Katja Lange-Müller: Unser Ole

Ein Roman mit drei Protagonistinnen, in dem ein geistig beeinträchtigter Junge das Verbindungsglied ist.

Ole will am liebsten in Ruhe gelassen werden. Die Pubertät macht ihm zu schaffen. Außerdem liebt der autistische Halbwüchsige die Welt genauso wenig wie sie ihn. Ein abgedunkeltes Zimmer im oberen Stockwerk des Hauses, dazu immer dieselben Essensrationen. Zum Trinken täglich Cola, dazu mehrere kalte Bockwürste und Brötchen, mehr braucht er nicht. Ein anderes Leben kennt er auch nicht. Versorgt, umsorgt und auch immer häufiger schikaniert wird er von seiner Oma Elvira. Als der geistig schwer beeinträchtigte Junge, dessen Wortschatz sich aus nur wenigen Worten zusammensetzt, seinen eigenen Willen entwickelt, ist Elvira schlicht überfordert. Immerhin hat sie doch bislang alles und alle dominiert. Hat ihre Form von Mutterliebe gegeben oder entzogen. Aber mittlerweile ist Ole ihr körperlich weitaus überlegen.

Nicht uneigennützig

So trifft es sich gut, dass Elviras Bekannte Ida ihre Wohnung verliert und Elvira ihr ein Zimmer in ihrem Haus überlassen kann. Nicht uneigennützig natürlich. Doch Ida fügt sich gerne. Mit zunehmendem Lebensalter hat sie nicht mehr allzu viel im Leben zu erwarten. Schon gar nicht von den Männern, von denen sie sich bislang aushalten ließ. Sie ist froh, bei Elvira unterschlüpfen zu können.

Ein Unglück ändert alles

Als ein Unglück im Haus geschieht, kommt Elviras Tochter Manuela ins Spiel. Manuela ist Oles Mutter und durfte diese Rolle doch nie übernehmen. Ihr gesamtes Leben wurde einst von Elvira bestimmt. Selbstständigkeit konnte Manuela nie entwickeln. Zurück im Haus ihrer Kindheit, sieht sie sich plötzlich mit einem neuen Status konfrontiert. Dabei ist sie überzeugt, dass Ole Schuld an der ganzen Situation hat.

Offenes Ende

Das Leben aller Figuren bleibt trostlos. Dabei sind alle nur auf der Suche nach Liebe, Anerkennung und letztlich nach sich selbst.

Am Ende wird die Geschichte nicht vollständig aufgelöst. Doch eine kleine Hoffnung bleibt. Ein Fingerzeig vielleicht, der versöhnlich stimmen soll bei all der vorangegangenen Skurrilität und Tristesse, der die Figuren ausgesetzt waren.

Überzeugende Persönlichkeitsstudien mit unerfüllten Lebensgeschichten, die trotz aller Tragik viele komische Sequenzen beinhalten.

Katja Lange-Müller: Unser Ole.
Kiepenheuer & Witsch, September 2024.
240 Seiten, gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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