Tove Jansson: Der Steinacker

Ein kleiner Roman, dessen Handlung sich um die Bedeutung und den präzisen Gebrauch von Wörtern dreht

Der Protagonist Jonas ist keiner, mit dem man sich identifizieren mag. Überhaupt ist er alles andere als sympathisch. Dennoch muss man ihn immer weiter durch die Zeilen begleiten.

Jonas ist frisch pensionierter Zeitungsredakteur. Nach Abschluss seines Berufslebens soll er eine Biografie über einen berühmten Medienmagnaten verfassen. Jonas nennt ihn Y. Er mag diesen Buchstaben nicht. Auch der Vorname seiner Frau begann mit Y. So ist der Buchstabe Y in Jonas’ Gedankenabläufen immer präsent. Jonas macht sich mit einer Aversion an seinen Auftrag. Er tut sich schwer damit, sich mit Y. auseinanderzusetzen. Alles kommt ihm nicht richtig vor. Dem prominenten Medienmann Leben einzuhauchen, will ihm einfach nicht glücken. Dabei findet er sich selbst immer wieder in der Person von Y. Seine Sichtweise auf Y. und sein Ich zerfließen ineinander. Y. ist stets präsent, verfolgt ihn regelrecht.

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Daniel Glattauer: In einem Zug

Eine Zugfahrt, viele Dialoge und ein Protagonist, der mehr von sich preisgibt, als ihm lieb ist

Der Schriftsteller Eduard Brünhofer fährt im Zug von Wien nach München, um einen Termin wahrzunehmen. In seinem Zugabteil sitzt bereits eine Frau mittleren Alters. Brünhofer taxiert sie, macht sich seine Gedanken und hofft, dass die Frau bald aussteigt. Er will seine Ruhe haben und nachdenken. Auf keinen Fall will er sich mit ihr unterhalten, was sich alles andere als einfach erweist. Obwohl er nichts Persönliches von ihr wissen will, erzählt sie ihm, dass sie als Physiotherapeutin und Psychotherapeutin arbeitet. Natürlich möchte sie von ihrem Mitreisenden dann auch Näheres erfahren.

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Silvesterspecial 2024

Wie in jedem Jahr gab es auch 2024 wieder Bücher, die uns Rezensentinnen und Rezensenten besonders gut gefielen. Bücher, die aus dem Üblichen hervortreten, weil sie berühren, weil sie unterhalten, weil sie ausgesprochen spannend sind oder sehr witzig, ausnehmend gut geschrieben oder schlicht etwas Besonderes.

Diese Bücher, die uns mehr als andere beeindruckten, sind es, die wir am Ende des Jahres immer noch in guter Erinnerung haben. Aus diesem Grund stellen wir sie im Special zu Silvester noch einmal vor.

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Tove Ditlevsen: Vilhelms Zimmer

Ein autobiografischer Roman, der in experimenteller Form vom Zerfall einer Ehe handelt

Tove Ditlevsen lebte von 1917 bis 1976. In Dänemark zählt sie zu den großen literarischen Stimmen. Ihr letzter Roman „Vilhelms Zimmer“ wird zugleich als „das Buch ihres Lebens“ benannt. Der Roman wurde 1975 veröffentlicht, im Jahr darauf beging sie Suizid.

Die Rezensionen von Tove Ditlevsen vorangegangener „Kopenhagen-Trilogie“  mit den drei Titeln „Kindheit“, „Jugend“ und „Abhängigkeit“ sind ebenfalls auf Schreiblust Leselust zu finden.

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Katja Lange-Müller: Unser Ole

Ein Roman mit drei Protagonistinnen, in dem ein geistig beeinträchtigter Junge das Verbindungsglied ist.

Ole will am liebsten in Ruhe gelassen werden. Die Pubertät macht ihm zu schaffen. Außerdem liebt der autistische Halbwüchsige die Welt genauso wenig wie sie ihn. Ein abgedunkeltes Zimmer im oberen Stockwerk des Hauses, dazu immer dieselben Essensrationen. Zum Trinken täglich Cola, dazu mehrere kalte Bockwürste und Brötchen, mehr braucht er nicht. Ein anderes Leben kennt er auch nicht. Versorgt, umsorgt und auch immer häufiger schikaniert wird er von seiner Oma Elvira. Als der geistig schwer beeinträchtigte Junge, dessen Wortschatz sich aus nur wenigen Worten zusammensetzt, seinen eigenen Willen entwickelt, ist Elvira schlicht überfordert. Immerhin hat sie doch bislang alles und alle dominiert. Hat ihre Form von Mutterliebe gegeben oder entzogen. Aber mittlerweile ist Ole ihr körperlich weitaus überlegen.

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Carlo Cassola: Ins Holz gehen

Dieser kleine Roman ist in den 1930er Jahren angesiedelt. Der Autor Carlo Cassola zeigt darin das entbehrungsreiche und einfache Leben von fünf Waldarbeitern in der italienischen Maremma auf.

Zentrale Figur ist Guglielmo, der achtunddreißigjährige Protagonist, dessen junge Frau überraschend gestorben ist. Guglielmo hat einen Holzschlag in einem abgelegenen Wald erworben, der über die Wintermonate abgeholzt werden muss. Hierfür hat er sich vier weitere Arbeiter organisiert, mit denen er bereits vorher schon zusammen gearbeitet hat. Mehrere Hektar Pinienwald und Niederwald werden die Männer in ungefähr fünf Monaten zu fällen haben. Die Arbeit ist hart und erfordert ihren vollen Krafteinsatz.

Für Guglielmo ist die Abgeschiedenheit im Wald und das Schlagen der Bäume auch eine Flucht vor der schmerzenden Realität. Seine Gedanken halten ihn immer in der Trauer um seine Frau Rosa gefangen. Um seine beiden kleinen Töchter kümmert sich seit ihrem Tod seine Schwester. Die schwere Arbeit im Wald, die höchste Konzentration erfordert, befreit ihn wenigstens zeitweise von seinem Kummer.

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Tilo Eckardt: Gefährliche Betrachtungen: Der Fall Thomas Mann

Was für eine imposante Idee, den einstigen Literaturnobelpreisträger Thomas Mann fiktiv in einen historischen Kriminalroman zu verweben! Weitaus bemerkenswerter jedoch erweisen sich im Plot die Parallelen vom Deutschland der dreißiger Jahre mit den immer mehr an Aufwind erlangenden nationalistischen Strömungen zur aktuellen politischen Stimmungslage. Hier wird auf erschreckende Weise deutlich, wie sich Geschichte wiederholen kann.

Das einstige Sommerhaus von Thomas Mann auf der Kurischen Nehrung in Nida ist heute eine deutsch-litauische Begegnungsstätte und Museum. Nur wenige Meter davon entfernt hat der Autor Tilo Eckardt für zwei Monate in einer Autorenresidenz gelebt und an diesem Buch geschrieben. Hierher, mit Blick auf das Memeldelta und Haff, ließ Thomas Mann sich 1929 sein Ferienhaus erbauen. Hier verbrachte Thomas Mann drei Sommer über mit seiner Familie. Inmitten knorriger Kiefern mit Blick aufs Wasser lebte der Schriftsteller zurückgezogen im Sommerhaus und hat geschrieben. Tilo Eckardt erweckt die Vergangenheit und den großen Schriftsteller mit seinem Roman „Gefährliche Betrachtungen“ auf ungewöhnliche Weise wieder zum Leben:

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Maria-Christina Piwowarski (Hg.): Und ich

In dieser Anthologie geht es um drastische Veränderungen im Leben von Frauen und wie die verschiedenen Protagonistinnen damit umgehen.

Zwanzig Geschichten sind in diesem Erzählband versammelt. Zu den Autorinnen gehören außer der Herausgeberin selbst unter anderem:

Gabriele von Arnim, Zsuzsa Bánk, Judith Poznan oder Mareike Fallwickl.

Manche der Geschichten zeigen vielleicht Parallelen zum eigenen Leben auf. Auch Texte die schwer wiegen, die man geradezu aushalten muss, sind zu lesen. Andere wiederum kommen federleicht daher; sie können motivieren, beflügeln, ermutigen.

Lesen ist für sie ein Grundbedürfnis, schreibt die Herausgeberin Maria-Christina Piwowarski in einem Vorwort.

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Ada D’Adamo: Brief an mein Kind

Ein Zeugnis von bedingungsloser Liebe einer Mutter zu ihrer mehrfach schwerbehinderten Tochter.

Die einstige Tänzerin Ada D’Adamo ist krebskrank, muss täglich Bestrahlungstermine wahrnehmen und kann sich nicht mehr wie zuvor für ihre schwerbehinderte Tochter Daria aufopfern. Sie beginnt ein Brieftagebuch, das zu einer Liebeserklärung an ihre Tochter wird.

Kein Arzt erkannte vor der Geburt auf dem Ultraschallbild, dass das Kind mit einem schweren Gehirnschaden zur Welt kommen würde. Dem Kind werden gleich nach seiner Geburt Entwicklungsverzögerungen prognostiziert. Darias körperliche und geistige Beeinträchtigungen erweisen sich als so schwerwiegend, dass ein normales Leben nicht möglich ist. Weder für das Mädchen noch für seine Mutter und die restliche Familie.

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Suzanne Heywood: Wavewalker

Die Welt auf einem Segelschiff zu umrunden, ist der große Lebenstraum ihrer Eltern. Für die siebenjährige Suzanne Heywood wird diese Exkursion zu einer jahrelangen entbehrungsvollen Reise auf Kosten ihrer Kindheit und Jugend.

Was sich nach dem ursprünglichen Plan wie ein verheißungsvolles Abenteuer auf Zeit anhört, entwickelt sich zu einer nimmer enden wollenden Reise mit unkalkulierbaren Herausforderungen in dieser autobiografischen Reisebeschreibung. Aus den ursprünglich vorgesehenen drei werden zehn Jahre auf See.

Das Segelschiff Wavewalker wird zum beengten Zuhause für die siebenjährige Sue, ihren jüngeren Bruder und deren Eltern. Anstatt eine unbeschwerte Kindheit zu verleben, sind die Kinder mit Überlebensängsten, Enttäuschungen und Einsamkeit konfrontiert. Keine Freunde, kein wirkliches Zuhause, keine Schule. Stattdessen immer wieder neue Crewmitglieder, lebensbedrohende Stürme, gerissene Segel, Schiffbruch, Unfälle, Operationen, von Wind und Salzwasser verfilzte Haare, wenig Trinkwasser, Dosenmahlzeiten, wenig Verständnis von den Eltern und keine Chance, diesem Leben zu entkommen. Nur zeitweise erhalten die Kinder Unterricht durch ihre von häufiger Seekrankheit geplagte Mutter.

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