David Safier: Die Liebe sucht ein Zimmer

Bei einem Film würde man vorab lesen: dieser Film beruht auf wahren Begebenheiten. Hier ist es ein Theaterstück, das diesem bewegenden Roman zu Grunde liegt. Bei Recherchen für sein Buch „28 Tage“, ist David Safier auf dieses Theaterstück gestoßen, das im Januar 1942 im Warschauer Ghetto aufgeführt worden ist. Danach nicht mehr. Das Manuskript war in die Versenkung geraten. Safier hat dieses Manuskript leicht bearbeitet und das Theaterstück zur Handlung seines Romans gemacht.

Im Mittelpunkt steht das Ensemble des Femina-Theaters, das damals eines von insgesamt fünf Theatern im Warschauer Ghetto gewesen ist. Im Stück geht es um zwei junge Paare, die vom Wohnungsamt dasselbe Zimmer zugewiesen bekommen haben und nun sehen müssen, wie sie damit klarkommen. Wohnungsnot – etwas anderes zu finden, war ausgeschlossen. Damals lebten rund 460.000 Menschen auf etwa drei Quadratkilometern zusammengepfercht, umgeben von einer hohen Mauer mit Stacheldraht. Krankheiten wie Typhus waren an der Tagesordnung, der Tod gehörte zum Leben, nicht nur durch die Nazis, die wahllos Menschen erschossen, die sich ihnen in den Weg stellten. Hunger und Leid gehörten ebenso zum Alltag wie die Angst vor der nächsten grundlosen Kontrolle durch die Nazis. Die Schauspieler versuchten, den Menschen ein bisschen Freude im Alltag zu bereiten, sie zum Lachen zu bringen und sie für ein paar Stunden, die Angst vergessen zu lassen.

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Henrike Engel: Elbnächte: Die Lichter über St. Pauli

Ein gelungener Auftakt zu einer neuen Dilogie, der uns ins Hamburg des Jahres 1913 führt und uns drei Menschen begleiten lässt, die völlig unterschiedlich sind und dennoch einiges gemeinsam haben. Nicht zuletzt, ein neues, selbstbestimmtes Leben zu beginnen.

Louise, die an der Seite ihres Mannes bislang ein unbeschwertes, sorgenfreies Leben geführt hat, muss plötzlich auf sich alleine gestellt zurechtkommen. In einem Hamburger Nobelhotel wird sie eines Morgens sehr unsanft geweckt mit der Nachricht, ihr Mann sei in der Nacht bei einem Duell ums Leben gekommen. Nach dem ersten Schock allerdings zweifelt Louise an der Wahrheit dieser Mitteilung. Das kann nicht sein. Viktor ist mit all seinen Papieren, Wertgegenständen und ihrem Bargeld verschwunden. Louise ist mittellos. Wie soll es für sie weitergehen? Es bleibt ihr nichts anderes übrig als ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Das ist ohne Geld und fremde Hilfe nicht einfach. Ein glücklicher Zufall lässt sie Ella kennenlernen, die in Hamburg „gestrandet“ ist, nachdem ihr eine waghalsige Flucht aus dem Bordell gelungen ist, in dem sie seit Jahren zur Prostitution gezwungen worden war.

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Francois Bégaudeau: Die Liebe

Dieser eher stille, unaufgeregte Roman hat grade mal etwas mehr als hundert Seiten – Lektüre für einen Nachmittag. Das Cover ist schwungvoll, fällt auf. Großzügig geschwungene Schreibschrift, Autorenname und Titel gleichermaßen hervorgehoben, macht neugierig.

Es passiert nicht viel in diesem kleinen Roman, der uns die tiefe Liebe zwischen Jeanne und Jacques schildert. Völlig unspektakulär eigentlich, ihr Leben verläuft wie das von Millionen anderer Paare, sie verlieben sich, heiraten, bekommen einen Sohn, der später sehr erfolgreich wird und auf den sie sehr stolz sind. Sie kommen nie weg aus dem Dorf, der Region, in der sie aufgewachsen sind, aber sie schaffen es, aus ihrem gemeinsamen und ihrer beider Leben was zu machen. Jeanne will nicht „in dem Kabuff hinter der Rezeption“ des kleinen Hotels, versauern, in dem sie arbeitet, als sie Jacques kennenlernt, der – nicht unbedingt der Hellste, offenbar – damals in der Firma seines Vaters mitarbeitet, die grade Umbauarbeiten am Hotel vornimmt. Jeanne schafft es bis zur Chefsekretärin bei Michelin, Jacques zu einem eigenen Unternehmen, mit dem er durchaus erfolgreich ist.

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Claire Winter: Die Erbin

Cosima Liefenstein wird Mitte der 1930er Jahre in eine ebenso wohlhabende wie einflussreiche Industriellenfamilie geboren. Ihre Kindheit ist zwar einigermaßen sorgenfrei und unbeschwert, aber auch geprägt von der Herrschaft der Nationalsozialisten, dem 2. Weltkrieg und den politischen Veränderungen. Ihr Vater, Edmund, der jüngste von drei Brüdern, beugt sich als einziger nur widerstrebend der Autorität seines Vaters, der als Unternehmer schon früh mit den Nationalsozialisten zusammenarbeitet und von ihnen profitiert. Die Batteriewerke LIefenstein florieren und expandieren, die Familie lebt im Wohlstand. Theodor und Albert, Edmunds Brüder sind beide in die Firmenleitung eingebunden, Edmund nicht. Als einziger der Brüder wird er an die Front eingezogen, sein Vater hat es bewusst nicht verhindert. Er sieht in Edmund einen Schwächling, einen Feingeist, der im Krieg „endlich ein Mann werden“ soll. Die gesamte Familie lebt in Berlin in einer vornehmen Villa zusammen, später übersiedelt zunächst Albert mit seiner Frau nach Bonn, wo die Firma ein neues Werk gründet, das Albert leitet. Cosima wird betreut von einem Kindermädchen, zu dem sie eine enge, vertrauensvolle Bindung aufbaut und das später in ihrem Leben auch weiter eine Rolle spielen wird.

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Renée Rosen: Ein Leben für Barbie

„Ein Leben für Barbie“ trifft es wirklich exakt. Ruth Handler, die Frau hinter der Puppe, hat wirklich ihr komplettes Leben für diese Puppe „geopfert“. Obwohl, opfern ist nicht ganz der passende Ausdruck, sie hat ihr Leben ihrer Idee von einer Puppe untergeordnet. Einer Puppe, die kleine Mädchen dazu anregen sollte, sich nicht nur als Puppenmutter zu sehen, sondern den Blick zu weiten und vielleicht davon zu träumen, eines Tages eine unabhängige, erfolgreiche Frau mit eigenen Aufgaben und Zielen zu sein. Sich nicht mehr nur unterzuordnen und zufrieden zu sein mit der Rolle der Hausfrau und Mutter, die Ende der 1950-er Jahre und auch lange danach noch für Mädchen und junge Frauen einfach vorgegeben war. Die Idee zu dieser Puppe in Gestalt einer erwachsenen Frau kam Ruth bei einer Europareise mit ihrer Tochter, als sie die „Bild“ Puppe Lilli entdeckte. Zurück in den USA, ist Ruth davon überzeugt, dass ihre Firma, Mattel, unbedingt eine ähnliche Puppe auf den Markt bringen müsse. Die Widerstände sind groß. Weder ihr Mann Elliot noch ihr Chef-Ingenieur Jack Ryan können der Idee zunächst viel abgewinnen, aber Ruth bleibt hartnäckig. Sehr anschaulich wird hier geschildert, was es bedeutet, eine neue Sequenz einzuführen. Auf Puppen war Mattel bisher nicht spezialisiert.

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Ina Bach: Goldene Wege: Die Münchner Ärztinnen 03

Wir schreiben das Jahr 1905. Die Freundinnen Lulu, Elsa und Fanny haben es nach langen Mühen und viel Geduld und Ausdauer endlich geschafft, ganz offiziell an der Universität in München Medizin studieren zu können. Doch die männlichen Studienkollegen wie auch viele der Professoren machen es ihnen nicht leicht. Als Frauen werden sie einfach nicht ernst genommen. Man zweifelt daran, dass sie die gleichen kognitiven Fähigkeiten und Kompetenzen haben wie ihre männlichen Kollegen. Besonders Fanny, die ja bereits unter dem Namen ihres Bruders Anton ein komplettes Studium absolviert hat, leidet unter der demütigenden Situation. Dass ihr das alles sehr leicht zu fallen scheint und sie einfach immer die passenden Antworten hat, macht die Kommilitonen wie Dozenten misstrauisch. Aufgrund ihrer finanziellen Situation sieht Fanny sich gezwungen, nebenher als Assistentin einer der wenigen Münchner Ärztinnen zu arbeiten und den harten und entbehrungsreichen Alltag einer niedergelassenen Ärztin kennenzulernen. Das hält sie aber nicht davon ab, ihren Traum weiterzuverfolgen. Lulu und Elsa, beide aus „besserem Hause“ haben so ihre eigenen Probleme, unter anderem mit der gemeinsamen Freundin Änny, die droht in Schwermut zu versinken und der sie gerne helfen möchten.

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Nicola Förg: Verdammte Weiber

Im 16. Teil der Alpenkrimis ist Hauptkommissarin Irmi Mangold seit Kurzem in Pension. Ein Zustand, an den sie sich erst noch gewöhnen muss, so ganz angefreundet hat sie sich damit noch nicht. Es bleibt ihr allerdings auch nicht viel Zeit dazu, denn sie wird recht bald schon wieder in einen Fall verwickelt, der ihre kriminalistischen Fähigkeiten fordert.

Mehr von ihren Freunden dazu gedrängt als aus eigenem Antrieb hat Irmi sich überreden lassen, einen Skikurs für Wiedereinsteiger oder solche, die in fortgeschrittenem Alter mit dem Skilaufen anfangen wollen, zu buchen. Eine Woche – das sollte ihr ganz gut tun, auch wenn sie einigermaßen skeptisch an die Sache rangeht. Sie tut sich ein bisschen schwer mit der Koordination, die Ski wollen nicht immer so wie sie, und dass ein bisschen mehr Geschwindigkeit ganz hilfreich sein könnte, wenn man einen Stemmbogen fahren möchte, das gefällt Irmi auch nicht unbedingt. Viel schöner findet sie die Gespräche mit Cordula, ihrer Skilehrerin, in den Pausen oder am Abend in ihrer Ferienwohnung. Coci, wie sie genannt wird, ist eine Frau, die viel Interessantes erzählen kann. Coci ist sehr engagiert in allem, was sie tut, kompromisslos fast, manchmal aufbrausend, aber immer nur, wenn es um Menschen geht, nie, wenn es um Tiere geht.

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Caren Benedikt: Stürmische Brise

Der „Ahlbecker Hof“ und das (heute) „Strandhotel Atlantic“ auf Usedom sind auch heute noch Hotels der Luxusklasse. Der „Ahlbecker Hof“ war zur Zeit, in der der Roman spielt das erste Haus am Platz, das „Atlantic“ war gerade im Bau. Beide Häuser prominent gelegen an der Strandpromenade, besucht und gebucht von den Reichen und Adligen der damaligen Zeit, berühmt für Stil und Ambiente, kulinarische Genüsse und ebenso perfekten wie diskreten Service. Die Geschichte um die Hoteliers-Familie von Höveln ist also keineswegs rein fiktiv, sondern orientiert sich an historischen Hintergründen.

Nach dem viel zu frühen Tod seiner Frau Benedikte, führt August-Wilhelm von Höveln den „Ahlbecker Hof“ und die weiteren, kleineren Hotels auf der Insel alleine, allerdings mit einem Stab von Mitarbeitern, die bestens ausgebildet und voll vertrauenswürdig sind. Benedikte hat mit ihrem Geschmack und ihrer Liebe zum Detail den Hotels ihren Stempel aufgedrückt und auch auf der Insel hat sie ein hohes Ansehen genossen, weil sie es Kindern aus ärmeren Verhältnissen möglich machte, eine Schule zu besuchen, die sie organisiert und finanziert hat. Dafür und für ihr warmherziges Wesen wurde sie von den Inselbewohnern geliebt. Dass sie ein Geheimnis mit ins Grab genommen hat, weiß man nicht.

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Anne Stern: Wenn die Tage länger werden 

Ein wunderbar einfühlsamer, emotionaler, manchmal traurig machender und doch positiver Roman.
Lisa, die Protagonistin sieht man direkt vor sich. Immer abgehetzt, eigentlich nie mal richtig ausgeschlafen, voller Selbstzweifel, weil sie glaubt, es keinem, auch sich selbst nicht, recht zu machen. Ihr Selbstbewusstsein ist irgendwann zwischen „ich werde sicher keine berühmte Violinistin“ und Pauls Geburt auf der Strecke geblieben. Statt Violinistin zu werden, wie ihre Mutter sich das erträumt hatte, schließlich hat Lisa das Talent vom Großvater geerbt, hat Lisa Musik für Lehramt studiert und unterrichtet mehr oder weniger begeistert. Seit Janusz, Pauls Vater vor gut einem Jahr aus beruflichen Gründen von Freiburg nach Oldenburg gezogen ist, lebt Lisa mit dem inzwischen sechsjährigen Paul in einer kleinen, ständig unaufgeräumten Wohnung, alleinerziehend mit Teilzeitstelle, ohne wirkliches Back up, wenn’s mal hakt. Lisas Verhältnis zu ihrer Mutter ist nicht besonders gut, schon gar nicht innig, Barbara ist gehört nicht zu der Sorte Oma, die sich drum reißt, Zeit mit dem Enkel zu verbringen. Auch wirkliche Freundinnen hat Lisa nicht, auf die sie zurückgreifen könnte. Da ist eigentlich nur Nina, aber deren Leben ist völlig anders als Lisas.

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Hendrik Streeck: Das Institut: Im Schatten der Wissenschaft

Eigentlich ja naheliegend, dass Wissenschaftler auch gerne mal das Genre wechseln. Immer nur Fachbücher, Publikationen in Fachmagazinen oder Sachbücher, das weckt vielleicht ja auch die Lust, mal was Neues zu probieren und einen Krimi zu schreiben. Mit „Das Institut“ hat der renommierte Virologe Hendrik Streeck jetzt einen wirklich packenden Thriller geschrieben, der – nicht unbeabsichtigt – auch gute Einblicke in die Welt des Wissenschaftsbetriebes gibt. Ein Metier, in dem er sich auskennt. Die Arbeit in Forschungslaboren ist geprägt von Konkurrenzdenken, vom Ringen um Forschungsgelder, um Anerkennung und Renommée, das man mit Publikationen erwirbt, die in den richtigen Fachmagazinen erscheinen. Aber auch hier geht es wohl nicht um „wer hat was geschrieben und entdeckt“, sondern darum, wer bereit ist, den Erfolg eines z.B. Assistenten auch dem zuzugestehen, dem er gebührt. Ein Haifischbecken, in dem oft nur der Stärkere überlebt und in dem auch mal mit unlauteren Mitteln gekämpft wird.

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