Nichts für schwache Nerven. Aber Tsokos-Fans wissen, dass der schreibgewandte Prof. für Rechtsmedizin keine Rücksicht auf die nimmt, denen beim Anblick von Blut oder schon beim Lesen detaillierter Beschreibungen von Wunden, Sektionen oder Auffindsituationen schlecht zu werden droht. Schon ein Blick auf die Innenseite des Covers lässt einen ganz schnell entscheiden, ob man wohl weiterlesen möchte oder lieber doch nicht. Wie immer präzise, sachlich, kompetent und realistisch werden auch im dritten Band um die Rechtsmedizinerin Dr. Sabine Yao, seit Kurzem stellvertretende Leiterin der rechtsmedizinischen Spezialeinheit „Extremdelikte“ beim BKA, die Vorgänge im Seziersaal beschrieben. Schon die meist mehrzeiligen Kapitel-Überschriften verdeutlichen den Stil, in dem hier mehr berichtet als erzählt wird. Kurz und knapp, informativ, strukturiert, präzise und (fast) emotionslos.
Diesmal geht es gleich um zwei Fälle, in denen Sabine Yaos Fachwissen gefragt ist. Zum einen bittet sie der anerkannte Profiler Milan Hasanovic um ihre Mitarbeit in der Soko „Ross“, deren Aufgabe es ist, herauszufinden, wer auf Pferdehöfen in Lübars Tiere ersticht. Zwar nicht unbedingt Sabines Fachbereich, aber die persönliche Bitte des Kollegen vom LKA und die Möglichkeit, neue Einblicke in den Bereich der Rechtsmedizin bei Tieren zu sammeln, reizen sie. Sie sagt zu und kann auch wirklich wesentlich dazu beitragen, dass zunächst die Tatwaffe zweifelsfrei bestimmt und dann auch der Täter überführt werden kann.
Im zweiten Fall geht um den Fund verschiedener Leichenteile, der Hauptkommissarin Monica Monti beschäftigt. Auch hier kann Dr. Sabine Yao wertvolle Unterstützung leisten. Bei der Untersuchung des Torsos, der etwas später als zum Beispiel ein Fuß, gefunden werden konnte, stößt die Rechtsmedizinerin auf ein kleines, aber bedeutendes Detail, das wenig später hilft, den Toten zu identifizieren. Bei diesem Fall werden Sabine und Monica mit Abgründen konfrontiert, die man sich gar nicht vorstellen möchte. Der Täter, ein offenbar onlinesüchtiger Mann, lebt seine perversen Phantasien aus, indem er auf einer Internet-Plattform für Männer Verabredungen zu erotischen Treffen vereinbart, die dann für die „Gäste“ tödlich enden.
Wie immer „stehen wir unmittelbar mit am Tisch“, teilen Gedanken und Informationen mit den Hauptfiguren dieses Krimis und können uns ein sehr realistisches Bild von den Vorgängen machen, die hier beschrieben werden. Nicht überzogen, aber realistisch und schonungslos. Die Protagonisten sind wie immer sympathisch und „ganz normale Menschen“ mit Sorgen und Nöten wie jeder andere auch. Man erfährt das ein oder andere aus ihrem Privatleben, aber es drängt sich nicht auf. Im Vordergrund steht die Arbeit als Rechtsmedizinerin, bzw. Kommissar/in.
Die Erzählperspektiven wechseln immer mal zwischen Ermittlern und Täter, das macht die Geschichte abwechslungsreich, manchmal aber auch ein bisschen langatmig. Insgesamt wieder ein sehr realitätsnaher, spannender Fall, wenn auch nicht ganz so gut wie die beiden ersten Bände um Dr. Sabine Yao als zentraler Figur.
Michael Tsokos: Mit kalter Hand
Droemer, September 2025
325 Seiten, Paperback, 16 Euro 99
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.