Ein Leben in Liedern. Für den niederländischen Liedermacher und Autor Herman van Veen sind Musik und Verse ein Wegweiser und Gerüst für Erinnerungen. Nat King Cole lässt Bilder aus Kindertagen, von Mutter und Vater, entstehen. Der Rap am Geburtstag des 19-jährigen Enkels lässt Wehmut aufkommen „If I had a hammer“ mit Trini Lopez bringt viele Jahre vorher Schwung ins Jugendleben. Und was hat eigentlich Rotkäppchen mit Michael Jacksons „Thriller“ zu tun?
„Es regnet im Radio – Von Liedern und Erinnerungen“ heißt das Buch, mit dem ich Herman van Veen neu entdecke. Bisher kannte ich den Musiker und Kinderbuchautoren. Nun erlebe ich einen humorvollen Erzähler, einen Menschen, der das Staunen nie verlernt hat und der mit offenen Augen und voller Neugier seine Umgebung betrachtet.
Der Autor erzählt im Plauderton aus seinem Leben, knüpft Assoziationsketten und verbindet Vergangenes und Gegenwärtiges, von der Kindheit in den Nachkriegsjahren bis zur aktuellen Corona-Krise. Er schreibt von Menschen und Ereignissen, persönliche Erlebnisse spiegeln sich in historischem oder aktuellem Geschehen. Er hat als Junge bei Tante Fingerhut die Bedienung des Grammophons gelernt. War dabei, als Ende der 60er Jahre Künstler gegen ein starres Kultursystem rebellierten. War in den 60er Jahren auf Demos gegen Wettrüsten und Krieg. Die Geschichte von einem Auftritt auf einem Bar-Mizwa-Fest in den 60er Jahren wird mit der Zeitungsnotiz zum Attentat auf die Synagoge in Halle verknüpft.
Herman van Veen bezieht mit leisen Worten Stellung. Er belehrt nicht. Er schreibt von seinen Gedanken und auch von seinen Sorgen. Schreibt von Bäumen, die für eine Autobahn weichen mussten, vom Gesang der Vögel und Greta Thunberg. Er beschönigt nichts und doch spüre ich in jeder Zeile den Glauben an eine gute Zukunft.
Herman van Veen: Es regnet im Radio.
Aus dem Niederländischen übersetzt von
Knaur, März 2021.
208 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Jana Jordan.