Benedict Wells: Die Geschichten in uns: Vom Schreiben und vom Leben

Wie eine private Begegnung mit einem Autor, der aufschlussreich und insprierend über sich und sein Schreiben spricht.

Benedict Wells wurde 1984 in München geboren. Mit nur 23 Jahren wurde er vom Schweizer Verlag Diogenes unter Vertrag genommen. Seine Bücher sind bislang in 38 Sprachen erschienen.

In unserem Leselust-Portal sind verschiedene Rezensionen von Benedict Wells‘ Büchern zu finden:
hard-land
die-wahrheit-ueber-das-luegen-zehn-geschichten
vom-ende-der-einsamkeit
Fast genial
Spinner

Das neue Buch von Benedict Wells nun ist zum einen ein sehr ehrlich und persönlich gehaltener Text, zum anderen ist es ein Schreibratgeber, in dem er über seine Schultern beim Arbeiten blicken lässt. Der Weg zum erfolgreichen Autor kann steinig und lang sein. Auch Benedict Wells‘ Weg war lange nicht von Erfolg gekrönt. Eingehend führt er Misserfolge und Fehler aus und macht Mut für Ausdauer und Disziplin.

Immer hat Wells Geschichten erfunden, weil er seine eigene, die stets zu privat war, nicht erzählen konnte. Jetzt ist es anders. Wir erfahren von Benedict Wells‘ Kindheit, der Scheidung seiner Eltern und seinem Verhältnis zu Mutter und Vater, von seinem Leben im Internat, von der NS-Vergangenheit der Vorfahren, derentwegen er seinen eigentlichen Nachnamen von Schirach geändert hat, von seinem frühen Zugang zur Literatur, was er als Privileg bezeichnet. Er beschreibt, wie er seinen ureigenen Weg zum Schreiben gefunden, wie er seine gescheiterten Fassungen zu verbessern versuchte, und was er dabei gelernt hat.

Im zweiten Teil des Buchs lesen wir vom Handwerk des Schreibens und wie ein Buch entsteht. Benedict Wells lässt die Leser mit Beispielen seiner eigenen Herangehensweise an Texte teilhaben. Weiter geht es um das mühsame und langwierige Überarbeiten und verschiedene technische Erläuterungen.

Am Ende gewährt uns der Autor einen Blick in seine noch unfertigen Texte. Immer wieder bezieht er auch Ratschläge und Beispiele aus weiteren Schreibratgebern, die er selbst zu Hilfe nahm, mit ein. Ebenso finden sich viele interessante Aussagen anderer bekannter Schriftsteller (zum Beispiel immer wieder John Irving) zu ihrem Schreiben im Text.

Wir lesen von den Problemen, die der Buchmarkt mit sich bringt, wie man mit Rückschlägen umgeht, von Zwängen, Schwierigkeiten mit Sätzen und von gelungenen Sätzen oder davon, was einem Text Tiefe verleiht und was insgesamt gutes Schreiben ausmacht.

Auch Benedict Wells‘ persönliche Inspirationen wie die Musik oder andere Romane, mit denen er sich beschäftigt hat, werden erwähnt. Es geht um Gefühle und Grundstimmungen, die das Schreiben beeinflussen, um die Suche nach ihrem Kern. Wir lesen über Reisen in die eigene Vergangenheit und von Persönlichkeitsveränderungen, die ein Text mit sich bringen kann.

Zwischen der Offenlegung seines Schreibprozesses schimmert Benedict Wells‘ ureigene Faszination für Literatur immer durch, denn Lesen und Schreiben sind Rettungsanker für ihn.

So ist ein sympathisches, emotionales Buch entstanden, das sich wohltuend von vielen anderen, rein theoretisch gehaltenen Schreibratgebern unterscheidet.

Benedict Wells: Die Geschichten in uns: Vom Schreiben und vom Leben.
Diogenes, Juli 2024.
400 Seiten, Taschenbuch, 26,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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