Es ist ein warmes, sonniges Weihnachtswochenende an Australiens Westküste. Drei gealterte Freundinnen treffen sich dort in New South Wales im Strandhaus ihrer verstorbenen Freundin Sylvie. Die Frauen, allesamt über 70, wollen hier zusammen die Weihnachtstage verbringen, bevor das Haus verkauft werden soll. Außerdem sollen sie sich auf Wunsch von Sylvies Mann von den Hinterlassenschaften seiner verstorbenen Frau aussuchen und mitnehmen, was ihnen gefällt, bzw. was sie gebrauchen können. So sind die Festtage bereits im Vorfeld mit der Vorahnung verbunden, dass sie eher zu einem Pflichteinsatz werden als zu genießenden Urlaubstagen mit einem schönen Weihnachtsessen, was sich dann auch so bewahrheitet. Sie beginnen mit einer Putz- und Entrümpelungsaktion, bei der jede der Drei die eigenen Gedankengänge in Reminiszenz zu Sylvie verknüpft. Sie lassen unterschiedlichste Situationen Revue passieren und setzen sich damit auseinander. Dabei sind die Frauen nicht nur mit der beklemmenden Situation konfrontiert, dass die erste von ihnen bereits tot ist. Auch das bloße Aufeinandertreffen in ihrer verbliebenen Konstellation in dem verlotterten Strandhaus bereitet ihnen Probleme.
Nun kommt zum Tragen, dass immer Sylvie es gewesen war, die alle irgendwie vereint hat. Ebenso wie sich ihre Gemeinschaft untereinander im Laufe der vierzigjährigen Freundschaft verändert hat, haben sich auch die Freundinnen unterschiedlich weiterentwickelt. Die Spannungen zwischen Jude, der Organisatorin unter ihnen, Adele, der Schauspielerin, die ihre besten Zeiten längst hinter sich hat und Wendy, die ihren altersschwachen Hund Finn mitgebracht hat, verstärken sich in den Stunden ihres Zusammenseins. Außerdem mischen zwei nicht erwartete Gäste die Stimmung noch mehr auf. Viel Unausgesprochenes und Lügen aus der Vergangenheit stehen im Raum. Im Nachhinein und mit dem entstandenen Abstand können manche Dinge jetzt in einem anderen Licht wahrgenommen werden.
Dazu kommt, dass die einzelnen Frauen nun im Alter mit unterschiedlichen Defiziten zu kämpfen haben, die nicht nur physischer Natur sind. Ebenso kommen ihre unterschiedlichen Charaktere mit teils verminderter Empathiefähigkeit oder geringerer Toleranzschwelle umso mehr zum Vorschein. Am Ende müssen alle irgendwie erkennen, dass sich die jeweilig eigene Wahrnehmung ihres Lebens von der Sicht der anderen unterscheidet. Vieles, was über die Jahre verdrängt, aus Rücksicht oder falscher Scham verschwiegen wurde, ist plötzlich präsent. Sein und Schein wird zur erschreckenden Wahrheit und Selbsterkennung.
Der Schluss zeigt auf, wie wohltuend es sein kann, wenn jemand den Anfang macht und es gelingt, die Sache, bzw. die anderen an die Hand zu nehmen und so Zukunftsgedanken möglich werden.
Ansprechende, kluge Unterhaltungslektüre mit realistischen und passenden Betrachtungen über Freundschaft und Veränderungen im Alter, die ohne lakonisches Geplänkel auskommt.
Charlotte Wood: Ein Wochenende.
Kein & Aber, Mai 2020.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.
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