Für mich persönlich war Mathijs Deen ein unbeschriebenes Blatt. Erst als Rowohlt Mitte Februar seinen ersten Krimi als Taschenbuch veröffentlichte, bin ich auf den 1962 geborenen Schriftsteller aufmerksam geworden. Mathijs Deen studierte niederländische Literatur und arbeitete als Radioproduzent. Er veröffentlichte bereits Romane, Kolumnensammlungen und Kurzgeschichten. 2018 wurde er mit dem renommierten Halewijnpreis ausgezeichnet. Mit seinem Roman „Der Holländer“ tastet sich der Autor erstmalig an das Krimigenre heran. Seinen Plot hat er an die Emsmündung gelegt. Ein Fall im Watt, dort wo die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden ungeklärt ist.
Dieses offene Kapitel deutsch-niederländischer Geschichte scheint niemanden zu interessieren bis ein Toter auf der Sandbank De Hond“ gefunden wird. Das Kompetenzgerangel der Behörden ist vorprogrammiert. Ein Patroullienboot bringt ihn zur niederländischen Kriminalpolizei nach Delfzijl. Der Tote, ein Deutscher, gehört zu einer Gruppe von Extremwattwanderern. Er wollte vom ostfriesischen Festland nach Borkum wandern. Eine Tour, die für ihn tödlich endete. Sein Begleiter Peter kann sich entkräftet nach Borkum retten. Dort macht er den tragischen Verlust seines, in einem Priel ertrunkenen, Begleiters bei der Polizei offiziell.
Der Streit um die Zuständigkeit eskaliert. Aber auch Fragen um den toten Wattwanderer häufen sich. Darum schickt die Bundespolizei See in Cuxhaven heimlich ihren Ermittler Liewe Cupido nach Delfzijl.
Untiefen der menschlichen Seele
Liewe Cupido ist ein gebürtiger Deutscher, der auf der niederländischen Insel Texel aufgewachsen ist. Auch darum wird dieser eigenwillige und schweigsame Ermittler „der Holländer“ genannt. Zur Lösung des sich anbahnenden Falls scheint Liewe Cupido geradezu prädestiniert zu sein. Sensibel und mit allen Sinnen spürt Liewe Cupido alle „Untiefen der menschlichen Seele“ auf. Überhaupt gelingt es dem Autor authentische Charaktere zu kreieren. Dabei beschreibt er gekonnt die herbstlichen Stimmungen des Wattenmeeres, der Inseln und der ostfriesischen Küste. Die deutsch-niederländischen Befindlichkeiten bringt der Autor einfühlsam zur Geltung. Eins ist klar: Wenn ich im Herbst das nächste Mal nach Borkum fahre, sehe ich den Dollart und die Emsmündung mit anderen Augen.
Für mich war es ein „friesisch-herbes“ Lesevergnügen: ruhig, unaufgeregt und schlüssig in Aufbau und Fortschritt der Handlung. Mathijs Deen bedient sich einer Sprache, der man leicht folgen kann und deren Bilder durch trockenen Humor und komödiantische Anflüge bereichert werden.
Meine Leseempfehlung gebe ich gerne, weil dem Autor eine wunderbare Mischung guter literarischer Qualität, lokaler und landestypischer Atmosphäre und kriminalistischem Anspruch gelingt. Auch darum freue ich mich schon auf den angekündigten zweiten Fall von Liewe Cupido. Zwischenzeitlich werde ich mich den übrigen vorliegenden Werken des Autors widmen
Mathijs Deen: Der Holländer.
Rowohlt, Febuar 2023.
272 Seiten, Taschenbuch, 14,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.