Caryl Lewis (Jahrgang 1978) lebt in Wales, sie ist Autorin und Dramaturgin. Für die BBC schreibt sie Drehbücher. Ihr Roman „Wilder Honig“ ist am 13. September 2025 in einer Übersetzung von Monika Köpfer bei Klett-Cotta erschienen.
„Wilder Honig“ ist eine Geschichte von Bienen und Menschen
Im Buch lernen wir zuerst Hannah kennen, deren Ehemann John gerade verstorben ist. Hannah lebt in ihrem Elternhaus in dem kleinen walisischen Ort Berllan-Deg, den sie noch nie verlassen hat. John war Linguist und Imker. Sein Leben bestand aus Büchern und Bienen. Er hinterlässt Hannah elf Briefe. Hannahs Haus ist von einem alten Obstbaumgarten umgeben, der zusehends verwildert. Zu Johns Beerdigung besucht Hannahs jüngere Schwester Sadie sie in Berllan-Deg. Die Schwestern haben sich lange nicht mehr gesehen. Hannah zieht sich in ihrer Trauer zurück, Sadie ordnet Johns Nachlass und lebt sich nur langsam wieder in ihrem alten Zuhause ein. Johns Testament enthüllt, dass er eine Tochter hat. Hannah, die sich vergeblich ein Kind gewünscht hat, ist entsetzt. Sie fühlt sich um ihre Liebe und ihr Leben mit John betrogen. Trotzdem will Hannah die junge Frau namens Megan kennenlernen. Also reist Megan auf Einladung von Sadie nach Berllan-Deg. Hannah empfängt sie kühl. Sadie hat nach der Trennung von ihrem Mann endlich zu sich selbst gefunden und sich eingestanden, dass sie Frauen liebt. Allerdings hat sie ihre Freundin Anne vor den Kopf gestossen und wurde von ihr verlassen.
Die drei Frauen beginnen, sich um den Obstgarten zu kümmern. Hannah plant eine Verjüngung des Obstbaumbestandes und geht in ihren Plänen auf. Ein junger Mann, Jack, hilft ihr. Und die Briefe von John erklären seine Liebe zu den Bienen und zu ihr.
„Wilder Honig“ ist warmherzig und klug geschrieben
Kitschig?
Nur ein kleines bisschen.
Caryl Lewis hat ein warmherziges Buch über eine junge, eine mittelalte und eine alte Frau geschrieben, die sich neu aufstellen müssen und ihren Leben eine andere Richtung geben. Die Geschichte der drei ist berührend erzählt. Eingebettet in den Jahreszyklus der Natur ändert sich auch das Leben der Figuren. Hannahs Obstgarten steht für das Vergehen, Wachsen und Ernten.
Und durch die Arbeit im Garten kann sie verzeihen, sie findet eine neue Erfüllung und ihr persönliches Glück. Und auch die anderen Figuren der Geschichte, Sadie, Megan und Jack gesunden an dem Obstgarten. Lewis’ Sprache ist liebevoll. Ihre Beschreibungen der Menschen und der sie umgebenden Natur sind bildreich und anschaulich.
Johns Briefe hingegen erfüllen mich als Leserin allerdings mit Ärger, denn sie spiegeln überkommene Glaubenssätze, dass Männer immer schon das machen können, was sie wollen. Nämlich ihrer Leidenschaft nachgehen und ihr Ding machen. Schweigen und sogar Kinder mit anderen Frauen kriegen. Und nachher fällt ihnen ein, wie sehr sie einen doch geliebt haben. Johns Leidenschaft für die Imkerei lässt ihn in den Briefen Parallelen zu seinem Leben mit Hannah ziehen und ihr seine Zuneigung und seine Liebe gestehen. Das hätte er mal besser zu Lebzeiten persönlich gemacht. So sind diese Exkurse in die Bienenwelt zwar interessant, aber die Frauenfiguren in dieser Geschichte sind die tatsächlichen „Heldinnen“.
„Wilder Honig“ von Caryl Lewis ist (trotz des trivialen Titels) ein lesenswertes Buch, das die Hoffnung auf ein erfüllendes und glückliches Leben für Frauen jeden Alters nährt und die Herzen der Lesenden wärmt.
Caryl Lewis: Wilder Honig.
Aus dem Englischen von Monika Köpfer.
Klett-Cotta, 13. September 2025.
288 Seiten, Gebunden, 22,- Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.