Frauen können alles schaffen. In jedem Beruf arbeiten, ein selbstbestimmtes Leben führen, ihre eigenen Meinungen entwickeln und ihre Werte vertreten. Schon als kleines Kind wusste ich das. Woher? Nun: Meine Heldinnen in Büchern konnten es doch auch! Gut, es wird auch meine Erziehung gewesen sein – aber was, wenn die Erziehung es eben nicht hergibt? Wenn ein kleines Mädchen in ihrem Leben keine Vorbilder hat, die ihr all diese Dinge vermitteln können? Literatur ist mit ihren Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Eine starke Heldin, die sich keine Ungerechtigkeiten bieten lässt, wird einen Leser beeinflussen – man kann es gut finden, schlecht und irgendwann ist es eben einfach nur das: Normal.
Frauen sind aus der Literatur nicht wegzudenken. Auch wenn ein Kanon der wichtigsten Werke, egal welcher Sprache, vornehmlich männlich besetzt ist, gab es schon immer Frauen, die herausgestochen sind und heute haben sie einen Großteil des Buchmarktes eingenommen.
Wir wollen die Gelegenheit nutzen, Autorinnen vorzustellen, die uns inspirieren und einen Blick auf Heldinnen zu werfen, die ihre Geschichten mutig und selbstbewusst durchleben und dadurch etwas von ihrer Kraft an uns weitergeben.
Inspirierende Frauen sind ein Thema, das uns allen am Herzen liegt. Als ich am Freitag, den 3.3. um 22:30 Uhr fragte, ob jemand etwas zu diesem spontanen Special betragen möchte, das Mittwoch, den 8.3. erscheinen soll (Einreichungen brauchte ich also bis spätestens Dienstag Mittag), rechnete ich nicht mit einer Antwort. Wir sind alle berufstätig und wer schaut schon am Wochenende in seine Mails? Wie positiv überrascht war ich, als mein Postfach am nächsten Morgen mit positivem Feedback überlief und so viele unbedingt mitmachen wollten!
Hier findet ihr also unsere feministischen Leseempfehlungen, die Autorinnen, die uns inspirieren und die Heldinnen, die uns ein Vorbild sein sollen. Viel Spaß dabei!
Autorinnen:
Das großartige ist: Um als starke Frau zu inspirieren, muss man nicht einmal aktive Feministin sein. Das Musterbeispiel dafür ist Agatha Christie. Wenn man 2 Milliarden Bücher verkauft, hat man es wohl offiziell geschafft – egal ob Mann oder Frau. Als emanzipierte Frau wollte sie sich aber ursprünglich nie sehen: Sie war gerne die viktorianische Hausfrau und Mutter, die nebenbei zum Spaß Bücher schrieb. Erst nachdem sie dadurch bei ihrem ersten Vertrag ausgenommen und ausgenutzt wurde, beschloss sie, ihren Ehrgeiz nicht länger hinter Spitzenhäubchen und Schürze zu verstecken, sondern wurde zu einer Geschäftsfrau, die ihrem zweiten Ehemann seine Forschungsreisen in alle Welt finanzierte. Sie begleitete ihn auch und schärfte dabei ihren spitzen Humor gegenüber der Engstirnigkeit und der Vorurteile ihrer britischen Gesellschaft. Das fehlende Glied in der Kette: Poirots erster Fall (1920) ist ein Buch, das wir von ihr besprochen haben. Ihre schrullige Ermittlerin Miss Marple wäre hier vielleicht thematisch sinnvoller, jedoch war Poirot für Agatha Christie eine besondere Figur, die ihr so sehr am Herzen lag, dass sie seine letzte Geschichte über Jahre bei ihrer Bank wegschließen ließ – erst nach ihrem Tod sollte sie veröffentlicht werden. Auch Poirot stirbt in diesem letzten Band. Sie beendete ihr Lebenswerk also zeitgleich mit ihrem Leben. Eine interessante, bewundernswerte und inspirierende Frau in jeder Hinsicht.
Weiteres von ihr: Agatha Christie: Mord mit verteilten Rollen (1954)
Starke Heldinnen
Wofür ich Jennifer Estep liebe: Ihre Heldinnen sind immer starke Kämpferinnen, die aber dadurch nichts von ihrer Weiblickeit verlieren und denken und handeln wie jede andere Frau. Die produktive Schriftstellerin hat verschiedenste Fantasy-Reihen verfasst, wo mit Sicherheit für jeden etwas dabei ist!
Bücher von ihr:
Jennifer Estep: Die Saphirkrone: Gargoyle Queen 1
Jennifer Estep: Sense of Danger
Jennifer Estep: Kill the Queen: Die Splitterkrone 1
Jennifer Estep: Mythos Academy Colorado 03: Coldest Frost
Jennifer Estep: Elemental Assassin 15: Spinnenwinter
Wer starke Heldinnen in Fantasy und Science-Fiction sucht, ist auch mit diesen Titeln gut beraten:
Marah Woolf: HexenSchwesternSaga 01: Sister of the Stars
Marion Herzog: Algorytmica
Leia Stone: Celestial City – Akademie der Engel: Jahr 1
Cassandra Clare: Chain of Gold: Die Letzten Stunden 1
Marah Woolf: Angelussaga 01: Die Rückkehr der Engel
Tobias O. Meissner: Evil Miss Universe
Jennifer L. Armentrout: Dark Elements 04: Glühende Gefühle
Nicht nur eine starke Heldin in Dystopie-Science-Fiction, sondern auch eine aktiv feministische Botschaft findet man bei Lina Frisch: Falling Skye: Kannst du deinem Verstand trauen?. Frauen werden auf ihre emotionalen Eigenschaften reduziert und von jeder Führungsposition entfernt – zum Wohle alle und weil es der natürliche Weg ist. Ein wirklich erschütternder Roman, der zeigt, wie schnell Ideale zu massiver Unterdrückung der Andersartigen werden können.
Und mal etwas ganz anderes: Ein Gedichtband: Sarah Bosetti: „Ich hab nichts gegen Frauen, du Schlampe!“: Mit Liebe gegen Hasskommentare
Sabine Bovenkerk-Müller zum Thema:
Jedes Jahr findet der Weltfrauentag statt, und dies hat viele gute Gründe, wenn man weltweit die Verteilung von Macht und Geld in Betracht zieht. Der Frauentag soll erstmalig von der Frauenorganisation der Sozialistischen Partei Amerikas ausgerufen worden sein, um das Frauenwahlrecht einzufordern. Andere Frauenorganisationen aus anderen Ländern organisierten Frauenkonferenzen und übernahmen den Gedanken des Frauentags. Sie forderten „Keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte“.
Immer wieder sind Frauen auf die Straße gegangen, haben sich aufgelehnt, wurden verhaftet, manchmal für immer in einer Nervenheilanstalt festgehalten, oder sie wurden getötet. In der Literatur gibt es zum Glück viele AutorInnen, die zeigen, wie es war, wie es ist und wie es sein könnte.
Die Autorin und Rechtsanwältin Christina Clemm zeigt in ihrem Buch AktenEinsicht, was sie zum Schreiben bewegt hat: „… Vielleicht sind es die Ignoranz und die Apathie großer Teile der Gesellschaft, die mich im Laufe der Jahre wütender werden lassen. Es gibt keinen Ort, keine Schicht, kein Alter keine soziale Situation, in der Frauen keine Gewalt erleben …“ (S.193)
Die Herausgeberin Irene Götz zeigt in ihrem Buch, dass es für Frauen keinen Ruhestand gibt und wie sie mit Altersarmut umgehen.
Die Wissenschaftler Harald Meller und Kai Michel beschreiben, wie auf sprachlicher Ebene und durch das Weglassen von Details, die Geschichte der Schamanin verfälscht worden ist.
Auf unterhaltsame und spannende Weise zeigen die Autorinnen Anne Stern und Micaela A. Gabriel, wie eine ledige Hebamme beziehungsweise Politikerinnen vor hundert Jahren in Deutschland für ein besseres Leben der Frauen gekämpft haben. Die Serien Hulda Gold und die Frauen vom Reichstag laden zum Schmökern ein.
Gloria Naylor (1950-2016) wurde in New York geboren. Für ihre Werke erhielt sie unter anderem den American Book Award und den National Book Award. An verschiedenen Universitäten unterrichtete sie Literatur und kreatives Schreiben. Ihr Episodenroman Linden Hills erschien erstmalig 1985, drei Jahre nach ihrem Debütroman Die Frauen von Brewster Place. In beiden Romanen werden die ungerechten Lebensbedingungen schwarzer Frauen beschrieben. Ihre Geschichten berühren und machen nachdenklich.
Alex Wheatle hatte eine geniale Idee. Er begann Jugendromane zu schreiben und dies so gut, dass seine Bücher mit Preisen gewürdigt wurden. Seine Geschichten ranken um charakterstarke Jugendliche in sozialen Brennpunkten, die aus extremen Situationen einen Ausweg suchen. Würde es den Müttern, den Familien gut gehen, gäbe es keine Brennpunkte mehr. Seine weiblichen Charaktere sind die wahren Helden, tapfer und mutig.
Sabine Sürder stellt starke Autorinnen vor:
Isabel Allende (Jahrgang 1942) gehört in die erste Reihe der Autorinnen, die Emanzipation und Feminismus zu ihren Lebensthemen gemacht haben. Die chilenische Schriftstellerin ist eine der großen lateinamerikanischen Erzählerinnen und Erzähler der Gegenwart.Ihr grandioses Erstlingswerk „Das Geisterhaus“ (1984) wurde zum Weltbestseller. Es folgten zahlreiche weitere Bücher mit starken Frauenfiguren wie „Paula“ (1995),„Der japanische Liebhaber“ (2015), „Ein unvergänglicher Sommer“ (2018), „Dieser weite Weg“ (2019) oder „Was wir Frauen wollen“ (2021).
Toni Morrison (1931-2019) erhielt als erste afroamerikanische Schriftstellerin 1993 den Literaturnobelpreis. Ihre Romane „Solomons Lied“ (1979) und „Teerbaby“ (1983) prägten meine eigene feministische Sozialisation. In dem Roman „Gott, hilf dem Kind“(2017) beschreibt sie das Leben und Schicksal afroamerikanischer Frauen. 2016 hielt Toni Morrison eine Vortragsreihe an der Harvard University in Cambridge über „Die Literatur der Zugehörigkeit“. 2018 erschienen sechs Texte aus diesen Vorlesungen unter dem Titel „Die Herkunft der anderen – Über Rasse, Rassismus und Literatur“auf Deutsch.
Susan Sontag (1933-2004) war als intellektuelle und kritische Stimme in den USA und darüber hinaus bekannt. Vor allem ihre Essays über Fotografie sind viel beachtet. In „Wie wir jetzt leben“(2020) sind Erzählungenaus den Jahren 1984 bis 1992 versammelt, die Susan Sontags Denk- und Schreibfreude und das Können von beidem ebenso repräsentieren wie ihre Essays und Schriften.
Beiträge von Jana Jordan:
Sinéad Gleeson: Konstellationen. Die Sprache meines Körpers. Die irische Autorin Sinéad Gleeson, die schon als junges Mädchen erfahren muss, wie sehr eine Krankheit alles in Frage stellt, beschreibt in ihrem Buch das Leben mit dem Schmerz. Doch schon bald setzt sie den Fokus auf die Lebensumstände von Frauen im Allgemeinen. Im mehrheitlich katholisch geprägten Irland werden selbstbewusste Frauen noch immer mit Misstrauen betrachtet. Die Autorin seziert die patriarchale Sicht auf die Frau, die Fremdbestimmung durch Männer, die festlegen, was sich für ein Mädchen schickt und was nicht.
Simona Baldelli: Die Rebellion der Alfonsina Strada. Wenn ich heute den Kommentatoren von Radrennen wie dem Giro d’Italia zuhöre, erfahre ich viel über vergangene Größen des Radsports Eddie Merckx, Fausto Coppi, Bernard Hinault und anderen. Von Alfonsina Stradahatte ich nie gehört, bevor mir dieses Buch in die Hände fiel, nichts. Dabei war sie die erste und einzige Frau, die jemals am Giro teilgenommen hat. Diese besondere Frau hat zu Lebzeiten viel mehr Spott als Anerkennung erfahren und doch ihre Träume nie aufgegeben.
John Ryan Stradal: Die Bierkönigin von Minnesota. Diese Familiengeschichte erzählt von drei Frauen, von denen jede auf ihre Weise in der Männerdomäne des Bierbrauens Fuß fassen konnten und sich mit Energie und Kreativität durchzusetzen wussten.
Alba De Céspedes: Das verbotene Notizbuch. Valeria, die Heldin dieses Romans, kauft aus einem Impuls heraus ein schwarzes Notizbuch und führt fortan heimlich Tagebuch. Dabei beginnt sie schon bald, über ihr Leben als Frau und Mutter im Italien der 50er Jahre zu reflektieren und kommt zu schmerzhaften Einsichten.
Goliarda Sapienza: Die Kunst der Freude. Der Roman ist in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts angesiedelt und beschreibt die Lebensgeschichte von Modesta, einer Frau, die selbstbestimmt handelt, Männer und Frauen liebt und die Suche nach persönlichem Glück und Selbsterkenntnis über alles stellt.
Und nun von allem etwas:
Eine Empfehlung von Zoe Höh:
Candace Bushnell & Katie Cotugno: Rules For Being A Girl
Eine Empfehlung von Karina Luger:
Romy Fölck: Die Rückkehr der Kraniche
Entweder starke Autorinnen oder starke Protagonistinnen oder beides: Empfehlungen von Renate Müller:
Yeva Skalietska: Ihr wisst nicht, was Krieg ist
Greta Thunberg: Das Klimabuch
Shirley Jackson: Krawall und Kekse
Katrin Eigendorf: Putins Krieg
Natascha Bub: Ein Bild von einer Frau
Lina Jansen: Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt
Andreas Schröter empfiehlt:
Zweifellos äußerst begabt sind die Frauen in Juno Dawsons „Der Hexenzirkel ihrer Majestät 01 – Das begabte Kind“. Sie sind Hexen, und die Männer um sie herum merken es zum Teil gar nicht. Juno Dawson, die früher ein Mann war und James Dawson hieß, schickt uns in ihrem Buch auf eine überaus unterhaltsame und feministische Lesereise.
Eine Empfehlung von Michael Kothe:
C.J. Tudor: Das Gotteshaus. Der Thriller ist düster und bis zur Ohnmacht spannend. Naja, spannend eben. Brooks hat nicht nur die dunklen Geheimnisse ihrer Schäflein aufzudecken, sondern auch ihr eigenes, und das nicht zuletzt, um ernsthafte Gefahr von ihrer Tochter Flo und von sich selbst abzuwenden. Alleinstellungsmerkmale: Teilweise Ich-Perspektive und Umgangssprache. Beides passt.
Feministische Sachbuchempfehlungen von Melina Lange:
Rafia Zakaria: Against white Feminism. Wie weisser Feminismus Gleichberechtigung verhindert
Seyda Kurt: Radikale Zärtlichkeit. Warum Liebe politisch ist.
Und ein Schlusswort von Diana Wieser:
„Female Choice“ von Maike Stoverock. Ein Buch, das Frauen lieben und viele Männer hassen werden! Die Biologin Maike Stoverock zeigt, dass unsere Welt heute dem Blickwinkel des Androzentrismus unterliegt. An etlichen biologischen und geschichtlichen Beispielen verdeutlicht sie, wie Frauen als einst gleichberechtigte Sippenmitglieder über die Jahrtausende entrechtet wurden. Von emanzipierten Anemonenfischen, die das Geschlecht wechseln können, bis zur seriellen Monogamie, für die Frauen eigentlich evolutionär prädestiniert sind: Stoverock zündet ihren Sprengstoff im Sekundentakt. Ihre Lösungsansätze sind radikal, genial, streitbar. Sie möchten eine langweilige Party beleben? Sie können Ihr männliches Gegenüber schwer einschätzen? Dann lassen Sie Sätze fallen wie „Wusstest du, dass sich bei unseren Vorfahren 80 Prozent der Frauen mit nur 20 Prozent der Männer fortgepflanzt haben?“ Die Reaktionen werden Sie überraschen…
Ein Special von Isabella M. Banger mit Beiträgen von Sabine Bovenkerk-Müller, Sabine Sürder, Jana Jordan, Zoé Höh, Karina Luger, Renate Müller, Andreas Schröter, Michael Kothe, Melina Lange und Diana Wieser.