In „American Mother“ beleuchtet der preisgekrönte US-amerikanische Schriftsteller Colum McCann gemeinsam mit Diane Foley ein erschütterndes Kapitel der jüngeren Geschichte: die Geiselnahmen durch islamistische Gruppen im Nahen Osten. Im Zentrum des Buches steht die tragische Geschichte des Journalisten James Foley, der 2012 in Syrien von extremistischen Islamisten gefangen genommen und nach zwei Jahren brutaler Folter vor laufender Kamera grausam hingerichtet wurde. Seine Mutter, Diane Foley, verarbeitet in diesem Buch nicht nur ihre unermessliche Trauer, sondern auch ihren Kampf für andere Geiseln und ihre Familien.
James Foley: Ein Leben zwischen Mut und Gefahr
Das Buch zeichnet ein intensives Porträt von James Foley, einem mutigen Journalisten, der bereit war, sein Leben zu riskieren, um die Wahrheit aus Konfliktgebieten zu berichten. Doch es bleibt nicht bei der Erzählung seines Lebens: Diane Foley gewährt Einblicke in ihre eigene Gefühlswelt und beschreibt ihren Weg, mit dem Verlust ihres Sohnes umzugehen. Besonders eindrücklich sind ihre Begegnungen mit dem inhaftierten Geiselnehmer ihres Sohnes, dem sie am Ende sogar die Hand reicht – ein bewegender Akt der Vergebung.
Auch politische Aspekte werden thematisiert: Diane Foley übt Kritik an der US-Regierung unter dem damaligen Präsidenten Barack Obama, deren Engagement für amerikanische Geiseln im Ausland ihrer Ansicht nach unzureichend war.
Ein emotionales Sachbuch mit kritischen Fragen
„American Mother“ ist ein zutiefst persönliches und emotional aufwühlendes Buch, das beim Lesen lange nachhallt. Doch es wirft auch kritische Fragen auf: Ist es ausreichend, James Foley fast ausschließlich aus der Perspektive seiner Mutter kennenzulernen? Hätte eine umfassendere Darstellung unter Einbeziehung anderer Stimmen ein runderes Bild ergeben? Zudem bleibt die Frage, ob Foleys Entscheidung, nach seiner ersten Geiselnahme in Libyen erneut in gefährliche Konfliktgebiete zu reisen, leichtsinnig oder sogar unverantwortlich war.
Auch Diane Foleys intensive Betonung ihrer Religiosität und ihres Glaubens mag nicht bei allen Leser*innen Anklang finden. Doch trotz dieser Kritikpunkte hinterlässt das Buch einen tiefen Eindruck und regt dazu an, über Themen wie Verlust, Vergebung und die Verantwortung von Regierungen nachzudenken.
Warum „American Mother“ lesen?
Authentisches Zeitzeugnis: Das Buch gibt einen intimen Einblick in die Erlebnisse von Geiseln und ihren Familien.
Bewegende Botschaft: Es zeigt, wie man trotz unsäglichem Leid Hoffnung und Vergebung finden kann.
Aktuelle Thematik: Die Geiselnahmen durch islamistische Gruppen haben weltweit Schlagzeilen gemacht und werfen Fragen über Politik, Religion und Menschlichkeit auf.
Colum McCann mit Diane Foley: American Mother
Übersetzt aus dem Englischen von Volker Oldenburg
Rowohlt, Dezember 2024
272 Seiten, gebundene Ausgabe, 26 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.
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