Anne Stern: Das Opernhaus: Rot das Feuer

Elise Jacobi, geborene Spielmann, hat sich in Dresden mittlerweile einen Namen als begnadete Violinistin gemacht. Ihr Wunsch nach Anerkennung ihres Könnens wurde also erfüllt. Nicht zuletzt hat sie das den Kontakten ihres wesentlich älteren Ehemannes, des Komponisten und Journalisten Adam Jacobi zu verdanken. Dessen ist sich Elise durchaus bewusst, was sie aber nicht daran hindert, auch immer mal wieder, im Rahmen einer Soirée oder eines Empfanges, im Gespräch, mit ihrer Meinung zur Kunst nicht hinter dem Berg zu halten. Sehr zum Missfallen ihres Ehemannes, der streng auf Etikette und Konventionen achtet und der Meinung ist, Frauen haben keine Meinung zu haben.

Elise ist alles andere als glücklich in ihrer arrangierten Ehe. Sie fügt sich in ihr Schicksal und beneidet im Stillen ihre jüngere Schwester Barbara, die sich nicht in ein gesellschaftliches Korsett zwingen lässt, aber auch bereit ist, die Konsequenzen zu tragen. Frauen, die öffentlich ihre Meinung kundtun, wie Barbara das hin und wieder in kleinen Artikeln tut, sind nicht wohlgelitten und geraten häufiger mal in Schwierigkeiten. Georg Spielmann, Elises und Barbaras Vater, weiß davon ein Lied zu singen. Als es bei den Aufständen 1848 / 1849 in Dresden (wie auch andernorts) in der Stadt zu brodeln beginnt und es am 3. Mai 1849 zur offenen Revolte der Arbeiter, Künstler, Dienstmädchen, Musiker und Gelehrten kommt, gerät auch Barbara in Gefahr.

Adam, der viele Kontakte zu einflussreichen Politikern hat, gelingt es auf Bitten von Elise, Barbara aus der Haft zu befreien. Ihn um diesen Gefallen zu bitten, war Elise sehr schwergefallen. Inzwischen ist ihr – ausgelöst durch eine flüchtige Begegnung – klar geworden, dass sie noch immer tiefe Gefühle für den Kulissenmaler Christian hegt, mit dem sie eine kurze Romanze von vor Jahren verbindet, die allerdings beinahe in einer Katastrophe geendet hätte. Einzig ihre Adoptivtochter Netty hält sie derzeit noch bei Adam. Doch bevor sich Elise klar werden kann, ob sie bereit ist, Reputation, Renommée und vielleicht sogar das Ansehen ihrer Familie für die Liebe zu opfern, brechen die Aufstände los, und die Welt um Elise bricht zusammen. Drei Tage toben Kämpfe in der Stadt, der Versuch, König Friedrich August II. von Sachsen zu stürzen und eine sächsische Republik zu gründen fordert viele Opfer.

Ob auch Christian darunter ist, kann Elise lange Zeit nicht herausfinden. Auch wenn immer wieder von den Männern die Rede ist, die die Revolution geplant und angeführt haben, auch Frauen waren 1849 aktiv dabei, ihre Rechte einzufordern. Seit dem Wiener Kongress 1815 wuchs die Zahl der so genannten Frauenvereine, die sich zwar zunächst wohltätigen Zwecken widmeten, später aber mehr und mehr zu einer Bewegung wurden, die zunehmend die Rechte der Frauen zu ihrem wichtigsten Anliegen machten. In Dresden war hier Louise Otto besonders aktiv, die im Frühjahr 1849 zum ersten Mal ihre Frauenzeitschrift herausbrachte.

Die Anliegen und Rechte der Frauen sind für Anne Stern ja immer wieder ein wichtiges Thema, dem sie sich in einigen ihrer historischen Romane widmet. Nie vordergründig und belehrend, immer historisch belegt und fundiert recherchiert. Mit ihrem Wissen und ihrer Fähigkeit, Fakten und Phantasie flüssig und verständlich miteinander zu verweben, um daraus packende Romane zu stricken, bringt Anne Stern es immer wieder fertig, in jedem ihrer Romane „so nebenbei“ ganz viel Interessantes, Wissenswertes und Geschichtliches einzustreuen. So wie hier eben die Mairevolution, aber vor allem die Geschichte der Semper Oper und des Theaters, des Lebens damals.  Wieder einmal eine interessante Zeitreise.
Auch wenn man Band 2 der Dresden-Trilogie gut lesen kann, ohne den ersten Teil gelesen zu haben, es ist nicht verkehrt, den 1. Band auch zu kennen.

Anne Stern: Das Opernhaus: Rot das Feuer
Rowohlt Polaris, März 2024
400 Seiten, Paperback, 17,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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