Joy Williams: Stories

Joy Williams (Jahrgang 1944) ist eine US-amerikanische Schriftstellerin, die in ihrer Heimat sehr wohl bekannt und mit vielen Preisen ausgezeichnet worden ist. In Deutschland kennt man sie noch nicht so gut. Das wird sich hoffentlich nun ändern. Am 16. März 2023 ist die deutsche Erstausgabe ihrer Short-Stories aus dem Jahre 2015 bei dtv erschienen. Das Buch mit dem Titel „Stories“ wurde von Brigitte Jakobeit und Melanie Walz aus dem Englischen übersetzt.

Darin finden sich dreizehn Kurzgeschichten, in denen Joy Williams düstere Episoden von Menschen erzählt, die eher nicht auf der „sunny side“ des Lebens stehen.

Da ist der Prediger Jones in der Geschichte „Liebe“, dessen Frau schwer erkrankt ist und dessen Tochter sich auf eine Selbsterfahrungsreise begibt. Sie überlässt ihm ihr Baby und den Hund. 

In „Der kleine Winter“ erzählt Williams über einen Besuch der todkranken Gloria bei ihrer langjährigen Freundin Jean, der damit endet, dass Gloria mit Jeans’ Tochter Gwendal abhaut.

In „Rost“ kauft Dwight einen alten Thunderbird, den er und seine Frau Lucy schließlich in ihr Wohnzimmer stellen, weil er so verrostet und verrottet ist, dass sie nicht mehr mit ihm fahren können.

Die Frauen aus „Die Mutterzelle“ sind allesamt Mütter von Kindern, die zu Mördern geworden sind.

Janice will einer Familie bei einer Autopanne helfen und lässt dafür ihren Mann Richard an einer Tankstelle zurück. Aus ihrem kurzen Anflug von „Barmherzigkeit“ wird ein spannendes Roadmovie.

In Williams’ letzter Geschichte sucht eine Tochter „Auswege“ aus dem Leben mit ihrer alkoholkranken Mutter, die einen Faible für den Zauberer Houdini hat.

Eine Entdeckung

Joy Williams’ „Stories“ sind eine Entdeckung. Sie sind gespickt mit meist seltsamen Figuren in skurrilen Handlungen mit oft düsteren Enden. Wie z.B. Miriam aus der Geschichte „Kongress“ mit ihrem merkwürdigen Verhältnis zu einer Lampe aus präparierten Hirschhufen:

„Sie hatte vor, bei jeglicher Lampe in jeglichem Motelzimmer den Stecker zu ziehen und sie durch diese zu ersetzen. Das wäre für die Lampe zweifellos der Höhepunkt des Tages.“ (S. 153)

Die Originalgeschichten wurden zwischen 1972 und 2014 in den USA veröffentlicht. Und trotz ihres Alters erscheinen sie mir als Lesende zeitlos. Williams’ Sprache ist klar, kein bisschen antiquiert. In ihren Sätzen steckt neben  geheimnisvoller Bedrohung leiser Humor:

Donna kam als Besucherin im langen schwarzen Mantel. Es war Frühling, aber noch kühl, und sie trug nie helle Farben, schließlich war sie keine Butterblume…“ (S. 221)

Williams steckt ihre Figuren in außergewöhnliche Situationen, ohne dass sie davon überrascht oder erstaunt wirken. Sie reagieren eher so, als hätten sie vom Leben nichts anderes erwartet. Da ist die Desillusionierung spürbar. Und trotzdem greifen die Menschen nach einem letzten Stück Hoffnung oder Veränderung mit ungewissem Ausgang.

So beunruhigend die „Stories“ von Joy Williams sind, so gut sind sie geschrieben. So gut wie auch das kongeniale Buchcover mit einem Foto von William Eggleston, einer Ikone der Farb-Fotografie. Bleibt zu hoffen, dass mehr Texte von Joy Williams auf Deutsch erscheinen werden.

Joy Williams: Stories.
Aus dem Englischen übersetzt von Brigitte Jakobeit und Melanie Walz.
dtv, März 2023.
304 Seiten, Hardcover, 25,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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Ein Kommentar zu “Joy Williams: Stories

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