Den Namen der Autorin Charlotte Wood kennt man vielleicht noch von ihrem vorangegangenen, ebenfalls hier besprochenen Roman Ein Wochenende. Die Handlung um die Freundschaft dreier über siebzigjähriger Frauen, die sich nach dem Tod der vierten Freundin im Bunde in deren Wochenendhaus treffen, enthüllt einige verblüffende Wahrheiten und Parallelen, in denen sich so manche LeserInnen wiedergefunden haben.
Charlotte Woods neuer Roman „Tage mit mir“ wurde also bereits mit Spannung erwartet. – Um es gleich und kurz vorwegzunehmen: „Tage mit mir“ ist gänzlich anders aufgebaut als sein Vorgängerroman. Das neue Buch von Charlotte Wood liest sich wesentlich nüchterner und unaufgeregter und trifft deshalb vielleicht die eine oder andere Erwartungshaltung nicht ganz:
„Tage mit mir“ ist eine Art persönlicher Zustandsbericht einer überforderten, namenlosen Ich-Erzählerin. Diese Protagonistin beschreibt ihre Auszeit in einem Kloster. Keinesfalls fromm oder gar gottesfürchtig, passt sie sich freiwillig dem Alltag der Klosterschwestern an. Frühes Aufstehen, beten, singen, Gartenarbeit, frühes zu Bett gehen. Und dazwischen: Ganz viel Zeit für eigene Gedanken. Als ihr Aufenthalt im Kloster vorbei ist, kehrt sie zurück in ihr Stadtleben, um nicht lange danach endgültig alles aufzugeben, und sich dem Klosterleben unterzuordnen. Einerseits ist dies für die Protagonistin eine Flucht, hauptsächlich aber sucht sie die Einsamkeit, um zu sich selbst zu finden. Ihre Reflexionen sind vielfältig und weit zurückreichend. So arbeitet sie gedanklich ihre gescheiterte Ehe wie auch die Trauer um die verstorbenen Eltern auf. Sie lässt ihre Kindheit und Jugend Revue passieren oder setzt sich mit ihrem Frust über Ressourcenverschwendung auseinander. Dazwischen lesen sich die Episoden aus dem Klosteralltag, der außer den asketischen Ritualen von einer anhaltenden Mäuseplage, der Rückführung von Überresten einer in Thailand verstorbenen Klosterschwester, mühsamer Gartenarbeit und dem Aufeinandertreffen mit einer ehemaligen Mitschülerin, die einstens von allen gemobbt wurde, geprägt ist.
Es geht um unverarbeitete Vergangenheit, um Verzeihen und um Verzicht in einer sich gleichförmig drehenden Welt im Kloster, die ohne Spannung, aber von viel Melancholie geprägt ist.
Auf ein solch ruhiges Buch muss man sich einlassen wollen. LeserInnen, die auf einem Entschleunigungstrip sind oder das eigene Leben hinterfragen und nach Antworten suchen, werden sich hier wiederfinden.
Kurzinfo über die Autorin: Charlotte Wood ist Journalistin und Autorin und lebt in Sydney/Australien. Sie hat mehrere Romane und Sachbücher verfasst und wurde unter anderem mit dem Stella Prize und dem Prime Minister’s Literary Award ausgezeichnet.
Charlotte Wood: Tage mit mir.
Aus dem australischen Englisch von Michaela Grabinger.
Kein & Aber, Oktober 2023.
256 Seiten, gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.