Grete Hansen lebt mit ihrer betagten Mutter Wilhelmine auf einem aufgelassenen Bauernhof in der Elbmarsch. Sie ist in ihrem ganzen bisherigen Leben nicht von dort weggekommen. Erst musste sie als Alleinerziehende für ihr Tochter Anne da sein, dann die schwächer werdende Mutter unterstützen. Ihr Vater ist ertrunken, als sie vier Jahre alt war. Ihren Unterhalt verdient Grete als Angestellte des Naturschutzbundes. Unter allen Vögeln, die sie beobachtet und betreut, haben es ihr besonders Kraniche angetan.
Als Wilhelmine eine Herzmuskelentzündung bekommt und es gesundheitlich nicht gut um sie steht, kehren auch Gretes Tochter Anne und ihre Schwester Freya auf den Hof zurück. Die Mutter will nicht im Krankenhaus bleiben. Die vier Hansen-Frauen sehen sich nun unter einem Dach mit der sterbenden Wilhelmine und der Bewältigung ihrer eigenen Probleme konfrontiert, denn jede von ihnen hat ein Geheimnis. Es gibt einiges aufzuarbeiten. Alle vier holt die Vergangenheit ein. Sie müssen versuchen, einander gegenüberzutreten, Geständnisse abzulegen, Verkrustungen aufzubrechen, Wege zueinander zu finden. Immer wieder spielt die Liebe eine Rolle. Wilhelmine liebt ihre Töchter, kann ihnen das aber nicht zeigen. Grete liebt Hauke, der ist allerdings verheiratet. Freya hat ihre Jugendliebe Sten abserviert, um nach Berlin zu gehen, dort aber kein Glück gefunden. Hat der verstorbene Vater das Schreikind Freya geliebt? Grete war doch sein Augenstern! Anne hat sich in eine Frau verguckt. Die verdreht ihr den Kopf und meldet sich nicht mehr. Was soll das werden? Außerdem hat Grete ihr nie verraten, wer ihr Vater ist. Anne möchte wenigstens seinen Namen wissen. Zu all dem bekommt Grete überraschend das Angebot, einen Sommer lang als Vogelwartin auf einer Ostseeinsel zu arbeiten. Soll sie es annehmen? Behutsam versuchen die vier, sich aneinander heranzutasten. Gretes 50. Geburtstag bringt schließlich eine Wende…
Man könnte meinen, diese Geschichte birgt die Gefahr, kitschig und trivial daherzukommen. Romy Fölck gelingt aber das Kunststück, ein feines Buch über die Verbundenheit von vier Frauen aus drei Generationen zu schreiben. Die richtige Lektüre für frühe Abende und nebelige Herbsttage.
Romy Fölck: Die Rückkehr der Kraniche.
Wunderlich, August 2022.
336 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.