Moritz Heger: Die Zeit der Zikaden

Moritz Heger (Jahrgang 1971) ist Gymnasiallehrer und Jugendtheatermacher in Stuttgart. Er schreibt Theaterstücke und literarische Texte. 2008 erschien sein Roman „In den Schnee“ und 2021 „Aus der Mitte des Sees“. Am 26. Juni 2024 veröffentlichte der Diogenes Verlag „Die Zeit der Zikaden“.

Auszeit im „Land, wo die Zitronen blühen“

Moritz Heger hat sich für seinen dritten Roman „Die Zeit der Zikaden“ ein Setting ausgedacht, das zwei ältere Menschen an den Wendepunkten ihres Lebens beschreibt.

Die eine, Frau Mattmann, geht als Lehrerin in Pension. Der andere, Johann, braucht von seiner Arbeit als Bestatter eine Auszeit. Alex Mattmann hat sich ein Tinyhaus auf Rädern bauen lassen und will auf Reisen gehen. Johann hat ein altes Steinhaus (Rustico) in Italien geerbt und will dort malen. Das Haus gehörte einst Johanns Onkel, dem Maler Renat. Alex und Johann lernen sich auf der Hochzeit von Alexs ehemaliger Schülerin Wibke mit Johans Sohn Dominik kennen. Irgendwann lädt Johann Alex nach Ligurien ein. Und sie fährt mit ihrem Tinyhaus hin und stellt es in seinem Garten ab. Johanns Frau Marion scheint das nicht zu stören. Zwischen Alex und Johann entwickelt sich langsam und vorsichtig eine Beziehung. Beide sind im Aufbruch zu etwas Neuem oder wenigstens Anderem in ihrem Leben.  Und dann taucht Johanns Tochter Nora im Rustico auf.

Es ist schon eine sehr privilegierte Situation, in die Moritz Heger seine zwei Protagonisten versetzt. Beide plagen keine finanziellen Nöte. Im Gegenteil: sie können sich ein Tinyhaus und ein Rustico leisten. Sie reisen zu einem Sehnsuchtsort der Deutschen nach Italien, in das Land, „wo die Zitronen blühen“. So lässt es sich entspannt in den Ruhestand bzw. in die Auszeit gehen und sich den Plänen für die nächsten Lebensjahre widmen. Etwas Unzufriedenheit mit ihrem alten Leben schwingt dabei mit. Vor allem bei Johann, dem in seiner Familie und in seiner Arbeit als Bestatter etwas zu fehlen scheint.

Later-lifecrisis vor Postkartenidylle

Ich habe den Roman im Urlaub gelesen und war so dem Handlungsort und der Atmosphäre von „Die Zeit der Zikaden“ sehr nah. Als Leserin gehöre ich auch altersmäßig zur Zielgruppe für das Buch. Aber ehrlich gesagt, hat mich dieser Roman nicht überzeugt. Denn die Figuren verlassen niemals ihre Komfortzonen. Sie gehen kein Wagnis ein. Die Romanhandlung bleibt unspannend bis langweilig und Hegers Sprache ist bemüht poetisch bis hin zur Plattheit:

„Einen Becher mit Fotodruck in der Hand, steht sie mit verstrubbelter Frisur – es könnte bei den kurzen Haaren auch ihr Look sein – auf dem winzigen überdachten Vorplatz am schmalen Ende ihres Heims. Die hölzernen Säulchen geben der Miniaturveranda etwas Amerikanisches. Tinyhäuser haben ja überhaupt etwas Amerikanisches. In ihnen lebt der American Dream noch. Das Pionierhafte, die Idee, dass das, was man unter die Räder nimmt, zu Neuland wird, dass es dir auf eine einzigartige Weise gehören kann.“ (S. 75)

Auch die anstrengende und gefährliche Wanderung, die Johann und seine Tochter Nora unternehmen, um sich zu versöhnen, kommt sehr hölzern daher. Kein reinigendes Unwetter oder anderes Unheil, das dem Roman einen wirklichen Höhepunkt oder einen Schuss Dramatik verleihen könnte. Und Alex, die in sich Ruhende, entdeckt quasi im Vorbeigehen in der italienischen Idylle eine neue Zukunft als Theatermacherin.

Also, das ist schon sehr weichgezeichnet und sonnenuntergangsgeschädigt vor südländischen Zypressen. Ein guter Roman ist es nicht. Schade!

Moritz Heger: Die Zeit der Zikaden.
Diogenes Verlag, Juni 2024.
304 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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