zu leisten. Sobald ihre Mutter gestorben ist, wollen sie das Haus, das einst die Großmutter für die Familie erbauen ließ, um dadurch den Grundstein für eine abgesicherte Existenz in der Mitte der Gesellschaft zu legen, verkaufen. Sie erträumen sich, später irgendwo auf dem Festland zu leben, um dort mit dem Erlös des Hauses endlich ein besseres Leben führen zu können.

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Parker S. Huntington: Darling Venom

Am Valentinstag steigt Charlotte nachts auf das Dach ihrer High School und ist bereit, alles zu beenden. Doch da begegnet ihr an der Stelle der Außenseiter Kellan. Unter andern Umständen hätten sie bestimmt nie miteinander gesprochen, aber in der Nacht ist alles anders, sie schließen einen Pakt: Jedes Jahr am selben Tag, zur selben Zeit, am selben Ort werden sie sich treffen. Kellan verlangt von Charlotte allerdings, dass sie ihn außerhalb dieser Treffen nicht anspricht. In den darauffolgenden Jahren werden ihre Gespräche immer intimer und die Verbindung zwischen ihnen stärker. Bis Charlotte gegen das Versprechen verstößt und fortan mit den Konsequenzen leben muss. Vier Jahre später trifft sie auf Kellans Bruder Tate. Können sie gemeinsam einen Weg aus dem Dunkel finden? 

Der Klappentext sprach mich hier definitiv mehr an als das Cover, denn das fand ich nicht gut gewählt. Den Inhalt des Buches allerdings fand ich gut, die Geschichte ist voller wunderbarer Menschen. Aber hierbei geht es um viel mehr als die typischen BookTokRomancen, die sonst auf der Plattform immer so gehypte sind. Es ist ein Buch voller Trauer, Verlust, Depressionen und vor allem geht es viel um die psychische Gesundheit, die man auch nie außer Acht lassen sollte. Aber auch viele andere Themen spielen eine Rolle, so ist es zwar breit gefächert, aber die Seiten fliegen beim Lesen nur so dahin. Denn auch der Schreibstil ist sehr passend und die Autorin weiß, wie man sich ausdrückt, um die Leser emotional abzuholen.

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Moritz Heger: Die Zeit der Zikaden

Moritz Heger (Jahrgang 1971) ist Gymnasiallehrer und Jugendtheatermacher in Stuttgart. Er schreibt Theaterstücke und literarische Texte. 2008 erschien sein Roman „In den Schnee“ und 2021 „Aus der Mitte des Sees“. Am 26. Juni 2024 veröffentlichte der Diogenes Verlag „Die Zeit der Zikaden“.

Auszeit im „Land, wo die Zitronen blühen“

Moritz Heger hat sich für seinen dritten Roman „Die Zeit der Zikaden“ ein Setting ausgedacht, das zwei ältere Menschen an den Wendepunkten ihres Lebens beschreibt.

Die eine, Frau Mattmann, geht als Lehrerin in Pension. Der andere, Johann, braucht von seiner Arbeit als Bestatter eine Auszeit. Alex Mattmann hat sich ein Tinyhaus auf Rädern bauen lassen und will auf Reisen gehen. Johann hat ein altes Steinhaus (Rustico) in Italien geerbt und will dort malen. Das Haus gehörte einst Johanns Onkel, dem Maler Renat. Alex und Johann lernen sich auf der Hochzeit von Alexs ehemaliger Schülerin Wibke mit Johans Sohn Dominik kennen. Irgendwann lädt Johann Alex nach Ligurien ein. Und sie fährt mit ihrem Tinyhaus hin und stellt es in seinem Garten ab. Johanns Frau Marion scheint das nicht zu stören. Zwischen Alex und Johann entwickelt sich langsam und vorsichtig eine Beziehung. Beide sind im Aufbruch zu etwas Neuem oder wenigstens Anderem in ihrem Leben.  Und dann taucht Johanns Tochter Nora im Rustico auf.

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Monika Helfer: Der Stoff

Der Residenz Verlag publiziert seit einigen Jahren die Reihe „Dinge des Lebens“. Verschiedene Autorenbeschreiben darin ihre Verbindung zu scheinbar alltäglichen Gegenständen. Die hübschen Büchlein tragen Titel wie „Das Buch“, „Die Kamera“ oder „Der Schlüssel“. Von der österreichischen Autorin Monika Helfer liegt nun „Der Stoff“ vor. Helfer legt darin in Textminiaturen ihre Beziehung zu Stoffen dar. Wie eine bunte Patchwork-Decke muten ihre unterschiedlich langen Textstücke an. Dabei gibt die Autorin auch einen Einblick in ihr Leben und sie skizziert, wie sie, die begeisterte Näherin, ihr Leben lang Textilien begleitet haben. Es geht um „Haut und Hülle“, „Die Magie der Stoffe“ oder„genähte Erinnerungen“. Einen Satz findet man dabei immer wieder: „Ist der Mensch arm, wird der Stoff billig sein, ist er noch ärmer, sind es Lumpen, mit denen er sich bedeckt. Ein reicher Mensch zeigt sich im Feinen.“

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Liz Tomforde: Mile High

Im ersten Band der Windy-City-Reihe trifft Sports Romance auf Forbidden Love und Enemies to Lovers.

Wir treffen auf den Badboy Zanders, der eigentlich ganz anders ist, als er sich vor der Presse gibt. Er ist ein Hockey Star, der für die National Hockey League spielt und dafür bekannt, dass er jede Nacht eine andere Frau mit in sein Bett nimmt. Für diese Saison gibt es erstmals eine feste Crew für den Privatjet, mit dem die Crew von Spiel zu Spiel reist. Dies bringt auch eine wichtige neue Regel mit sich: Hände weg vom Personal! Doch das gestaltet sich für Zanders schwer, als er Stevie das erste Mal sieht. Die Flugbegleiterin geht im vom ersten Augenblick nicht mehr aus dem Kopf und ihr geht es umgekehrt genauso. Doch sie weiß, dass sie damit nicht nur ihren Job, sondern auch ihr Herz riskieren würde.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen.

Man sollte erwähnen, dass es schon viele Spice-Szenen gibt, die ruhig etwas weniger hätten sein können, denn sie zogen sich manchmal ein wenig zu sehr in die Länge. Überraschend fand ich, dass man nicht viel über das Hockeyspiel selbst erfährt, da hätte ich ein bisschen mehr erwartet, da ich mich für den Sport begeistere. Dafür aber taucht man tief in die Gedankenwelt von Stevie und Zanders ab, was ich interessant fand. Vor allem, da die Geschichte abwechselnd aus ihren Perspektiven erzählt wird.

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Sharon Gosling: Forgotten Garden

Ein Garten als Allheilmittel – etwas simpel gestrickter, aber netter Roman

Auch wenn der Roman arg klischeelastig ist und die Figuren vor allem altbekannte Archetypen, so kann er doch fesseln, denn er entwickelt auf gewisse Art eine rechte Spannung. Allerdings hält sie sich dennoch in Grenzen, ahnt man doch den Ausgang eigentlich von Anfang an und dieser kann nur ein rundes Happy End sein.

Es ist bereits der dritte Roman von Sharon Gosling, den ich gelesen habe. Der erste „Fishergirl’s Luck“ konnte mich nicht überzeugen, der zweite dagegen „The LighthouseBookshop“ war ein schönes Leseerlebnis, er hatte mich sehr berührt. Nun also ein weiteres Buch aus der Feder der britischen Journalistin und Autorin.

Diesmal steht Luisa im Mittelpunkt. Sie ist seit mehr als 10 Jahren verwitwet, ihr Mann starb bei einem Unfall. Mit ihm zusammen hatte sie Gartenarchitektur studiert, sie hatten viele Pläne, unter anderem für Gemeinschaftsgärten, vor allem in Problemvierteln von Städten. Doch seit seinem Tod arbeitet Luisa nicht mehr selbständig, sondern als schikanierte Assistentin einer boshaften Chefin.

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Franzi Kopka: Cosy Secrets: Der kupferne Schlüssel

Die Krimiautorin Rae bekommt eine Nachricht, dass ihre Großmutter entführt wurde. Am Anfang kann sie das gar nicht glauben, denn sie denkt, dass die Freundinnen ihrer Oma würden übertreiben, denn diese verreiste öfters, ohne jemandem was zu sagen. Dennoch reist sie in den Wohnort ihrer Oma, da es ihr doch keine Ruhe lässt. Dort muss sie feststellen, dass ihre Oma wirklich verschwunden ist und dass sie mehr Geheimnisse hatte, als Rae vermutet hätte. Eines dieser Geheimnisse führte sie zu Archer Warwick, mit ebendiesem Mann wollte sie einst durchbrennen und das Schlimme ist, dass ihr Herz in seiner Gegenwart immer noch so hoch schlägt wie früher.

Cozy-Romance mit Rätseln zum Mitraten, so kann man den Inhalt des Buches am besten beschreiben.

Der Schreibstil der Autorin macht es einem leicht durch die Kapitel zu kommen, aber besonders in den ersten beiden Dritteln des Buches passiert einfach zu wenig, um Spannung aufbauen zu können. Die Cozy-Gefühle wollten bei mir auch irgendwie nicht ganz so ankommen beim Lesen, die Emotionen von Archer und Rae haben mich ebenfalls leider nicht catchen können. Einige Passagen hätten auch definitiv kürzer erzählt werden können. Das Mitraten über den Verbleib der Großmutter allerdings war gut gelungen.

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Margaret Kennedy: Die englische Scheidung

Die gute Gesellschaft unter dem Brennglas – unterhaltsam und typisch englisch

Einen Klassiker zu rezensieren, ist zweischneidig. Würde man ihn doch in der Zeit, als er erschien, ganz anders gelesen, anders rezipiert haben als heute. Heute blickt man mit der aktuellen Brille auf den Roman, beeinflusst von dem heute üblichen Stil, dem Duktus und den Handlungstypen, die man gewöhnt ist, die man täglich liest.

Daher kann die Besprechung eines Romans, der im Original zuerst im Jahr 1936 erschien, nur mit Vorsicht und Bedacht formuliert werden. So ist schon allein die damals gebräuchliche auktoriale Erzählperspektive heute eher ungewöhnlich. Im vorliegenden Roman der 1896 geborenen Autorin, die mit mehr als 15 Romanen erfolgreich war, passt dieser Erzählstil aber perfekt, erlaubt er doch einen Blick in die Gedankenwelt aller Protagonisten.

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