Alba Sonntag lebt mit ihren vier Schwestern, mit denen sie allerdings zerstritten ist, auf Gut Boxhagen, nicht weit von Berlin. Jede für sich mit eigenem Anwesen, inmitten riesiger Hyazinthenfelder. Die Familie lebt vom Verkauf der bunten Blumen, aber lediglich Alba lebt für die Anzucht und Veredelung der Blumen, das Gärtnern. Sie drückt sich gerne in der Sprache der Blumen aus, jede Blume und Pflanze hat eine ganz eigene Bedeutung, aber auch jede Farbe einer Blume kann etwas Besonderes ausdrücken. So sagen weiße Hyazinthen etwa: „Ich lieb allein die Gleichgesinnten“, die blauen: „Du bleibst mir ewig eine schmerzliche Erinnerung“, Eisenkraut meint: „Verzeih mir“, die Nelke bedeutet Liebe und Mut. Und so weiter und so fort.
Alba kennt alle Bedeutungen und nutzt sie intensiv zur Kommunikation – nicht nur mit ihren Schwestern. Die Bedeutung der Blumen spielt eine zentrale Rolle in diesem historischen Roman, der uns mitnimmt in eine schwierige, zerstrittene Familie mit einigen dunklen Geheimnissen, über die wir im Laufe der Erzählung dann mehr erfahren. Alba leidet ganz offensichtlich unter diesen
Familiengeheimnissen, offenbart sich aber nicht. Oder zunächst nicht – später wird sie mit Kasimir darüber reden, der als „der falsche Gärtner“ auf dem Gut auftaucht und trotz seiner mangelnden Kenntnisse über Pflanzen und Garten von Alba beschäftigt. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen. Er wiederum fängt an, sich nicht nur für die junge, etwas seltsame und recht einsam scheinende Frau zu interessieren, sondern auch sich mit der Sprache der Blumen zu beschäftigen, die er sich aus den vielen Büchern beibringt, die er im Gartenhaus findet, wo er untergebracht ist. Eines Tages verschwindet Kasimir vom Gut, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Er ist zurück nach Berlin, wo er sich gemeinsam mit seinen Freunden schon lange an den Protestaktionen gegen den König beteiligt, weshalb er auch fliehen musste und sich auf Gut Boxhagen verstecken musste.
Es ist das Jahr 1848, die Bürger rebellieren ganz offen gegen den König, es kommt zu blutigen Aufständen. Soweit die historische Realität, die dem Roman den Rahmen gibt. Alba, die ja eigentlich sehr zurückgezogen lebt und mit den Hyazinthen glücklich scheint, interessiert sich plötzlich für die politischen Vorgänge und macht sich auf den Weg nach Berlin, wo sie mitten in die Kampfhandlungen gerät. Sie wird aktiv, schließt sich den Protestlern an und lernt eine völlig neue Realität kennen. Als Kasimir schwer verletzt wird, erfährt sie, was Freundschaft und Hilfsbereitschaft ist. Kurze Zeit später kehrt sie zurück nach Boxhagen, gemeinsam mit Kasimir, mit dem sie sich in Berlin verlobt hat. Alba ist erwachsen geworden, hat sich sehr verändert, was auch ihre Familie erkennen muss, als sie sich dem geplanten Verkauf des Gutes, das nicht mehr gewinnbringend arbeitet, widersetzt und zu ihrem Entschluss steht, ihr Leben mit Kasimir zu verbringen. Jetzt ist die Zeit, mit der Vergangenheit abzuschließen und die Familiengeheimnisse auszusprechen.
Eine Liebesgeschichte, eingebettet in die historisch belegten Geschehnisse in Berlin in der Zeit der Märzrevolution. Gut geschrieben, aber so richtig gepackt hat mich der Roman nicht. Die Kulisse – Gut Boxhagen – kann man quasi heute noch besuchen, hier befindet sich heute der Boxhagener Platz in Friedrichshain, auch die Straßennamen erinnern an die Familien, die einst hier gelebt haben.
Rebekka Eder: Hyazinthenschwestern
Rowohlt, April 2024
496 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.