Der siebenjährige Martin hat eine seltsame Gabe: Er kann den Tod sehen, bevor dieser zu Werke geht. Genauer: Bevor dieser mit einem Kescher die Seele einfängt, welche als Schmetterling aus dem Mund des Toten flattert. Ansonsten ist Thanatos ein sympathischer Kerl – optisch Anfang Dreißig, ein wenig blass um die Nase, die Stimme eine Mischung aus Barry White und Peter Lustig.
Zwischen den beiden entwickelt sich eine besondere Freundschaft, die jedoch des Öfteren strapaziert wird, zum Beispiel durch das tragische Ableben von Martins bestem Schulfreund. Auch Thanatos‘ plötzliches Auftauchen in den unmöglichsten Situationen sorgt für Tumult. So platzt er mitten in Martins „Erstes Mal“, wonach sprichwörtlich „tote Hose“ herrscht. Je älter Martin wird, desto mehr stellt er das Schicksal in Frage. Er möchte seine Gaben nutzen, um Menschen zu retten. Aus den einstigen Freunden werden Gegenspieler. Und es scheint, als habe der Tod ein Geheimnis zu verbergen, dass sich um Martins Zukunft dreht.
Sebastian Niedlich ist es gelungen, das Tabuthema auf humorvolle, nachdenkliche und empathische Art darzustellen. Er balanciert gekonnt auf Messers Schneide, lotet Grenzen aus, ohne ins Kitschige oder Makabere zu fallen. Nebenbei entführt er den Leser auf eine Zeitreise in die 80er und 90er Jahre und stellt geschichtliche Ereignisse aus Sicht des Keschermanns dar. Thanatos merkt etwa an, wie schwierig es gewesen sei, die „Seelenschmetterlinge“ der Challenger-Tragödie einzufangen…
Gleichzeitig hat Martin an großen Fragen zu knabbern: Was ist Schicksal, was freier Wille? Welchen Sinn hat der Tod? Wenn der Tod nur Sammler, aber kein Richter ist, wer ist sein Auftraggeber? Gott, die Natur, am Ende sogar das Leben selbst?
Das ungewöhnliche „Best Buddies“-Gespann liest sich rasch in die Gunst des Lesers. Der Tod taugt ebenso zum Sympathieträger wie der menschliche Protagonist, was an dem phantasievollen Plot und den zum Teil urkomischen Dialogen liegt.
Fazit: Der Tod lässt in diesem Buch keinen kalt!
Sebastian Niedlich: Der Tod und andere Höhepunkte meines Lebens.
Schwarzkopf & Schwarzkopf, März 2015.
328 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.