Marie Lacrosse: Montmartre: Traum und Schicksal

Auch der zweite Teil der Dilogie um Valérie Dumas und Elise Lambert gibt wieder einen sehr realistischen, gut recherchierten und fundiert geschilderten Einblick in die Lebensumstände in Paris im ausgehenden 19. Jahrhundert. Diesmal geht der Blick vor allem auf die Situation der Frauen. Zum einen auf jene Frauen, die wie Valérie darum kämpfen, sich als eigenständige Frau und /oder als Künstlerin zu behaupten, was beides gleichermaßen schwierig war. Valérie hatte zwar das Privileg an einer der Akademien eine Ausbildung als Malerin zu absolvieren, die ausnahmsweise auch mal eine Frau in ihre Klasse aufgenommen hat, aber schon mit ihrer Abschlussarbeit musste sie erfahren, dass Frauen keineswegs malen durften, was und wie sie es wollten, sondern einem strengen Diktat unterworfen waren.

Bei ihrer Ausbildung hat ihr Vater, selbst Kunsthändler, Valérie noch unterstützt, doch danach musste sie feststellen, dass auch er nicht mit dem einverstanden war, was sie für sich als Malstil wählen wollte. Zudem fand die Familie es an der Zeit, Valérie zu verheiraten – auch das war eine Entscheidung, die sie nicht selber treffen durfte. Da die Familie sich zu dem Zeitpunkt in einer ziemlich großen finanziellen Notlage befand, wurde Valérie gedrängt, den Avancen eines bekannten und erfolgreichen, zudem finanziell hervorragend gestellten, aber wesentlich älteren Malers stattzugeben und die Ehe mit Baptiste Germain einzugehen. Eine Ehe, die von Anfang an unglücklich war und in der Valérie täglich erleben musste, dass sie als verheiratete Frau – erst recht als Künstlerin – völlig vom Wohlwollen ihres Ehemannes abhängig war. Der Code civil, der als so fortschrittlich galt, räumte Frauen in dieser Hinsicht keinerlei Rechte ein. Valérie fügt sich zwar in die Ehe, aber sie findet, mit der Unterstützung ihrer alten Freunde, Wege, ihre Fähigkeiten als Malerin zu verfeinern und sich fortzubilden.

Elise wiederum ist es gelungen, eine bekannte Tänzerin des „Moulin rouge“ zu werden, aber auch sie musste auf Vieles verzichten, um diesen Erfolg zu erlangen. Ihr Leben neben dem Tanz besteht aus der Sorge um die zwischenzeitlich trunksüchtige Mutter und die Schwester, die durch eine vermeintlich große Liebe in die Prostitution gerutscht ist. Elises großer Wunsch ist es, Simone wieder nach Hause zu holen. Dafür nimmt sie einiges in Kauf.

Neben der Situation der Künstlerinnen, bildende wie darstellende, wird hier auch sehr anschaulich geschildert, wie es jungen Mädchen ergehen konnte, die aus vermeintlicher Liebe in die Prostitution geraten waren und wie schwer es war, da wieder rauszukommen.

Gut geschrieben, authentisch geschildert, hervorragend recherchiert. Ein guter Einblick in die Zeitgeschichte. Ein Schmöker mit gut 600 Seiten, der sich gut liest. Das Ende ist leider ein bisschen enttäuschend, es bleibt zu vieles offen. Eigentlich müsste ein dritter Band folgen.

Marie Lacrosse: Montmartre: Traum und Schicksal
Goldmann, November 2025
608 Seiten, Paperback, 17,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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