Rafik Schami: Mein Sternzeichen ist der Regenbogen

„Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“ von Rafik Schami ist ein Buch, dass Ihnen ein Dauerschmunzeln aufs Gesicht zaubern wird! Niemand schreibt so charmant, gewitzt, herzlich und intelligent über die Katastrophen und Kuriositäten des Alltags wie Rafik Schami. Ganz egal, ob es sich um die Missverständnisse zwischen Männern und Frauen handelt oder ob verschiedene Kulturen aufeinandertreffen: Die Fettnäpfchen oder vielmehr Sprengstofffallen des gesellschaftlichen Miteinanders lauern überall. Mal bricht der orientalische Märchenerzähler in den Geschichten hervor, mal betrachten wir die Geschichten aus den Augen der Pfälzer Frohnatur. Der in Syrien aufgewachsene und 1971 nach Deutschland emigrierte Rafik Schami brilliert mit seinem literarischen Facettenreichtum. Seine Geschichten sind von einem optimistischen, humanistischen Grundtenor durchzogen. Selbst wenn er Themen wie den Tod oder das Ende einer Liebe abhandelt. Ein Buch, das man in die Arme schließen und nie wieder zuklappen möchte!
Unterteilt in Kategorien wie Geburtstag, Lachen, Reisen, Geheimnis, Tiere und Sehnsucht beleuchtet der Autor die Stichworte aus unterschiedlichsten Perspektiven. Neben den fiktionalen Geschichten rundet er jedes Kapitel mit wissenschaftlichen, geschichtlichen oder philosophischen Betrachtungen ab. Schami schafft literarische Tiefe mit Leichtigkeit. Samt einem Augenzwinkern.

Rafik Schami: Meister der humorvollen Untertöne

Bereits in der ersten, titelgebenden Geschichte zeigt sich, dass so etwas Selbstverständliches wie ein Geburtstag unter bestimmten kulturellen Voraussetzungen zu mittelschweren Lebenskrisen führen kann. Der noch jugendliche Erzähler kennt sein genaues Geburtsdatum nicht. Denn in Syrien wird meist der Tag, an dem ein Kind beim Amt angemeldet wird, als Geburtsdatum eingetragen, was bis zu mehreren Monaten dauern kann. Dumm nur, dass seine Freundin total auf Sternzeichen steht – und diesen Aspekt auch bei der Auswahl ihrer Männer berücksichtigt. Während der Erzähler widersprüchliche Aussagen von Familienmitgliedern und Nachbarn erhält, steht derweil schon ein Konkurrent mit vielversprechendem Sternzeichen in den Startlöchern.

In der Geschichte „Zwei Reisen“ wundert sich der Geschichtsprofessor Frank, warum ihn seine Frauen stets betrügen oder wortlos verlassen. Um sich über sein Leben klar zu werden, nimmt er sich eine Auszeit in der norditalienischen Stadt Udine. Dort verliebt er sich in die Supermarktleiterin Sara und blüht während seines Sabbaticals regelrecht auf. Doch als die leidenschaftliche Italienerin ihm nach München folgt, lernt sie eine ganz andere Seite an Frank kennen, die das Verhalten ihrer Vorgängerinnen in ein völlig neues Licht rückt. Überhaupt hat der Autor ein sichtbares Vergnügen daran, Männer in ihren vermeintlich besten Jahren in den kuriosesten Midlife-Krisen vorzuführen. Beispiel: „Aber warum verknallten sich alte Männer kurz vor ihrem Herübergehen in viel zu junge Frauen? Wurden alte Männer zu Kindern, weil auf dem Kreis des Lebens der Ausgang neben dem Eingang liegt?“. (S. 52)

Missverständnisse zwischen Geschlechtern und Kulturen

Männer und Frauen, die sich nach dem Ende ihrer Beziehungen neu orientieren müssen sind in mehreren Geschichten ein Leitmotiv. Mal entpuppt sich eine wahr gewordene Sehnsucht als unbefriedigend, mal dreht ein Witwer nach dem Tod seiner Frau nochmals richtig auf – was große Irritationen bei seinen ländlichen Nachbarn hervorruft. Ein vermeintlich als Terrorist beschuldigter syrischer Student in Heidelberg oder ein Palästinenser, der von seiner erfolgreichen deutschen Ehefrau ohne einen Cent im Urlaub sitzen gelassen wird – Schami versteht es, Kulturclashs kreativ zu inszenieren. Von Eltern mit Kontrollwahn über einen Penistraum ohne erotisches Happy End zeigt Schami in knackigen, pointierten Geschichten den alltäglichen Wahnsinn des Lebens auf. Aber immer mit einem verständnisvollen Lächeln. Was die tiefgründigen Themen federleicht zu lesen macht.

Die Tücken von Geburtstagen und Geheimnissen

In seinen essayartig anmutenden Abschlussgeschichten der einzelnen Kapitel bricht Schami eine Lanze für das Anrecht auf Geheimnisse im digitalen Zeitalter und den Wert der Tiere. Er stellt den Unterschied zwischen Reisen und Tourismus dar und erklärt, warum die katholische Kirche keine Geburtstage mag – und wie der Mensch überhaupt auf die Idee kam, sich selbst zu feiern.

Fazit: Ein charmantes, hintersinniges Buch. Die abwechslungsreichen Geschichten werden mit überraschenden Wendungen und gewitzten Pointen ausgeschmückt. Kapitel für Kapitel eine Lust zu lesen! Man merkt es Schami an, dass er nicht nur Katzen, sondern auch Menschen mag. Deshalb beherrscht er die große Kunst, auch fehlerhafte, eigentlich unsympathische Charaktere liebenswert darzustellen. Bewertung: 11 von 10 Punkten!

Rafik Schami: Mein Sternzeichen ist der Regenbogen.
dtv, Juni 2023.
320 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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