Nettie Jones: Fish Tales

Lewis Ex-Mann sagt: „Ich finde dich nicht verrückt. Ich finde dich mutig. Die meisten können sich ein Leben, wie du es lebst, nicht einmal vorstellen.“ (S. 195)

Wie soll man Lewis Leben beschreiben, das sich die meisten Menschen nicht vorstellen können? Lewis hat früh gelernt, wie wichtig es ist, anderen – insbesondere Männern – zu gefallen. Nachdem sie viel zu früh von einem Pädophilen verführt worden ist, entwickelt sich die junge Lewis zu einem „heißen Feger“. Sie tobt sich in jeder Hinsicht aus, bis sie ein Alter erreicht, um nicht einmal als Bettvorlage erwünscht zu sein.

Der Debütroman Fish Tales von Netti Jones erschien 1983, ein zweiter Roman folgte sowie Essays und Kurzprosa. Sie hatte das Glück, zwei Fürsprecherinnen für sich zu gewinnen: Gayl Jones, die nach der Lektüre ihrer Tagebücher zu ihr sagte: „Schreib!“ – und Toni Morrison, ihre Lektorin bei Random House.

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Henning Sußebach: Anna oder: Was von einem Leben bleibt

Der Prozess des Erinnerns ist eine Gratwanderung zwischen der „Wahrheit“ und dem Bild, das man erschaffen hat. Wer erinnert sich schon genau an seinen gestrigen Tag, an die Ereignisse der näheren Umgebung, innenpolitisch und außenpolitisch? Und welches Ereignis wird nachhaltig das eigene Leben beeinflussen? Ein genauer Rückblick könnte bei der Beantwortung dieser Fragen helfen.

Der Autor und Journalist Henning Sußebach versucht einen Rückblick, der weit über 100 Jahre in die Vergangenheit reicht, um seiner Urgroßmutter Anna einen festen Platz in den familiären Erinnerungen zu geben. Er versprach seiner betagten Mutter, Annas jüngster Enkelin, sie werde das Buch über ihre Großmutter rechtzeitig in den Händen halten, denn Anna „… kam auf die Welt und verließ sie wieder. Ihr Nachlass ist winzig.“ (S. 9) Biografien über Frauen wurden – wenn überhaupt – über das Kirchenregister festgehalten. Geboren, getauft, verheiratet, Taufen der Kinder … gestorben. Das arbeitsreiche Leben schenkte wenig Freiräume, um ein Tagebuch zu führen. Die täglichen Aufgaben nahmen so viel Zeit in Anspruch, dass eine schriftlich fixierte Reflexion ein kühner Gedanke blieb. Anna führte – wie damals üblich – ein Poesiealbum, das unterschiedliche Personen mit Reimen und Botschaften füllten.

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Vera Buck: Der dunkle Sommer

Die siebzehnjährige Franka ist nachdenklich geworden. Sie versteht das Verhalten ihrer Eltern und das der Dorfbewohner immer weniger. Warum schweigen sich alle Männer über ihre Arbeit aus? Und warum schauen die Frauen lieber in den Kochtopf als aus dem Fenster? In dem sardischen Bergdorf Botigalli kennt jeder jeden. Und jeder weiß alles über den anderen. In dieser Tradition soll auch Franka ihren Platz in der Dorfgemeinschaft einnehmen. Doch wie kann sie an einem Ort glücklich sein, wo so viel Unrecht geschieht? Franka begehrt auf. Dass sie damit den Groll der Dorfbewohner gegen sich schürt, wird ihr erst bewusst, als alles zu spät ist.

Vierzig Jahre später reist Tilda nach Sardinien. Während die Maklerin ihr das Potenzial von Botigalli präsentiert, sieht sie einen unbewohnten Ort, der dem Verfall ausgesetzt ist. Für die Förderung der lokalen Wirtschaft habe die Gemeinde beschlossen, die Häuser für jeweils einen Euro zu verkaufen. Und wer sein Haus sanieren möchte, könne die Handwerker aus der Umgebung beauftragen. Am Ende, so der Plan, hätten alle etwas davon.

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Fabian Ritter: Wir Wale

Wenn wir Geschichten aus den Genres Fantasy und Science-Fiction lesen, baut die Unterhaltungsindustrie auf sympathische Helden, die gegen das gigantisch Böse kämpfen, beziehungsweise den drohenden Untergang bestimmter Menschengruppen verhindern. Die Geschichte David gegen Goliath findet viele Kleider. Niemand scheint müde zu werden, sie in all ihren Facetten zu lesen, weil das Gute eben siegen muss.

Eine nicht so gängige, utopische Geschichte könnte so gehen: Ein Volk lebt friedlich miteinander, weil es nur ein Wir gibt. Wer die Führung der Gruppe übernimmt, hat hierfür die beste Qualifikation und nutzt diese ausschließlich zum Allgemeinwohl. In der Regel werden diese Fähigkeiten über Jahrzehnte hinweg geschult. Uraltes Wissen geht von der Mutter auf die Tochter über und später auf deren Tochter. Es scheint, als gäbe es hier schon von Anfang an das Matriarchat. Man stelle sich ein harmonisches Miteinander vor, in dem jeder lernen darf, was er will und seinen Platz in der Gesellschaft hat. Die hochentwickelte Kultur ist genauso komplex und effizient wie die Kommunikation untereinander. Sie produziert keinen Müll und braucht kein Handy, um sich über weite Strecken miteinander auszutauschen.

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Jardine Libaire: Dein Herz, ein wildes Tier

Das Lager in der Einsamkeit hätte eine Zuflucht für Außenseiter werden können, insbesondere für Menschen ohne Ausbildung und Perspektive. Doch der Drogenboss Tim hatte seine eigenen Pläne, als ihm die Aufsicht über das ehemalige Pfadfinder-Lager in Oklahoma übertragen wurde. Weit weg von allem lebte er dort mit einer wilden Gruppe von Außenseitern. Sie hingen ab, soffen, nahmen Drogen, fuhren mit ihren Bikes durch die Gegend, und immer wieder wurden in der Scheune Drogen gekocht.

So sah das Leben von Ernie, Coral, Staci und Ray unter Tims „Herrschaft“ aus. Jeden Tag arrangierten sie sich irgendwie, waren irgendwie unglücklich und hatten keine Idee, wie es mit ihnen weitergehen sollte.

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Ken Stornes, Heidi Friedrich: Mein Leben als letzter Wikinger

Der norwegische Extremsportler Ken Stornes sieht das Besondere, nicht das Gewöhnliche. „Die Oberfläche des Normalen interessiert mich nicht. Für mich ist das Leben … wie das Skript eines fulminanten Kinofilms. Und ich bin die Hauptfigur darin.“ (S. 197)

Vielleicht hat er aus diesem Grund seiner Biografie den Titel Mein Leben als letzter Wikinger gegeben. Die Faszination der nordischen Mythen hat sein Onkel ihm schon in seiner Kindheit nahegebracht. Damals besuchte Ken seinen Onkel häufig, wenn dieser seine Schafherde hütete. In der Einsamkeit erzählte er ihm dann die unzähligen Geschichten von Helden und ihren Kämpfen. Heute kennt Ken Stornes zahlreiche Gleichgesinnte, die das Wikingerleben und deren Ideale zelebrieren. Sie alle bevorzugen ein archaisches Leben in der Natur und die Bewahrung alter Traditionen.

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Anette Strohmeyer: Die Frau und der Fjord

Die Geologin Gro wird die Frau vom Fjord. In den Lofoten hat sie eine einsame Insel mit einem Fjord entdeckt, den die Einheimischen Die Heimsuchung nennen. Dort steht ein verlassenes Holzhaus in der Nähe eines Bootsstegs. Die Stille und Einsamkeit sprechen Gro an. Hier will sie ihre Trauer verarbeiten und heilen. Doch die herbeigesehnte Ruhe ist trügerisch. Denn immer wieder geschieht etwas, dass ihr Eremitenleben aus dem Takt bringt.

„Es war anstrengend gewesen, sich unter Leute zu begeben. Sich vorher zu waschen, ordentliche Kleidung anzuziehen und ein Gesicht aufzusetzen, das keinen dazu veranlasste, sie anzusprechen.“ (S. 12)

Die in Göttingen geborene Autorin Anette Strohmeyer ist eines Tages in den Norden gezogen. Sie wohnte eine Weile in Kopenhagen. Heute lebt sie auf einer dänischen Insel. Ähnlich wie ihre Romanheldin Gro liebt sie den Blick auf das Meer. Sie verarbeitet ihre Erfahrungen in ihren Büchern, die als Romane, Krimis und Hörspiele auf unterhaltsame Weise zu lesen und hören sind.

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Lukas Erler: Winter’s Game

Die Anwältin Carla Winter fällt auf. Sie ist nicht nur sehr attraktiv, sondern auch in ihrem Beruf erfolgreich. Der Autor Lukas Erler hat inzwischen seinen dritten Kriminalroman mit dieser starken und eigensinnigen Anwältin in die Welt der Lesenden geschickt. Er beginnt mit einer gescheiterten Entführung. Bei dem anschließend provozierten Autounfall wird Carla verletzt und ihr Beifahrer getötet. Nachts im Krankenhaus sieht Carla eine Griechin, die scheinbar verwirrt durch die Gänge läuft. Irgendetwas an dieser Frau spricht Carlas Hilfsbereitschaft an und weckt ihre Neugier. Wenig später erfährt sie, jemand habe der Griechin eine schwere Kopfverletzung zugefügt und sie mehr tot als lebendig am Flussufer abgelegt. Den Grund für diese Brutalität will Carla herausfinden. Wer macht so etwas? Was will dieser Täter verbergen?

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Judith Mohr: I wie immer ich

Im zweiten Jugendroman von Judith Mohr ignoriert der vierzehnjährige Lennox, dass alles Konsequenzen hat. Als er von alten „Freunden“ angestachelt wird, auf ein Spielgerät in einem Kindergarten einen obszönen Spruch zu sprühen, will er nur seine Wut herauslassen. Er ist wütend über eine schlechte Note und dass seine beiden besten Freunde nicht für ihn da sind. Viel zu schnell ist der „Spaß“ vorbei. Lennox wird bestraft: Polizei, Jugendrichter, die Verpflichtung soziale Stunden abzuleisten und dies alles in den Herbstferien. Und sein Vater verhängt noch weitere Strafen, unter anderem darf er nicht mit der Familie nach Sardinien reisen, sondern soll bei seiner Tante wohnen. Lennox wird so stark mit Regeln und Misstrauen überhäuft, dass er sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es zuhause jemals wieder gut wird.

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Lukas Maisel: Wie ein Mann nichts tat und so die Welt rettete

Über das, was in der Nacht des 26. September 1983 geschah, durfte Stanislaw Petrow nie sprechen. Später haben andere geredet, und es gab Berichte hierüber. Letztendlich hat nur einer den Preis dafür gezahlt, dass es nicht zu einem dritten Weltkrieg gekommen ist. Seit diesem Tag sterben die Menschen nach wie vor aus anderen Gründen, aber nicht durch eine Atombombe.

„Manche Menschen streben nach Macht. Sie wollen Millionen ihren Willen unterwerfen und Geschichte schreiben. Andere Menschen … tun Tag für Tag gewissenhaft ihre Arbeit – und finden sich in einer Situation wieder, in der sie über die Zukunft der Menschheit entscheiden müssen.“ (S. 10)

Der in Zürich geborene Autor Lukas Maisel kam über Umwege zum Schreiben. Die Macht des Wortes erfuhr er jedoch schon viel früher, als er eine Lehre zum Drucker absolvierte. Danach studierte er Literatur, und seit 2020 darf man seine Romane lesen, die mit Preisen ausgezeichnet worden sind. Die kurze Form scheint ihm zu liegen. Denn nach seiner Novelle Tanners Erde veröffentlichte er in diesem Jahr eine Erzählung, die es in jeder Hinsicht in sich hat.

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