Martin Suter: Wut und Liebe

»Wut«, das ist Betty Hasler, 65, die den Mann, den sie für den Tod ihres Gatten verantwortlich macht, ins Jenseits befördert sehen möchte. »Liebe«, das ist Noah Bach, Anfang 30, ein brotloser Künstler, der verzweifelt seine Freundin Camilla zurückgewinnen will.

Es beginnt ziemlich hässlich: Camilla erklärt Noah nach dem Sex: »Ich liebe dich, aber nicht das Leben mit dir.« Statt ihm sein Künstlerleben zu finanzieren, werde sie ihn verlassen, um sich einen Mann zu suchen, der ihr ein finanziell sorgenfreies Leben bieten kann – solange sie noch attraktiv ist. Nicht gerade eine Person, mit der LeserInnen spontan Freundschaft schließen, aber nicht unrealistisch in einer Welt, in der der Werbeslogan einer Bank postuliert: »Am Ende zähl ich.«

Zufällig lernen sich Betty und Noah bei einem Mojito kennen (es wird nicht der einzige bleiben) – und siehe da: Unverhofft eröffnet sich Noah die Gelegenheit, seiner Angebeteten dolce vita bieten zu können. Betty, schwer herzkrank, möchte nicht vor Peter Zaugg sterben, dem Kompagnon ihres Mannes, dem sie vorwirft, ihn übervorteilt und in den Überarbeitungstod getrieben zu haben. Eine Million Schweizer Franken bietet sie seinem Mörder.

Soweit die verheißungsvolle Ausgangslage.

Zunächst plätschert die Handlung allerdings so vor sich hin. Aus der gelungenen Eröffnung entwickelt sich nur mäßige Spannung. Sutor lässt sich Zeit. Wir erfahren etwas über die Geschichte hinter Bettys Hass auf Zaugg. Dann dreht sich lange Zeit alles um Kunst und Marketing und die These, Kunst sei letztlich allein das, was durch geschickte Promotion und vor allem von zahlungskräftigen Mäzenen dazu gemacht werde. Das Thema zieht sich so dominant durch das gesamte Werk, dass man den Eindruck bekommt, Suter, der ja für seine verkaufsfördernde Selbstinszenierung bekannt ist, übe sich hier in augenzwinkernder Selbstkritik.

Dann kommt Sutor doch wieder auf die eigentliche Frage zurück, mit der er unser Interesse geweckt hat: Ist Noah bereit, einen Mord zu begehen, um Camillas Wünsche zu erfüllen? Man könnte sich auch allgemein fragen, wie weit ein Mensch bereit ist zu gehen für die Liebe eines anderen und vor allem: warum. Suters banale Antwort: Der Mann ist verliebt. Der Mann braucht Geld. Tiefgründiger wird es nicht.

Dennoch ist, was dann folgt, ganz unterhaltsam zu lesen.

Camilla findet den betuchten Gönner. Jetzt fehlt ihr etwas anderes. Noah bereitet sich vor, plant und verwirft, plant und verwirft, hofft auf den großen Durchbruch statt einer treffsicheren Gewehrkugel. Betty und Noah trinken Mojitos und plaudern über die Liebe. Camilla nimmt einen Job ausgerechnet in Zauggs Firma an und mutiert zur Investigativjournalistin. Jetzt nimmt der Plot Tempo auf. Plötzlich geht es um Affären und uneheliche Kinder, um Geldwäsche und die Panama Papers, um Täuschung, Verwirrung und Enthüllung.

Das Ganze ist ohne stilistische Besonderheiten, aber flott erzählt. Als krimitechnisch versierter Autor – siehe seine Serie über den Hochstapler von Allmen – hält Sutor das Interesse aufrecht durch sich allmählich entfaltende Zusammenhänge und immer neue, bis zum Finale durchaus plausible Wendungen.

»Wut und Liebe« ist kein page-turner; man blättert eher entspannt durch die Seiten. Das Richtige für die, die noch ein Sommerurlaubsbuch suchen.

Martin Suter: Wut und Liebe.
Diogenes, April, 2025
304 Seiten, Hardcover, 26,00 €

Diese Rezension wurde verfasst von Wolfgang Mebs.

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