Keine leichte Mainstream-Kost – und gerade deshalb empfehlenswert
„Man sagt sich, er würde nicht alle zehn Minuten ins Netz gehen, wenn ihm das, was er tut, gefiele. Vielleicht beobachtet er, hinter der digitalen Pinnwand versteckt, ebenfalls, was Sie gerade tun?“ (S. 21)
Camille Laurens‘ Roman „So wie du mich willst“ entführt die Leser in die faszinierende Welt der digitalen Tarnung und zeigt, wie sich eine scheinbar harmlose Cyberspace-Lovestory zu einem gefährlichen Spiel entwickeln kann. Die Autorin wirft dabei einen tiefen Blick in die Psyche der 48-jährigen Claire, die durch ein gefälschtes Facebook-Profil als 24-jährige Single-Frau in die Untiefen des Internets abtaucht.
Die Geschichte, die 2016 erstmals in Frankreich erschien, 2019 unter dem gleichen Titel eindrucksvoll verfilmt wurde und nun 2023 in deutscher Übersetzung vorliegt, bietet nicht nur eine interessante Handlung, sondern auch eine subtile Gesellschaftskritik.
Der Leser wird durch die Wirren von Realität und Lüge geführt, während sich die beiden Hauptfiguren in ihrer digitalen Illusion verlieren. Der Roman zeigt dabei eindringlich, wie die Suche nach einer idealisierten Identität im Internet zu einer gefährlichen Obsession werden kann.
Die vielen ausgedehnten Satzketten erschienen mir auf Dauer anstrengend und ermüdend. Trotz der anfänglichen Herausforderung trugen sie dazu bei, die gedanklichen Verstrickungen der Protagonisten darzustellen. Denn im Laufe des Romans entfaltet sich eine verblüffende Komplexität.
Der ungewöhnliche Schreibstil wird möglicherweise nicht jedermanns Geschmack treffen, verleiht dem Buch aber eine Facette, die es deutlich von der üblichen Mainstream-Literatur abhebt.
„So wie du mich willst“ präsentiert sich als dichtes Potpourri aus Lüge, Wahn und Wahrheit, das den Leser in ein Wirrwarr von Storylines hineinzieht, aus dem man nur schwer wieder herausfindet.
Wer bereit ist, sich auf die unkonventionelle Erzählweise einzulassen, findet in diesem Roman eine gelungene Abwechslung zur seichten Mainstream-Kost und eine eindrückliche Reflexion über die Grenzen der Identität im digitalen Zeitalter.
Camille Laurens: So wie du mich willst.
Dtv, November 2023.
Aus dem Französischen übersetzt von Lis Künzli.
208 Seiten, Hardcover, 23,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.