Arno Geiger: Das glückliche Geheimnis

Der Österreicher Arno Geiger (Jahrgang 1968) ist mit seinem Roman „Es geht uns gut“ 2005 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden. In seinem neuesten Buch „Das glückliche Geheimnis“ erzählt er vom Davor und Danach seines Erfolges und seines Lebens als Schriftsteller. „Das glückliche Geheimnis“ ist am 10. Januar 2023 im Carl Hanser Verlag erschienen.

Das Davor beginnt 1992: als Vierundzwanzigjähriger lebt Arno Geiger in Wien und will Schriftsteller werden. Eines Tages entdeckt er neben Papiercontainern in der Nähe seiner Wohnung Kartons mit Büchern, die offenbar entsorgt worden sind. Dies ist der Beginn seines „glücklichen Geheimnisses“, denn Geiger beginnt zunächst zu Fuss später mit dem Fahrrad, die Altpapierbehälter in seiner Umgebung zu durchforsten. Er bringt stapelweise alte Dokumente, Zeitungen, Zeitschriften, Briefe, Postkarten, Fotos und Bücher mit nach Hause, um sie sorgfältig zu sichten. Einige davon verkauft er auf dem Flohmarkt weiter, und bestreitet so einen Teil seines Lebensunterhaltes. Andere behält er, um sie für seine Schreibarbeit zu nutzen. Die darin enthaltenen Alltagstexte, wie Geiger sie nennt, werden zur „Schule“ seiner schriftstellerischen Tätigkeit. Oder mehr noch, wie er in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung Ende Januar 2023 sagt:

„Aber in erster Linie war es für mich eine Schule des Lebens, weil ich mich im eigenen Leben besser orientieren konnte.“

Seine „Runden“ werden zu einem langjährigen, regelmäßigen Ritual, das ihn inspiriert, entspannt und ihn gleichzeitig „in die Gosse“ wirft. Geiger arbeitet im Sommer als Technikassistent bei den Bregenzer Festspielen, dreht seine Runden und er schreibt. Daneben führt er wenig befriedigende Beziehungen zu Frauen, die Geiger nur mit ihrem Anfangsbuchstaben in seiner Erzählung benennt. Allerdings bemerkt er auch, dass ihn das Sammeln, Sichten, Aus- und Verwerten immer häufiger vom Schreiben abhält. Geiger pendelt zwischen Wien und Wolfurt, kümmert sich um seinen an Demenz erkrankten Vater (s. „Der alte König in seinem Exil“ aus dem Jahr 2011) und versucht, als Schriftsteller Fuß zu fassen. Es ist ein mühsamer Weg mit vielen Zweifeln, Durststrecken und Rückschlägen. Mit dem Gewinn des Deutschen Buchpreises 2005 lernt Geiger die guten und schlechten Seiten des literarischen Erfolgs kennen:

„Der Erfolg kam wie durch den Kamin, mit Poltern und Getöse. Er stellte sich hin und war mein neuer Herr, er lässt sich gerne bedienen. Ich bediente ihn. Wie ein Zirkuslöwe sprang ich durch brennende Reifen, gab dutzende Interviews, trat im Fernsehen auf, beteiligte mich an Podiumsdiskussionen, ich machte hundert Veranstaltungen, ein ungeheures Pensum für einen wie mich.“ (S. 109)

Seine Hop on-Hop off-Beziehung zu K. festigt sich. Arno Geiger hat sein Ziel erreicht, er ist Schriftsteller geworden, auch dank seiner Recherchen in Altpapiercontainern. Nach fünfundzwanzig Jahren beendet er seine „Runden“ durch Wien.

Arno Geiger gibt sein „glückliches Geheimnis“ der Öffentlichkeit preis. Und so erhalten die Leserinnen und Leser einen einmaligen Blick in sein Leben und sein Schreiben. Die autobiografische Erzählung ist ein kluger und beeindruckender Teil seiner Lebensgeschichte. Dabei beschreibt Geiger seinen Weg zum erfolgreichen Schriftsteller nicht ohne Seitenhiebe auf den Literaturbetrieb oder speziell auf das Verlagswesen, das ihn beinahe seine Zuversicht gekostet hätte: „Die Signale waren eindeutig, im Verlag empfanden sie mich als so entbehrlich wie den Dreck auf der Stiege.“ (S. 71)

Geiger schreibt hartnäckig weiter, er sucht und er findet seinen Stil, seinen Ton, seine Themen. Und dabei hilft ihm sein „Geheimnis“: mehr noch als das, es prägt sein Schreiben. Ein Glück auch, dass Arno Geiger mit der Malerin O. aus Mexiko eine Affäre hatte, denn sie gibt seinem Geheimnis das positive Adjektiv und den Titel für das Buch: „Un secreto feliz“.

Arno Geiger: Das glückliche Geheimnis.
Carl Hanser, Januar 2023.
240 Seiten, gebundene Ausgabe, 25,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.

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