Susanne Esser: Fräulein Liebe und das Glück der Bücher

Lassen Sie sich von Titel und Cover nicht irritieren. Auch wenn es nach seichtem Roman klingt, ganz so ist es nicht. Klar, es ist ein Roman, die Inhalte überwiegend fiktiv, aber dennoch basierend auf realem Hintergrund. Die Autorin selbst ist gelernte Buchhändlerin, was erklärt, dass eine Buchhandlung der wichtigste Ort des Geschehens ist. Mal ein ganz anderer Hintergrund für eine Geschichte, die mehr ist als die Romanze zwischen zwei jungen Leuten.

Geschildert wird das Schicksal einer jungen Frau, die bei einem Bombenangriff auf Berlin ihre komplette Familie verliert und plötzlich vor dem Nichts steht. Wenige Tage zuvor hatte sie sich verlobt, aber Alfred musste unmittelbar danach an die Front. Bei seiner Familie findet Eva zunächst eine Unterkunft. Als allerdings die Nachricht kommt, dass Alfred gefallen ist, setzt sein Vater Eva vor die Tür. Die Eltern wollen nichts mehr mit ihr zu tun haben. Wohin jetzt? Die einzige Verwandtschaft, die Eva noch hat, kennt sie so gut wie gar nicht, sie weiß lediglich, dass Onkel August eine Buchhandlung in Andernach betreibt. Ganz auf sich allein gestellt macht Eva sich auf den gefährlichen Weg an den Rhein, vorsichtshalber in Männerkleidung und mit kurz geschnittenen Haaren.

Die Tante ist nicht begeistert, als Eva schließlich Andernach erreicht. Ist es überhaupt wirklich ihre Nichte aus Berlin, die da vor der Tür steht? Ein Freund appelliert an Marias gutes Herz, Maria nimmt Eva bei sich auf, obwohl sie selbst und ihre beiden kleinen Töchter natürlich auch Hunger leiden. Maria führt die Buchhandlung allein. August ist an der Front, von ihm hat sie schon lange nichts mehr gehört. Maria liebt Bücher, Literatur und kann einfach nicht verstehen, dass so viele Bücher auf der von den Nazis verbotenen Liste stehen und sie jetzt überwiegend Bücher verkaufen muss, die sie freiwillig nicht verkaufen würde. Ihre Leidenschaft teilt sie mit einem kleinen Kreis von Freunden, die sich heimlich treffen. Kann sie Eva trauen?

Eva erweist sich als mehr als vertrauenswürdig, sie wird zu einem sehr wichtigen Menschen in Marias Leben, grade in den letzten Monaten des Krieges, als die Buchhandlung doch noch einem Bombenangriff zum Opfer fällt, bei dem Marias jüngste Tochter ums Leben kommt und Maria der Lebensmut zu verlassen scheint. Eva beweist ein weiteres Mal, wie stark sie ist. Sie packt an, baut wieder auf und nicht nur Buchhandlung und Wohnung. Wir erleben Eva als junges Mädchen, dem eine Zukunft als Ehefrau und Mutter in Berlin durchaus zufriedenstellend und glücklich erschien, dann als mutige junge Frau, die sich muttergottseelenallein auf den Weg zu völlig fremden Verwandten macht und mitten in Kriegszeiten den Weg von Berlin nach Andernach bewältigt, dann als eine wissbegierige, neugierige, entschlossene junge Frau, die ihr Glück und ihre Bestimmung darin findet, Buchhändlerin zu werden. Vom Heimchen am Herd zu einer selbstbewussten, selbstständigen, erwachsenen Frau, die die Schrecken des Krieges und die furchtbaren Erlebnisse auf ihrem Weg von Berlin nach Andernach völlig verändert haben.

Fakten und Fiktion sind auch in diesem Roman spannend vermischt. Die Autorin erläutert das noch einmal ausführlich in ihrem Nachwort, das man unbedingt auch lesen sollte. 

Susanne Esser: Fräulein Liebe und das Glück der Bücher
Knaur, März 2024
378 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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