Charlotte Roth: Die Stauffenbergs: Eine große Liebe in Zeiten des Krieges

Es ist ein bisschen, wie wenn man in einem Buch die letzte Seite zuerst liest.

Man kennt den Ausgang der Geschichte ja und weiß, es ist kein Happy End! Insofern ist dieser biografische Roman von Anfang an bedrückend. Das missglückte Attentat auf Hitler, am 20. Juli 1944, jährt sich zum 80. Mal, das Erscheinungsdatum des Buches ist also sicher nicht zufällig gewählt. Vielleicht sollte man im Geschichtsunterricht durchaus auch mal solche Bücher einsetzen, statt nur trockener Daten, Fakten und Namen, die sich die Wenigsten merken können oder wollen. Das ein oder andere „Geschichtsbuch“ dieser Art würde vielleicht einiges zum besseren Verständnis beitragen. Auch wenn die Autorin betont, dass die Handlungen ihres Romans fiktiv sind, dass der Roman vor allem eine Liebesgeschichte sei, orientiert sie sich doch eng an den historischen Personen und Ereignissen. Sie hatte nicht den Anspruch, eine Biographie zu schreiben, wohl aber den Wunsch, durch Erfundenes Wahres sichtbarer zu machen. Ich finde, dieser Wunsch wurde ihr erfüllt. Charlotte Roth erzählt uns eine wunderschöne und tieftraurige Liebesgeschichte. Die Geschichte von Nina, Tochter des fränkischen Generalkonsuls und einer baltischen Freifrau. Ihre Familie lebt in Bamberg.

Claus Schenk Graf von Stauffenberg ist der jüngste von drei – verbliebenen – Söhnen eines schwäbischen Adelsgeschlechts, der Liebling seiner Mutter. Sein Zwillingsbruder wurde nur einen Tag alt, und seine Mutter bangt auch um Claus, der als Kind immer kränklich war und von den großen Brüdern, ebenfalls Zwillinge, oft deswegen gehänselt wurde. Aber Claus ist stark! Er hat eine große militärische Karriere vor sich. Seine Liebe gilt den Pferden, seine militärische Laufbahn startet denn auch bei der Kavallerie. Nina und Claus lernen sich 1929 auf einem Ball kennen. Claus sagt ganz unverblümt, dass er, als er Nina habe die Treppe runterkommen sehen, gedacht hat, „ich möchte, dass diese Frau die Mutter deiner Kinder wird“. Ein Satz, der Nina zunächst erschreckt, aber auch sie hat sich wohl gleich in Claus verliebt. Aus der quirligen, manchmal kindlich naiven jungen Frau wird mehr und mehr eine starke, verlässliche Partnerin. Sie, die beim ersten Kennenlernen von ihrer künftigen Schwiegermutter nicht grade liebevoll als „Fratz“ bezeichnet wurde, versteht es, sich ihren Platz in der Familie zu erobern. Claus‘ Mutter erkennt im Laufe der Zeit, dass Nina eine starke Frau ist, die ihrem Mann Vertrauen, Halt und Beständigkeit gibt, ihren Kindern eine wunderbare Mutter ist und ihr selbst eine Schwiegertochter, wie sie sie sich nicht besser hätte wünschen können.

Auch wenn Caroline von Stauffenberg ihre Gefühle nicht offen zeigt, Contenance ihr zweiter Vorname sein könnte, so ist sie doch nicht kalt und herzlos. Auch Nina erkennt mit der Zeit, was sie an ihrer Schwiegermutter hat. Das Leben als Ehefrau eines Offiziers ist nicht leicht, Nina ist häufig über lange Zeit alleine, sie ziehen immer wieder mal in eine andere Stadt, aber die Familie ist so oft es geht zusammen. Claus liebt seine Frau und seine Kinder abgöttisch, will so viel Zeit wie möglich mit ihnen verbringen, am liebsten mit der ganzen Verwandtschaft auf dem Landschloss seiner Eltern, wo auch Ninas Eltern häufig zu Gast sind. Die Sommer werden in Lautlingen verbracht. Dorthin schickt Claus seine Familie im Krieg, als er fürchtet, sie seien in Berlin nicht mehr sicher.
Claus, der zunächst der Sache der Nazis neutral gegenübersteht, erkennt recht bald, dass er die Entscheidungen und politischen Entwicklungen nicht mittragen kann.

Aber er hat als Offizier einen Eid geleistet, dem er sich verpflichtet fühlt. „Ein Stauffenberg bricht sich den Arm, aber kein Versprechen“. Er leidet sehr unter der Situation, Nina ist zunächst die einzige Vertraute, mit der er offen reden kann. Als er auch das für zu gefährlich hält, finden sie Mittel und Wege der Verständigung, ohne Dinge auszusprechen. Nina weiß immer, wo er steht, was er denkt und was passieren wird. Sie hat große Angst um ihren Claus, aber sie weiß, sie muss ihn gehen lassen, er hat einen Eid geschworen. So weiß sie auch vage um die Anschlagspläne und von denen, die daran beteiligt sind. Sie weiß auch um die Konsequenzen, wenn etwas schiefgehen sollte.

Die Hoffnung hält sie aufrecht. Als das Attentat misslingt, ist nicht nur Claus‘ Leben besiegelt, er wird, gemeinsam mit seinen Mitverschwörern, noch am selben Abend im Bendlerblock erschossen. Auch das Leben der gesamten Familie ist zerstört.
Ein Roman, der von der ersten Seite an fesselt, den man „am Stück“ lesen möchte und der einen stellenweise zu Tränen rührt. Spannend und mitreißend geschrieben. Eine Geschichte von Anstand, Courage, Liebe und Vertrauen, aber auch eine Erinnerung an eine Zeit, die nicht unter den Teppich gekehrt werden kann. „Das hier kann keine Geschichte sein, wenn es eine wäre, hätte man ihr ein anderes Ende schreiben müssen, denn dieses taugt doch nichts“, lässt Charlotte Roth Nina am Ende der Geschichte sagen. Ja, man hätte sich ein anderes Ende gewünscht, aber es ist eben keine Geschichte, es ist Geschichte.

Charlotte Roth: Die Stauffenbergs: Eine Liebe in Zeiten des Krieges
Droemer, Juli 2024
416 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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