A. S. A. Harrison: Die stille Frau

frai„Die stille Frau“ zeichnet das Porträt einer vordergründig glücklichen Beziehung, in der beide Partner auf fast stoische Weise versuchen, Belastendes, Unangenehmes zu verschweigen, bzw. darüber hinwegzusehen. Doch schnell wird deutlich, dass sich die Realität nicht so einfach ausklinken lässt.
A. S. A. Harrisons Roman deckt nach und nach die Abgründe und persönlichen Konflikte der beiden Protagonisten psychologisch ausgerichtet auf.

Jodie und Todd führen von außen betrachtet ein beneidenswertes Leben. Sie bewohnen mit ihrem Hund Freud in Chicago ein großzügiges Luxusappartment mit Blick über den See und allen weiteren Annehmlichkeiten um glücklich zu sein.
Todd ist erfolgreicher Bauunternehmer. Jodie ist die Vorzeigefrau per se – intelligent und gut aussehend, dazuhin ist sie eine fabelhafte Köchin. Halbtags, eher zum Zeitvertreib und Hobby, übt sie ihren Beruf als Psychotherapeutin aus, indem sie ein bis zwei Patienten pro Tag empfängt.
Dass Jodie am Ende zur Mörderin werden soll, wie wir nach wenigen Leseminuten erfahren, will man zu diesem Zeitpunkt fast nicht glauben.
Abwechselnd lesen wir unter den Kapiteln „Sie“ und „Er“ von der immer weiter voranschreitenden Entfremdung Jodies und Todds.
Jodie weiß um die Affären Todds, dennoch geht sie den Weg des geringsten Widerstands, verhält sich, als ob alles in bester Ordnung wäre und bekocht ihren Partner abends wie im Sternerestaurant. Ganz nebenbei erfahren wir von den Problemen ihrer Patienten und sukzessive von Jodies ureigenem Trauma, das sie seit ihrer Kindheit negiert.
Für Todd ist das Spiel mit dem Feuer und Sex mit anderen Frauen die Bestätigung seiner Selbst und eher eine sportliche Angelegenheit. Er hat kein schlechtes Gewissen dabei, gleich einem Schauspieler in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Erst als die Tochter seines besten Freundes schwanger von ihm wird und die Heirat erzwingt, muss er seine Libero-Allüren einschränken.

Harrison versteht es gekonnt, mit schleichender Dramatik und leiser Spannung, die Risse einer scheinbar schönen Fassade immer weiter auseinanderklaffen zu lassen und in eine Kathastrophe zu führen.

A. S. A. Harrison: Die stille Frau.
Bloomsbury Berlin, Mai 2014.
384 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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