Julie Heiland: Schicksalsjahre: Die Frauen vom Neumarkt  

Zwei Frauen, zwei spannende Zeitpunkte in der jüngeren Geschichte, erzählt in zwei Zeitebenen. Ein gut geschriebener, emotionaler Roman, der zwei wichtige Abschnitte der jüngeren deutschen Geschichte durch die Geschichte dreier Frauen verbindet. Lotte, Hannah und später auch Marlene.
Erzählt wird in parallelen Strängen, zunächst nur aus der Sicht von Hannah und Lotte, später – allerdings erst gegen Ende des Romans– auch aus der Sicht von Marlene, Hannahs Mutter.

Hannah, eine junge Archäologin, arbeitet Anfang der 1990-er Jahre mit am Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche. Dabei findet sie ein Foto, auf dem eine junge Frau und ein junger Mann zu sehen sind, die sich anscheinend recht nahestehen. Das Foto ist für Hannah fast wie ein Schock. Die junge Frau hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Könnte es ihre Großmutter sein, von der sie nichts weiß und zu der sie nie Kontakt hatte, weil ihre Mutter jede Verbindung schon vor Jahren gekappt hat? Das lässt Hannah nicht mehr los, sie beginnt nachzuforschen, wer die Frau auf dem Foto ist und wo sie jetzt wohl lebt. Und falls es wirklich ihre Großmutter ist, will sie endlich auch erfahren, warum sie keinen Kontakt zu ihrer Tochter und Enkelin hat.

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Tine Dreyer: Morden in der Menopause

Absurder, temporeicher und makabrer Spaß

Dieser Roman ist eher nichts für Männer. Ich kann mir weder vorstellen, dass sie mit der Protagonistin mitfühlen noch, dass sie über ihre Aktivitäten wirklich lachen können. Und lachen muss man bei dieser witzigen Geschichte immer wieder.

Erst ist es die Pubertät und später dann die Wechseljahre, die Frauen ertragen und überstehen müssen. Ohne dass sie dem entkommen oder dass sie Verständnis oder Rücksicht erfahren, wenn sie in dem jeweiligen Zustand sind. Besonders krass wird es dann, wenn beides zusammentrifft in Form von pubertierenden Kindern, während die Mutter mit Hitzewallungen, Schlaflosigkeit und Stimmungsschwankungen zu kämpfen hat.

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Lilly Bernstein: Sturmmädchen

Die Freundinnen Elli, Margot und Käthe schwören sich am Perlbach, eine für alle, alle für eine. Doch im Laufe der nächsten Jahre verändert sich ihr Leben. Aus den Schulmädchen sind junge Frauen geworden, die ihren Platz noch finden müssen. Während Elli mit ihrer Mutter in einer kleinen Kate auf dem Hof des reichsten Bauern der Umgebung lebt, muss Käthe in der Fabrik arbeiten und ihren Eltern dabei helfen, ihre notleidende Familie durchzubringen. Nur bei Margot scheint es gut zu laufen. Sie heiratet und will mit ihrem Mann den florierenden Familienbetrieb in Aachen weiterführen.

Die eigentliche Geschichte der drei jungen Frauen beginnt im Oktober 1938 und endet im Mai 1940. Es ist eine Zeit, in der die Nationalsozialisten mit brachialen Methoden das gesellschaftliche Miteinander auch in der verarmten Eifel nach ihren Regeln festlegen. Elli ist schockiert, als eine geistig behinderte Frau aus ihrem Dorf abgeholt wird und nach dem „Hitlerschnitt“, der zwangsweisen Sterilisation, stirbt. Diese Umstände passen nicht zu ihrem Menschenbild. Auch Margot und ihre Eltern erleben Sanktionen, weil sie Juden sind. Als Elli endlich das Ausmaß der Gefahren erkennt, dem ihre inzwischen schwangere Freundin und deren Eltern ausgesetzt sind, riskiert sie für eine Rettungsaktion ihr eigenes Leben, das ihrer Mutter und der heimlichen Helfer.

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Martin Becker: Die Arbeiter

Der deutsche Autor Martin Becker (Jahrgang 1982) hat ein autofiktionales Buch mit dem Titel „Die Arbeiter“ geschrieben. Der Luchterhand Literatur Verlag veröffentlichte es am 13. März 2024 in seinem Frühjahrsprogramm.

Tag für Tag Maloche und einmal im Jahr Nordsee

In „Die Arbeiter“ erzählt Martin Becker die Geschichte einer Familie, die vom Ruhrgebiet in eine sauerländische Kleinstadt gezogen ist und in einem mit Krediten finanzierten Reihenhaus lebt. Der Vater arbeitet im Bergbau, die Mutter verdient sich als Näherin ein Zubrot. Sie haben vier Kinder. Eins davon, Lisbeth, die Älteste, ist adoptiert und sitzt im Rollstuhl. Dann sind da noch Kristof und Uta. Und der Ich-Erzähler Martinus, der „Kurze“ und das jüngste Kind in der Familie.

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Sibylle Baillon: Wie Spuren am See – Die Rückkehr

Erster Eindruck
Etwas neidisch las ich dieses Buch, nachdem ich schon beim ersten Kapitel erkannte, dass ich mir als Autor von Krimis und Fantasyromanen Baillons Vielfalt an bildhaften Vergleichen und die Dichte ihrer Gefühlsbeschreibungen in meinen Genres nicht erlauben darf. „Die Rückkehr“ ist das zweite Buch aus der Bodensee-Reihe, das ich – mit zeitlichem Abstand zum ersten – genossen habe. Wieder beeindruckten mich der einfühlsame Schreibstil, der mich ins Setting hineinzog, und die Dramatik, die hier schon anfangs zutage tritt und die sich später verdichtet. Es ist eine andere Spannung als in Kriminalromanen – in diesem Werk zwingen Mitgefühl und Neugier zum Weiterlesen, außerdem einfach die Freude am Ausdruck und an der Detailverliebtheit, mit denen uns die Autorin begegnet.

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Margret Atwood & Douglas Preston (Hrsg.): Vierzehn Tage

Zwei Wochen während der Corona-Hochzeit in New York – erstaunlich fesselnd

Wer hätte gedacht, dass ein Roman, der zur Zeit der am heftigsten wütenden Coronapandemie in New York spielt, als täglich tausende Tote zu beklagen waren, so interessant, unterhaltsam, spannend und überraschend sein kann.

Wer hätte vor allem gedacht, dass man einen zu dieser Zeit spielenden Roman überhaupt lesen mag. Die dahinterstehende Idee ist es insbesondere, die Aufmerksamkeit auf dieses Buch zieht.

Die beiden Herausgebenden versammeln 36 namhafte und renommierte Autoren und Autorinnen Nordamerikas, die innerhalb einer von Douglas Preston verfassten Rahmenhandlung 36 einzelne, unabhängige Geschichten schreiben. Das Ergebnis ist faszinierend und vollauf gelungen.

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Marie Benedict: Das verborgene Genie

Ihre Entdeckungen zur DNA veränderten die Welt. Den Nobelpreis haben aber drei andere – allesamt Männer – einkassiert. Die Rede ist von der Biochemikerin Rosalind Franklin. Dieser Roman zeigt allzu deutlich, wie die Ideale der Wissenschaft durch Wettkampf, der Gier nach Geld und Ruhm verraten wurden. Wie Franklin systematisch als „alte Jungfer“ oder „hysterisches Weib“ diffamiert wurde, damit sich andere in den 1950er Jahren ihre Errungenschaften unter den Nagel reißen konnten. Und dass Frauen im Bereich der Wissenschaft zu allen Zeiten doppelt so gut sein mussten, um am Ende nicht einmal die Hälfte der Lorbeeren zu erhalten. Der Preis, den Rosalind Franklin für ihre Hingabe zur Forschung zahlte, war hoch. Schön, dass Marie Benedikts neuester Geniestreich über Frauen im Schatten der Weltgeschichte dieses verleumdete Genie wieder einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Für ihre Biografie nutzt sie nicht das Genre des Sachbuchs, sondern das der Belletristik, was Franklins Geschichte auf der menschlichen Ebene umso zugänglicher macht.

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Lea Kampe: Beelitz Heilstätten

Erst in den 60-er Jahren wurde ein wirklicher medizinischer Fortschritt erreicht, was die Heilungschancen von Tuberkulose-Erkrankten betrifft. Ein wirksames Antibiotikum, das zuvor 1943 Hoffnungen gemacht hatte, hatte sich nur wenig später als nicht hilfreich erwiesen, da die für die Tuberkulose verantwortlichen Bakterien schnell eine Resistenz entwickelten.

Die Beelitz-Heilstätten, rund 40 Kilometer vor Berlin, waren in dieser Zeit in Deutschland eine der größten und modernsten Anlagen, in der Tuberkulose-Patienten behandelt wurden. Ohne Ansehen der Person wurden die Kranken in diesem Sanatorium nach den damals höchsten Standards und neuesten Erkenntnissen– mit reichhaltiger Ernährung, viel Ruhe und intensiver Pflege – behandelt. Im Nationalsozialismus wurde das mehr und mehr zum Problem. Die neuen Gesetze und Erlasse machten es den Verantwortlichen in Beelitz zunehmend schwer, die Kranken weiter nach ihren Vorstellungen zu behandeln. Schwer Erkrankte, die möglicherweise auch an einer Erbkrankheit litten, was lange Zeit auch für Tuberkulose angenommen wurde, sollten isoliert werden und so die Gefahr einer Ansteckung anderer Personen verringert werden.

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Percival Everett: James

Eindringliche Neuinterpretation vs. Missing Link zu authentischen Sprachwelten

Mit Percival Everetts „James“ entsteht eine eindringliche Neuinterpretation von Mark Twains amerikanischem Literaturklassiker „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“. Diese Version erzählt die Geschichte aus der Perspektive von Jim, einem versklavten afroamerikanischen Charakter, der im Missouri der 1840er Jahre lebt.

Die Figur Jim und die Story fungieren als Symbol für individuelle Freiheit, moralische Integrität und Freundschaft, und stellen die gesellschaftlichen Vorurteile dieser Zeit infrage. Es gibt sogar Momente der Rache und Vergeltung, die an Szenen aus „Django Unchained“ erinnern.

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Kosoko Jackson: I´m So (Not) Over You

Kian hat sein Journalismus-Studium abgeschlossen und ist nun auf Jobsuche. Leider gibt es Journalisten wie Sand am Meer und er ist langsam am Verzweifeln. Dann trifft er auf Hudson, gutaussehender Sohn einer wohlhabenden Familie – und sein Exfreund. Und obwohl Hudson Kian das Herz gebrochen hat, lässt er sich auf einen Deal ein: Er soll vortäuschen, dass sie sich noch immer in einer Beziehung befinden, solange Hudsons Eltern in der Stadt sind. Im Gegenzug wird ihm ein Treffen mit dem einflussreichen Chef einer Nachrichtenfirma versprochen. Für seine beruflichen Chancen (und auf keinen Fall, weil er noch Gefühle für den Ex hat) sagt Kian zu. Was kann da schon schiefgehen?

Doch die beiden verstricken sich immer weiter in den Lügen, bis sie sie selbst nicht mehr von der Wahrheit unterscheiden können.

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