Jochen Rausch: Im toten Winkel

Der Schriftsteller, Musiker und Journalist Jochen Rausch (Jahrgang 1956) war Programmchef von 1 Live und WDR 2. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, u.a. die genialen Miniaturen „Im Taxi. Eine Deutschlandreise“ aus dem Jahr 2017. Nun hat er mit „Im toten Winkel“ den ersten Band einer Krimi-Reihe mit der Kommissarin Marta Milutinovic geschrieben. Das Buch erschien am 30. März 2023 im Piper Verlag.

Marta Milutinovic ist eine gebrochene Frau. Ihre 17jährige Tochter Charlotte wurde vergewaltigt und getötet. Ihre Ehe mit Tom zerbrach. Sie lässt sich von München nach Schwarzbach versetzen. Schwarzbach ist ein kleiner Ort an der ehemaligen Deutsch-Deutschen-Grenze nahe Tschechien. Ihre neuen Kollegen sind Jürgen Hartmann, der junge Oehlert und Johanna Romberg, die in einer neuchristlichen Gemeinde aktiv ist. Ihre erste Amtshandlung führt Marta zu Jürgen Cislarczyk, einem ehemaligen Straftäter, der unter dem neuem Namen Klaus Stiller in Schwarzbach lebt und gegen den eine Anzeige wegen Diebstahls eines Smartphones vorliegt. Da Marta in München für die Abteilung Organisierte Kriminalität gearbeitet hat,  hängen ihr noch die Schüsse auf ein Mitglied der italienischen Mafia nach, die den Mann schwer verletzt haben.

Nach und nach lernt sie verschiedene Schwarzbacher Bürgerinnen und Bürger kennen. Dabei fällt ihr der alte Fall des ermordeten Jens Fritsche in die Hände. Der Täter oder die Täterin wurde nie ermittelt. Irgendjemand postet im Namen von Jens Botschaften im Internet. Marta kämpft mit ihrer Trauer, dem Alkohol und ihren neuen Aufgaben als Chefin der Polizeistation. Dazwischen träumt sie von einem neuen Leben in der Heimat ihres Vaters, Slowenien, und einem Wiedersehen mit Vid, in den sie verliebt war. Wenn sich Marta Milutinovic einen beschaulichen Job in einer ruhigen Kleinstadt vorgestellt hat, so macht sie in Schwarzbach ganz andere Erfahrungen.

„Im toten Winkel“ ist ein düsterer Krimi. Jochen Rausch schreibt über eine traumatisierte Ermittlerin, brutale, sexualisierte Gewalt gegen Frauen, eine undurchsichtige religiöse Sekte, korrupte Polizisten, kriminelle Kleinstadtbewohner und oben drauf noch die organisierte Kriminalität der italienischen Mafia. Das ergibt einen recht konventionell geratenen Krimi mit einem zu viel an persönlichem Schmerz der Hauptfigur und einem zu viel an sexuellen Übergriffen auf Frauen. Allein die Kommissarin wird mehrfach vergewaltigt und sexuell genötigt. Das ist wenig einfallsreich oder gar raffiniert. Es fehlt an einer komplexen Täter/innenfigur, die mich als Lesende herausfordert. Auch der Auslöser, ein „Cold Case“, bietet keine wirklich neue Erzählidee für einen Krimi. Jochen Rausch schreibt in kurzen Sätzen, das steigert anfangs die Dramatik im Text, sorgt aber nach etlichen Seiten bei mir dafür, dass ich vom Stakkato der Worte ermüde:

„Der Hof wirkt anders, wie verlassen. Selbst der Hund scheint traurig. Marta hat Blumen für Petra besorgt. Auf dem Tor zur Werkstatt klebt das amtliche Siegel. Ein föhniger Wind geht, Petra sitzt auf der Bank vor dem Haus.“ (S. 217)

Überhaupt gefällt mir der Anfang des Krimis am Besten. Da ploppt eine interessante Erzählstimme auf, der jedoch schon nach fünf Seiten die Luft ausgeht, schade!

Vielleicht nutzen Jochen Rausch und seine Marta Milutinovic ihre zweite Chance in einem zweiten Krimi-Band, meinen ersten, enttäuschten Eindruck zu korrigieren und mich zu begeistern. Ich bin gespannt!

Jochen Rausch: Im toten Winkel.
Piper, März 2023.
304 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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