Jo Furniss: Der Stau

Mehrere Terroranschläge legen den Verkehr in London lahm. Mittendrin Police Sergeant Belinda »Billy« Kidd, auf einem kilometerlangen Autobahnabschnitt, der von vier Meter hohen Schallschutzwänden abgeschirmt ist und in einem Tunnel endet. Tausende Menschen sitzen für Stunden fest. Und dann wird in einem der Wagen ein Toter entdeckt, mit einem Metallspieß im Nacken.

Billy steht kurz vor dem vorzeitigen Ruhestand und ist aufgrund eines Traumas eigentlich nicht in der Lage, eine verzwickte Ermittlung durchzuführen. Da es, wie der Untertitel schon sagt, kein Entkommen gibt, muss sich der Mörder/die Mörderin noch am Tatort befinden. Doch niemand will etwas bemerkt oder eine Person gesehen haben, die sich vom Tatort entfernte.

Bei »Der Stau« handelt es sich somit um einen »Locked-Room-Thriller«, in dem ein scheinbar unmögliches Verbrechen begangen wird, meist in einem verschlossenen Raum oder Haus. Furniss kreiert nicht nur einen besonders ungewöhnlichen »locked room«, sie erhöht die Dramatik durch die Rahmenhandlung mehrerer Terrorangriffe, die dazu führen, dass sie auf unabsehbare Zeit ganz auf sich allein gestellt ist, da sämtliche Polizeikräfte anderweitig im Einsatz sind. Und dann wird auch noch das Handynetz abgeschaltet.

Billy beginnt also zu ermitteln, in der Hoffnung, den Fall zu klären, bevor der Stau sich wieder auslöst und der Täter entkommen kann. Sie ist überzeugt, er oder sie befindet sich in einem der Autos in unmittelbarer Nähe, und beginnt damit, die Insassen zu befragen.

Schnell finden sich mehrere suspekte Personen und diverse Verdachtsmomente, und man muss als Leser schon konzentriert bei der Sache sein, um die zahlreichen Charaktere, ihre Hintergründe und Geschichten auseinanderzuhalten. Bis zum dramatischen Ende gibt es zwar auch ein paar Längen, insgesamt aber versteht es Furniss, die Spannung aufrechtzuerhalten, zumal sie ein paar interessante Figuren erschaffen hat.

Die auktoriale Erzählung wird stellenweise unterbrochen durch Passagen aus der Sicht der Verdächtigen, die Hinweise darauf enthalten, wie richtig oder falsch Billy mit ihren Vermutungen liegt. Einerseits erhöht das den Reiz für den mitermittelnden Leser. Andererseits beherrscht die Autorin die von ihr verwendete Gedankenstromtechnik nicht wirklich oder verwendet sie nicht konsequent. Immer wieder mischt sich dann doch die Erzählerin ein – meist, weil es ihr nicht anders gelingt, die Handlungen der jeweiligen Personen zu vermitteln, wodurch einige Passagen unglaubwürdig wirken:

Kerry ‚denkt‘: »Hyazinth murmelt, dass es noch eine Autobombe gab. […] Sie verschränkt die Arme vor der Brust […] und fragt, was wir tun sollen.«

Heathcote ‚denkt‘: »Die ganze Lenksäule vibriert, weil ich mit den flachen Händen auf dem Steuer trommele.«

Insgesamt gesehen ist »Der Stau« kein literarisch hervorstechender, aber aufgrund der ungewöhnlichen Konstellation und der stimmigen Auflösung lesenswerter Kriminalroman.

Jo Furniss: Der Stau. Es gibt kein Entkommen.
Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky.
Rowohlt Verlag, Juni 2025.
320 Seiten, Taschenbuch, 17,00 €.

Diese Rezension wurde verfasst von Wolfgang Mebs.

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