Stine Pilgaard: Meine Mutter sagt

Stine Pilgaards Debutroman „Meine Mutter sagt“ erschien in Dänemark unter dem Originaltitel „Min mor siger“ bereits 2012 und machte die junge Autorin zunächst im eigenen Land bekannt. Inzwischen liegt die gelungene deutsche Übersetzung, erschienen im Kanon Verlag, vor und parallel dazu die von Caroline Peters gelesene Hörbuchfassung.

Die Handlung ist schnell erzählt. Die namenlose Ich-Erzählerin wird von ihrer Liebsten unversehens vor die Tür gesetzt. Das bringt verschiedene Probleme mit sich. Am einfachsten ist noch die Wohnungsfrage zu lösen – sie zieht zu ihrem Vater und seiner Frau. Viel schwieriger ist es, mit dem Schmerz, der Wut und der Hilflosigkeit umzugehen. Außerdem sitzt die Masterarbeit in der Warteschleife und die Protagonistin hofft auf eine zündende Idee.

Mit Witz und Ironie lässt Stine Pilgaard die junge Frau ihr Leid in die Welt schreien. Der ichbezogene Blick der Erzählfigur bewirkt, dass die anderen Figuren leicht überzeichnet erscheinen: Der Vater wirkt mit seinen tröstenden Worten und den Ablenkungsmanövern hilflos, während die teilweise bizarren Ratschläge der Mutter eher Aktionismus offenbaren. Die pragmatischen Lösungsansätze der besten Freundin, der „Spindoktorin“ Mulle erweisen sich auf der Beziehungseben als ebenso ungeeignet wie die wissenschaftlichen Erklärungsversuche des Arztes. Die Welt wuselt um das Zentrum des Schmerzes und kann nichts recht machen. Die Heldin badet in Selbstgerechtigkeit und bleibt trotzdem sympathisch.

Der Titel ist Programm

Der Roman ist eine Abfolge von einzelnen Episoden und besteht in wesentlichen Teilen als Gespräch mit ein bisschen Handlung, der Titel ist Programm:

„Jetzt werden hier andere Saiten aufgezogen, sagt meine Mutter und umarmt mich. Ich habe Kopfweh. Hast du schon wieder zu viel getrunken, fragt meine Mutter. Das war Mulle, sage ich, die Frau ist einfach maßlos.“ (S. 114)

Dieses Konzept funktioniert gut, weil die einzelnen Szenen kurz und prägnant bleiben. Es ist tragisch und komisch zugleich, den Figuren beim Aneinander vorbeireden zu lauschen. Zudem sind zwischen die Gesprächsschleifen immer wieder Seepferdchenmonologe eingefügt, in denen verschieden Facetten von Erinnerung in Bilder gegossen werden. Es gibt das Museum der gebrochenen Herzen, ein Schneckenhaus voller Stimmen und auch ein Fotoalbum hinter der Netzhaut.

Zum Ende hin ändert sich die Stimmung, für mich fast ein wenig zu unmerklich, weil ich den Wechsel in der Figurenbesetzung erst beim wiederholten Lesen nachvollziehen konnte. Das ist in meinen Augen eine kleine Schwäche des Romans, der abgesehen davon mit geschliffener Sprache und ausdrucksstarken Bildern punktet.

Für mich ist besonders die Hörbuchfassung ein Highlight. Die Stimme von Caroline Peters passt perfekt zum Text und sorgt für ein echtes Hörvergnügen.

Stine Pilgaard: Meine Mutter sagt.
Aus dem Englischen übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel.
Kanon Verlag, November 2022.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.

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