Francois Bégaudeau: Die Liebe

Dieser eher stille, unaufgeregte Roman hat grade mal etwas mehr als hundert Seiten – Lektüre für einen Nachmittag. Das Cover ist schwungvoll, fällt auf. Großzügig geschwungene Schreibschrift, Autorenname und Titel gleichermaßen hervorgehoben, macht neugierig.

Es passiert nicht viel in diesem kleinen Roman, der uns die tiefe Liebe zwischen Jeanne und Jacques schildert. Völlig unspektakulär eigentlich, ihr Leben verläuft wie das von Millionen anderer Paare, sie verlieben sich, heiraten, bekommen einen Sohn, der später sehr erfolgreich wird und auf den sie sehr stolz sind. Sie kommen nie weg aus dem Dorf, der Region, in der sie aufgewachsen sind, aber sie schaffen es, aus ihrem gemeinsamen und ihrer beider Leben was zu machen. Jeanne will nicht „in dem Kabuff hinter der Rezeption“ des kleinen Hotels, versauern, in dem sie arbeitet, als sie Jacques kennenlernt, der – nicht unbedingt der Hellste, offenbar – damals in der Firma seines Vaters mitarbeitet, die grade Umbauarbeiten am Hotel vornimmt. Jeanne schafft es bis zur Chefsekretärin bei Michelin, Jacques zu einem eigenen Unternehmen, mit dem er durchaus erfolgreich ist.

Die ganze Erzählung ist quasi ein einziger Satz. Es gibt keine Kapitel, nicht mal offensichtliche Absätze, keine Zäsuren, auch die einzelnen Stationen ihrer Geschichte gehen in der Erzählung von einem Satz zum nächsten ineinander über. Eigentlich ist man gezwungen, von Anfang bis zum Ende durchzulesen, es gibt keinen Punkt, an dem man eine Pause machen könnte, es bietet sich nichts an. In welcher Zeit die Erzählung spielt, wird auch nur durch Randbemerkungen deutlich, wie etwa „Pompidou ist gestorben“ – aha. 1974. Dann wieder wird einmal von 1984 gesprochen, oder davon, dass Freunde den Moreaus eine Reise zum 35. Hochzeitstag geschenkt haben. Ansonsten leben wir ohne konkrete Zeitbezüge. Aber das ist auch verzichtbar, denn das Leben von Jeanne und Jacques könnte sich jederzeit so wieder abspielen, oder auch zwanzig Jahre früher stattgefunden haben. Es plätschert so dahin und doch ist es besonders. Besonders, weil es für beide einfach nichts anderes gibt. Jeanne hat Jacques und Jacques hat Jeanne und beide haben ihren Sohn Daniel. Sie gehen gemeinsam durch fünfzig Ehejahre mit Höhen und Tiefen und Fehlern, die sie sich verzeihen. Eben „bis der Tod euch scheidet“. Und selbst das schafft er nicht lange.
Eine unaufgeregte, durchaus bewegende, auch romantische, wenn auch unspektakuläre Erzählung, die einen schon deswegen nicht loslässt, weil der Text es nicht zulässt. Im Stil sehr französisch, was dem Übersetzer sehr gut gelungen ist, zu übernehmen.

Francois Bégaudeau: Die Liebe – Roman einer Ehe
aus dem Französischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
Piper, April 2025
112 Seiten, Hardcover, 20,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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