Sybil Volks: Café Finito

Ein Buch über den Tod? Über sechs Trauernde, die mit dem Verlust eines Menschen leben müssen? Will man das lesen?

Man muss!

Sybil Volks hat ein bemerkenswertes Buch geschrieben über ein Dutzend Menschen und über einen Friedhof, den Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin, dessen zahlreiche berühmte „Bewohner“ – von Fichte bis Hegel, von John Heartfield bis Otto Sander, von Herbert Marcuse bis Fritz Teufel – kleine Nebenrollen spielen.

Der Ort der Handlung ist real. Sein Verwalter Kristof, der dort ein Café betreibt, in dem sich für jeweils ein Jahr Menschen versammeln, um gemeinsam ihre Trauer zu verarbeiten, ist fiktiv. So wie die diesjährige Trauergruppe, die sich im Café Finito unter dem programmatischen Schild »Lost & Found« trifft.

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Jo Furniss: Der Stau

Mehrere Terroranschläge legen den Verkehr in London lahm. Mittendrin Police Sergeant Belinda »Billy« Kidd, auf einem kilometerlangen Autobahnabschnitt, der von vier Meter hohen Schallschutzwänden abgeschirmt ist und in einem Tunnel endet. Tausende Menschen sitzen für Stunden fest. Und dann wird in einem der Wagen ein Toter entdeckt, mit einem Metallspieß im Nacken.

Billy steht kurz vor dem vorzeitigen Ruhestand und ist aufgrund eines Traumas eigentlich nicht in der Lage, eine verzwickte Ermittlung durchzuführen. Da es, wie der Untertitel schon sagt, kein Entkommen gibt, muss sich der Mörder/die Mörderin noch am Tatort befinden. Doch niemand will etwas bemerkt oder eine Person gesehen haben, die sich vom Tatort entfernte.

Bei »Der Stau« handelt es sich somit um einen »Locked-Room-Thriller«, in dem ein scheinbar unmögliches Verbrechen begangen wird, meist in einem verschlossenen Raum oder Haus. Furniss kreiert nicht nur einen besonders ungewöhnlichen »locked room«, sie erhöht die Dramatik durch die Rahmenhandlung mehrerer Terrorangriffe, die dazu führen, dass sie auf unabsehbare Zeit ganz auf sich allein gestellt ist, da sämtliche Polizeikräfte anderweitig im Einsatz sind. Und dann wird auch noch das Handynetz abgeschaltet.

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Christian Berkel: Sputnik

Nach »Der Apfelbaum« und »Ada« hat Christian Berkel nun den dritten Teil seiner autofiktionalen Familiengeschichte vorgelegt. Ging es in den ersten beiden Romanen um seine Eltern und seine (erfundene) Schwester, dreht sich diesmal alles um ihn selbst. Und das buchstäblich von Anfang an.

Im ersten Kapitel befinden wir uns im Uterus seiner Mutter und tauchen ein in seine Gedanken- und Gefühlswelt von der Befruchtung bis zur Geburt. Auf die Idee muss man erst einmal kommen – und dann sprachlich meistern. Was Berkel beeindruckend gelingt. Das Kapitel ist aber nicht nur ein literarisches Experiment; es hat auch eine strukturelle Funktion, greift der Autor doch kurz vor dem Ende noch einmal im Kontext seiner Ausbildung als Schauspieler darauf zurück und formt so den Rahmen für den eigentlichen Inhalt der Erzählung: die Geburtswehen eines Schauspielers.

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Klaus-Peter Wolf: Ein mörderisches Paar: Der Sturz

Sage und schreibe 19 Ostfriesenkrimis gibt es bereits (neben einem guten Dutzend Ablegern) und nun auch den dritten Teil der Sommerfeldt-Reihe – mit den bekannten Figuren, Schauplätzen und Handlungsmustern.

Dem Gentleman-Mörder und Leiter einer Klinik für plastische und ästhetische Chirurgie, Dr. Bernhard Sommerfeldt, wollen alle an den Kragen. 10 Millionen sind auf seinen Kopf ausgesetzt, was verständlicherweise die Crème der Auftragskiller auf den Plan ruft. Einzig das Trio Ann-Kathrin Klaasen, Frank Weller und der notorische Rupert, die Kriminalpolizei also, ist auf seiner Seite, schließlich killt er ›die Richtigen‹ und versorgt die ostfriesischen Ausnahmeermittler mit den Tipps, die ihnen Erfolge garantieren. Meistens jedenfalls.

Sommerfeldt und seine Frau Frauke sind also auf der Flucht und, wie man sie halt kennt, sind sie dabei durchaus guter Dinge und immer für eine Überraschung gut. Wird es die beiden erwischen? Werden sie entkommen? Glückliche Mörder-Rentner werden?

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Martin Suter: Wut und Liebe

»Wut«, das ist Betty Hasler, 65, die den Mann, den sie für den Tod ihres Gatten verantwortlich macht, ins Jenseits befördert sehen möchte. »Liebe«, das ist Noah Bach, Anfang 30, ein brotloser Künstler, der verzweifelt seine Freundin Camilla zurückgewinnen will.

Es beginnt ziemlich hässlich: Camilla erklärt Noah nach dem Sex: »Ich liebe dich, aber nicht das Leben mit dir.« Statt ihm sein Künstlerleben zu finanzieren, werde sie ihn verlassen, um sich einen Mann zu suchen, der ihr ein finanziell sorgenfreies Leben bieten kann – solange sie noch attraktiv ist. Nicht gerade eine Person, mit der LeserInnen spontan Freundschaft schließen, aber nicht unrealistisch in einer Welt, in der der Werbeslogan einer Bank postuliert: »Am Ende zähl ich.«

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Hervé Le Tellier: Der Name an der Wand

Alles beginnt mit einer Inschrift auf einer Wand. Der Autor, Hervé Le Tellier, den meisten bekannt geworden durch seinen in 44 Sprachen übersetzten Bestseller »Die Anomalie«, kauft ein Haus in der Provence und findet dort, eingeritzt in die Hauswand, einen Namen: André Chaix. Als er erfährt, dass es sich um einen Widerstandskämpfer handelt, der 1944, gerade 20 geworden, von deutschen Soldaten ermordet wurde, beginnt er zu recherchieren. Durch Zufall gerät eine kleine Kiste in seine Hände mit Liebesbriefen, ein paar Fotografien und persönlichen Gegenständen, die er die »Staubflocken aus dem Leben des André Chaix« nennt (Fotografien dieser Dokumente finden sich über die Kapitel verteilt).

Was daraus wird? Eine aufgrund des dürren, ›staubigen‹ Materials weitestgehend imaginierte Biografie. Eine Reportage. Ein Geschichtsbuch. Eine Liebesgeschichte. Eine Sammlung persönlicher Betrachtungen.

Zentrum des Geschehens ist der Ort Dieulefit im Südosten Frankreichs, im Zweiten Weltkrieg ein Zentrum des antifaschistischen Widerstands (ein Name, der fast erfunden wirkt: »Von Gott geschaffen«!). Von hier aus spinnt Le Tellier seine Fäden. Er erzählt von den Menschen dieses Dorfes, spekuliert, was Andrés Motive gewesen sein könnten, der Resistance beizutreten, ob André und Simone diesen Film gesehen haben, ob André jenen Widerstandskämpfer gekannt hat, stellt sich die Angst vor, die André befallen haben muss, als sein Trupp in einen deutschen Hinterhalt geriet.

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