
Manchmal stößt man auf Bücher, bei denen man sich am Ende der Lektüre fragt, warum man nicht schon längst auf diesen Autor/diese Autorin aufmerksam geworden ist. Natascha Wodin gehört für mich zu genau diesen SchriftstellerInnen. Angetan von der dreißigseitigen Leseprobe musste ich dieses Buch unbedingt so schnell wie möglich in den Händen halten und zu Ende lesen, was bis zur letzten Seite angehalten hat.
Natascha Wodin ist Jahrgang 1945 und wurde als Tochter sowjetischer Zwangsarbeiter in Fürth geboren. 1983 erschien ihr erster Roman „Die gläserne Stadt“, auf den zahlreiche weitere Veröffentlichungen samt Auszeichnungen wie dem Hermann-Hesse-Preis, dem Brüder-Grimm-Preis, dem Preis der Leipziger Buchmesse und viele weitere Preise folgten.
„Die späten Tage“ ist ein Roman über das Alter und das Altern, aber auch über eine neue, späte Liebe.
Literatur über das Alter hält der Buchmarkt momentan zur Genüge in vielen Facetten bereit. Natascha Wodins autobiografisch gefärbter Roman sticht dabei als ausgesprochen wahrhaftig, in einer direkten, schönen Sprache hervor. Ihre Worte, ihre Sichtweisen, ihr Blick auf ihre Umgebung, ihre weitreichenden Gedanken, wirken wie ein Balsam, der sich auf das allgegenwärtige Leid und Leiden, das sie beschreibt, legt.
Es ist ein Text aus Lebenserinnerungen und tiefen Gedankengängen. Gegenwartsbeschreibungen thematisieren die spät gefundene Liebe zu Friedrich. Beide Partner müssen ihre unterschiedlichen Ausprägungen aushalten können. Zufriedenheit und Glück wechseln sich mit den Nöten von Alterserscheinungen und Ängsten ab.
Die Qualen des Alters, düstere Gemütsbewegungen und die Auseinandersetzung mit dem Lebensende lesen sich mitnichten bedrückend, sondern berührend.
Dieser Roman verströmt eine Getragenheit, die bereichert.
Natascha Wodin: Die späten Tage.
Rowohlt, November 2025.
gebundene Ausgabe, 288 Seiten, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.