Kiersten White: Das Dunkle in mir: Die Eroberer-Trilogie 01

Willkommen in Siebenbürgen Mitte des 15. Jahrhunderts. Das Osmanische Reich mit dem in Edirne regierenden Sultan Murad II hat seine Macht bis weit den Nord-Osten ausgedehnt. Auch die Walachei, damals unter der Herrschaft Vlad Draculs, steht unter der Aufsicht des Osmanischen Reiches.

Im Mittelpunkt der Ereignisse steht ein Geschwisterpaar – Kinder von Vlad Dracul. Da wäre zum einen der jüngste Sohn Radu, ein körperlich schwacher Geistesmensch, der sich später dem islamischen Glauben zuwendet. Und seine ältere Schwester Dragwyla, wahrlich keine Schönheit, aber brutal, stark, effizient, intelligent und mit ihrer Rolle, aus politischen Gründen verheiratet zu werden, absolut nicht einverstanden.

Als Vlad Dracul vor der Machtübernahme seines älteren Sohnes zum Sultan flieht, werden seine beiden Kinder, wie es Usus ist, für die Unterstützung des Osmanen bei der Rückeroberung der Herrschaft, als Geiseln im Reich zurückbehalten. Sie lernen Mehmet, den Sohn des Sultans kennen, reisen mit diesem in die von ihm regierte Stadt Amasya. Hier lernt die junge Frau von den Janitscharen das Kämpfen, die Brutalität des Herrschens hat ihr vorher bereits der Sultan an seinem Hof demonstriert. Innerlich wird sie getrieben von dem unbändigen Wunsch nach Rache und Freiheit – so beginnt ein steiniger, schmerzhafter Weg, auf dem sie bestialischer sein muss, als ihre Gegner, um letztlich zu obsiegen …

Der Auftakt der „Eroberer-Trilogie“ startet langsam, fast behutsam. Erzählt wird im Grund genommen heruntergebrochen die Geschichte von Vlad, dem Pfähler, später als Dracula in die Romanwelt eingegangen. Allerdings ist vorliegend eine junge Frau eben jene(r) Vlad, was zu einigen, nun nennen wir sie, Besonderheiten führt.

Zunächst ist der Verfasserin zu attestieren, dass sie gut recherchiert hat. Das Leben, die Anschauungen und die historisch verbürgten Figuren kommen überzeugend rüber, ermöglichen der Leserin bzw. dem Leser eine uns fremde Welt kennenzulernen. Eine Welt, die der westlichen Zivilisation damals um Längen voraus war – wissenschaftlich, wie bei der gesellschaftlichen Akzeptanz Andersgläubiger. Ihre Darstellung der komplexen politischen Landschaft des Osmanischen Reiches und Siebenbürgens erscheint glaubhaft und bietet uns einen faszinierenden Einblick in die damalige Zeit.

Unerwartet dann die Idee, Dracul als junge Frau zu zeichnen.

Lada ist keine typische, stromlinienförmige Protagonistin. Sie ist oft äußerlich mitleidlos, brutal, kompromisslos, wirkt dabei selten sympathisch. Es gelingt der Autorin aber uns diese Verhaltensweise angesichts der Zwänge, der Lada ausgesetzt ist und ihres Charakters glaubhaft zu machen. Ähnlich überzeugend ist die Wandlung ihres Bruders, vom verängstigten, schwachen Jungen zu einem intelligenten und geschickten Diplomaten beschrieben.

Nach einem etwas tempoarmen Mittelteil geht es dann gegen Ende des Auftaktromans wieder actionreicher zu. Kiersten White bietet uns einen originellen, gut recherchierten Roman an, der Intrigen, Verrat und jede Menge überraschende Wendungen in sich vereint. Die Figuren werden vielschichtig gezeichnet, die historische Kulisse detailreich ausgearbeitet.

Kiersten White: Das Dunkle in mir – Die Eroberer-Trilogie Band 1
aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Helga Parmiter
Panini Books Verlag, Juni 2023
444 Seiten, Taschenbuch, 19,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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