Tanja Schwarz: Vaters Stimme

Die deutsche Schriftstellerin Tanja Schwarz (Jahrgang 1970) schrieb 2021 die vielversprechenden Erzählungen „In neuem Licht“. Die Frauenfiguren darin mühen sich im Alltag ab: mit ihren Kindern, ihren Partnern, ihren Eltern, mit fremden Menschen. Und immer wieder bringen sie sich in noch anstrengendere Situationen. Und so ergeht es auch ihrer Hauptfigur in dem neuen Roman „Vaters Stimme“, der am 21. August bei hanserblau im Carl Hanser Verlag erschienen ist.

Nina ist Ende vierzig. Sie lebt in Hamburg getrennt von Ron, dem Vater ihres Sohnes Lenny. Beruflich ist sie viel unterwegs. Lenny wächst bei seinem Vater auf. Ninas psychisch kranke Mutter lebt in Süddeutschland, auf der Schwäbischen Alb. Ihren Vater hat sie vor 25 Jahren das letzte Mal gesehen. Sie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen. Eines Tages schlägt Lenny vor, den ihm unbekannten Opa anzurufen.

Nina ist überrascht und sie beschließen, ihm erstmal zu schreiben. Hans, so heißt Ninas Vater, meldet sich dann kurz darauf bei Nina. Sie verabreden ein Treffen. Lenny und Nina machen sich auf den Weg. Besuchen die Mutter im Krankenhaus und dann den Vater, der mit Waltraut und einem Hund lebt. Zunächst läuft es gut zwischen ihnen. Sie haben sich viel zu erzählen. Hans und Waltraut mögen Lenny. Nina fragt sich, wie sie geworden wäre, wenn sie mit dem Vater aufgewachsen wäre und wie ähnlich sie ihm ist. Sie erfährt, dass sich ihr Halbbruder Andi umgebracht hat.

Hans und Waltraut können Andis’ Frau Claudia nicht leiden. Die Enkelin Lorena sehen sie nicht. Dann holt Nina ihre pflegebedürftige Mutter zu sich nach Hamburg in ein Pflegeheim. Sie trifft ihre Schwägerin und Nichte. Plötzlich erscheinen Hans’ Erzählungen über Andi in einem anderen Licht. Die Corona-Pandemie beginnt und der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Hans überlässt Nina sein Auto. Und damit es etwas Gutes hat, spendet Nina den Wagen einer ukrainischen Hilfsorganisation. Mit ihrem Vater trifft sie sich nicht mehr. Dafür schließt sie Claudia und Lorena in ihr Herz. Auch Lenny vermisst seinen Opa nicht mehr.

Tja, was soll ich zu diesem Buch sagen? Schwarz’ Erzählungen haben mir gut gefallen. Das kann ich über diesen Roman leider nicht sagen.

Schwarz hat ihre Hauptfigur Nina unnahbar, verkopft und unsicher gemacht. Weder das Bestreben des Sohnes noch ihr eigenes nach einem Kennenlernen des Vaters ist mehr als der spontane Einfall eines Kindes. Wozu auch? Letztendlich stellt Nina doch fest, dass es ihr ohne ihn besser ergangen ist. Schwarz konstruiert für Nina eine Vita, die sich nicht aus der Geschichte heraus ergibt. Da treten plötzlich Personen auf, oder es werden Orte zu Schauplätzen ihres Lebens, die vorher keine Erwähnung fanden. Eine WG in Berlin, eine Leidenschaft für Fotografie, ein Zirkusdompteur namens Amando, eine lesbische Liebesbeziehung usw., usw. Kein Kontext, der die Lebensgeschichte des Charakters erklärt. Und dann am Ende auch noch diese spontane Fahrt an die ukrainische Grenze. Mein lieber Mann, da hat sich Tanja Schwarz aber etwas zusammengereimt, was sich zudem noch trist und langatmig liest.

Leider knüpft „Vaters Stimme“ für mich nicht an die starken Erzählungen aus „In neuem Licht“ an. Schade!

Tanja Schwarz: Vaters Stimme.
hanserblau im Carl Hanser Verlag, August 2023.
336 Seiten, Gebunden, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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