Carsten Henn: Sonnenaufgang Nr. 5

Ein Leben in Erinnerungen. Aber möglichst nur solchen, die einem angenehm sind – keine schlechten! Das möchte die alternde, exzentrische Filmdiva Stella Dor in ihrer Autobiografie wiederfinden. Sie lebt recht einsam in einem kleinen, ziemlich verlassenen Ort an der Küste, in einem ehemaligen Pavillon, den sie der Gemeinde, die ihn eigentlich aufgeben wollte, für einen symbolischen Euro abgekauft hat.

Der Bürgermeister hat sich von diesem Verkauf ein bisschen Glamour für seinen Ort erhofft, vielleicht Künstler, die den Ort beleben würden oder die ein oder andere Ausstellung oder Veranstaltung, aber Stella lebt dort eher zurückgezogen und allein – mit ihren Notizzetteln überall, auf denen sie ihr Leben erinnert. Um all das in Buchform zu bringen, braucht sie Unterstützung. Die findet sie in Jonas, einem 19-jährigen, der grade sein zu trockenes, zu langweiliges Germanistikstudium geschmissen hat, um sich als Ghostwriter seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sollte das nicht gelingen, so hat er versprochen, wird er in einem Jahr seinem Vater im Restaurant helfen. Vorerst ist er froh, diesen ersten Auftrag bekommen zu haben und von zuhause wegzukommen. Auch dort muss er sich nämlich nicht nur dem Leben stellen, sondern auch Erinnerungen, die er lieber verdrängt.

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Kiran Millwood Hargrave u. a.: Gruselige Stunden

Absolut gelungene Geschichten mit hohem Gruselfaktor – tolle Fortsetzung der Reihe

Es sind „nur“ sechs Gruselige Geschichten in diesem Buch vereint, aber die haben es in sich. Ich wüsste nicht zu sagen, welche besser als die anderen oder gar die beste ist, alle sechs sind wirklich gelungen, wunderbar geschrieben, hochspannend und vor allem eben ziemlich gruselig.

Da ist die Geschichte „Wirt“ von Kran Millwood Hargrave um ein kleines Mädchen, das als Wirt für ein verstorbenes Kind herhalten muss, zu dem in einer Séance Kontakt aufgenommen soll. Dass das nicht gut ausgehen kann, ist abzusehen.

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Bianca Wege: Today I’ll Fall For Him

Herbstanfang in Harpersville. Nicht nur saisonal eine Veränderung, sondern auch für Jurastudentin Angelina oder kurz Lina. Dabei begegnen ihr sowie mir als Leserin nicht nur Kleinstadtgefühle- und -umgebung. Irgendwie scheint es für Lina auch eine Art Flucht zu sein, wenn auch nur vorübergehend. So zumindest ist ihr Plan, jedoch entwickelt sich dieser in Bianca Weges dritten Band der „Today“-Reihe in eine ganz andere Richtung. Neben einem zweiten männlichen Protagonisten, Riven, treten ebenso Freundschaft, Studium und Volleyball auf.

Dabei sind Lina und Riven als ein gegenübergestelltes Gegenteil vom jeweils anderen zu betrachten. Lina ist die scheinbar Perfekte. In allen Bereichen – dank ihrer unumstößlich wirkenden Organisation, samt ewig langen To Do-Listen. Diese Faktoren haben auf mich echt gewirkt, da ein Jurastudium sicherlich mit vielen Pflichten einhergeht. Des Weiteren stellt Bianca Wege ebenso die Strenge von Linas Eltern heraus. Folglich sind mir diese als ziemlich unangenehm in Erinnerung geblieben. Hingegen spielt Riven die Position des undurchdringlichen, attraktiven Sportlers. Aber hinter seiner inneren Mauer hat Wege einen verschlossenen Typen zum Leben erweckt, der dennoch nahbar und ab und an schwach sein kann. Seinen beschriebenen Charakterzug des Familienmenschen lässt ihn zusätzlich sympathisch sowie treu erscheinen. Ferner begegnen sich beide Hauptfiguren in „Today I’ll Fall For Him“ und decken zusehends die Fassade ihres Gegenübers auf.

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Caren Benedikt: Wogende Wellen: Grand Hotel Usedom 02

Das Cover, diesmal in lila-Tönen mit entsprechendem Farbschnitt, stellt schon gleich eine schöne Stimmung her. Der Blick geht auf ein edles Hotel, auf den Strand der Ostsee und in einen Sonnenuntergangshimmel. So idyllisch wie das Cover es erwarten lässt, geht es im zweiten Band der Trilogie um das Grand Hotel Usedom allerdings nicht zu. Im Gegenteil. Private Ermittlungen, die die Umstände aufklären sollen, unter denen der Hotelier August-Wilhelm von Höveln beim Frühjahrsball im vornehmen „Ahlbecker Hof“ ums Leben gekommen ist, stehen im Zentrum. Die Schwestern Helene, die inzwischen mit viel Liebe und Geschick als Frau von Weigand das Literaturhotel „Atlantic“ leitet, und Sophie sind überzeugt, dass ihr Vater damals weder versehentlich vom Balkon seines Büros im Hotel gestürzt ist, noch dass es ein Unfall war. Sie sind überzeugt, jemand hat ihren Vater ermordet. Ihr Verdacht richtet sich zunächst auf ihren Schwager Friedrich Kaminski, dessen Ziel es schon länger gewesen ist, die Leitung der Hotels der Familie von Höveln zu übernehmen, doch sein Schwiegervater hat das nicht zugelassen. Er hat Friedrich nicht zugetraut, dieser Aufgabe gewachsen zu sein, obwohl er ebenfalls aus einer angesehenen und erfolgreichen Hoteliersfamilie stammt. In seinen Augen hatte Friedrich weder ein Gespür fürs Geschäftliche noch für den Umgang mit Gästen, sondern hatte nichts im Blick als den eigenen Vorteil, was sich deutlich darin zeigte, dass er dem Glücksspiel sehr zugetan war und das auch im Hotel.

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Ian McEwan: Was wir wissen können

Der Brite Ian McEwan (Jahrgang 1948) ist ein brillanter Schriftsteller. Viele seiner Romane wurden ausgezeichnet und verfilmt. Auf dieser Homegage haben wir zuletzt „Lektionen“ aus dem Jahr 2022 besprochen.

Am 24. September 2025 veröffentlichte der Diogenes Verlag sein neuestes Werk mit dem Titel „Was wir wissen können“. Bernhard Robben hat es aus dem Englischen übersetzt.

„Was wir wissen können“ von Ian McEwan ist eine Dystopie oder nicht?

Im ersten Teil des Romans spielt „Was wir wissen können“ im Jahr 2119. Die Welt wurde überschwemmt, England und Europa sind nunmehr in Inseln zerstückelt. Die Weltbevölkerung ist um die Hälfte auf vier Milliarden geschrumpft. Demokratie, Wirtschaft und Freiheit sind Katastrophen, Kriegen und Atomschlägen zum Opfer gefallen. Der englische Literaturwissenschaftler Thomas Metcalfe beschäftigt sich mit der Literatur von 1990 bis 2030.

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Victor Schefé: Zwei, drei blaue Augen

Wer wissen will, wie sich das Leben für Andersdenkende in der DDR anfühlte, der sollte Victor Schefés autobiografischen Debütroman Zwei, drei blaue Augen lesen. Dem Autor gelingt es, das Klima aus Misstrauen, Anpassungsdruck und verdeckter Rebellion mit einer Eindringlichkeit zu vermitteln, die selten so unmittelbar spürbar wird. Die Schikanen, denen sich Systemkritiker und Ausreisewillige in der DDR ausgesetzt sahen, beschreibt er nicht abstrakt oder analytisch, sondern in der ganzen körperlichen und seelischen Wucht des Erlebten. In Briefen, Tagebucheinträgen, Stasi-Protokollen und Erinnerungsfragmenten entfaltet sich das Panorama einer Jugend, die von Kontrolle, Enge und Angst geprägt ist – und zugleich von Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung. Das Ringen um ein eigenständiges Leben treibt den Erzähler bis an den Rand der Verzweiflung, manches Mal sogar zu Suizidgedanken.

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Bianca Iosivoni: Die letzte erste Nacht

Sie hätten niemals miteinander im Bett landen dürfen – dessen sind sich Tate und Trevor bewusst. Und doch ist es passiert. Seitdem verspüren beide das Verlangen, es zu wiederholen – obwohl sie genau wissen, dass es nicht sein darf. Denn die junge Studentin käme dabei seinem dunklen Geheimnis gefährlich nahe: Während sie versucht herauszufinden, warum ihr Bruder starb, setzt er alles daran, die Wahrheit für immer vor ihr zu verbergen …

Erstmals erschien das Buch 2018 im LYX Verlag; 2025 erhielt die Reihe eine Neuauflage mit wunderschönen Covern und Farbschnitten.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Trevor und Tate erzählt, und schnell wird klar, warum ihre Freunde sie liebevoll „TNT“ nennen.

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Charlie Mackesy: Denk immer dran. Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs, das Pferd und der Sturm

Gefühlvoll, mit wunderschönen Illustrationen

Das ist das neue Buch von Charley Mackesy: „Denk immer dran. Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs, das Pferd und der Sturm“.

Wie auch schon in seinem vorherigen Buch gibt es keine direkte Narration, nur vier Freunde, die gemeinsam einen unbestimmten Weg gehen und auf der Suche nach etwas Unbestimmten sind. In diesem Buch gehen die Vier durch einen Sturm. Doch sie haben einander und geben sich gegenseitig Kraft, sodass sie unbeschadet aus dem Gewitter heraus kommen. Illustriert sind die Texte mit wunderschönen Zeichnungen aus Tusche, Aquarell, Kohle und Kreide.

Es ist ein herzwärmendes Buch, das große emotionale Tiefe aufweist. Mackesys Schreibstil ist äußerst poetisch, schon lyrisch anmutend. Es braucht beim Lesen Zeit, um dem tieferen Sinn der Bilder nachzuspüren. Kurioserweise kommen die stärkenden Worte von einem Autor, der an sich selbst zweifelt – völlig zu Unrecht.

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Bianca Iosivoni: Der letzte erste Kuss

Luke und Elle sind beste Freunde – und das soll auch so bleiben. Doch dann ändert ein leidenschaftlicher Kuss plötzlich alles. Auf einmal ist das Prickeln zwischen ihnen nicht mehr zu übersehen. Beide wissen, wie viel für sie auf dem Spiel steht, und gerade jetzt brauchen sie ihre Freundschaft mehr denn je.

Der LYX Verlag veröffentlichte das Buch erstmals 2017. Im Jahr 2025 erhielt die gesamte Reihe eine Neuauflage mit wunderschönen Covern, in die man sich einfach verlieben muss.

Da mir beide Protagonisten schon im ersten Band sehr sympathisch waren, freute ich mich besonders darauf, ihre Geschichte nun lesen zu können.

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Eva Baltasar: Mammut

Dieser kleine Roman zeigt den mutigen Versuch einer jungen Frau auf, ihr konventionelles Leben hinter sich zu lassen und auszusteigen.

Die Protagonistin und Ich-Erzählerin ist unzufrieden mit sich, mit ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin ihrer Universität. Täglich sammelt sie Daten über Demografie und Langlebigkeit und befragt hierzu Senioren in geriatrischen Einrichtungen. Von Mal zu Mal hadert sie mehr mit ihrem Job und den vielen Oberflächlichkeiten um sie herum. Sie will tiefer eintauchen ins Leben, sucht das Ursprüngliche. So teilt sie ihre Intimitäten unverblümt mit uns Lesern. Sie will ihr Leben anders planen. Priorität hat, schwanger zu werden und ein Kind zu bekommen. Dafür und nur dafür braucht sie einen Mann, denn sie fühlt sich nur von Frauen angezogen. Das Kind soll dann ganz allein ihr gehören.

Natürlich kommt es anders.

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