Wer es bislang versäumt hat, tschick zu lesen, sollte dies unbedingt nachholen. Nicht nur, weil der Roman seit seinem Erscheinungsdatum 2010 zur Schullektüre avanciert ist und längst Kultstatus erworben hat – nein, mit tschick ist dem Autor Wolfgang Herrndorf einfach etwas ganz Großartiges gelungen.
Der mit absurden Abenteuern gespickte Roadtrip-Roman kommt spannend, witzig, locker und hintersinnig zugleich daher.
Bereits jetzt kann man den Jugendroman, der ebenso für Erwachsene geeignet ist, als modernen Klassiker einstufen.
Für alle, die tschick noch nicht kennen:
Der vierzehnjährige Maik, der sich selbst für den größten Langweiler in seiner Klasse hält, ist total frustriert, weil ihn seine heimliche Liebe Tatjana nicht zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen hat. Auch Tschick, Maiks Mitschüler mit russischen Wurzeln, der ab und an betrunken zum Unterricht erscheint, wurde von Tatjana nicht berücksichtigt.
Während sich Maiks Mutter in den Sommerferien wieder einmal zur Alkoholentziehungskur im Sanatorium aufhält, gönnt sich sein Vater mit seiner Sekretärin eine „Auszeit“ und überlässt Maik mit 200 Euro sich selbst zu Hause.
Als dann Tschick in einem kurzgeschlossenen geklauten Lada auftaucht und Maik animiert, ihn auf der Fahrt in die Walachei zu seinem Großvater zu begleiten, scheinen die Ferien für Maik gerettet.
Der Roadtrip ins Ungewisse beginnt, denn die beiden wissen nicht, wo genau die Walachei liegt. Maik lernt von Tschick wie man Auto fährt und auch sonst erweist sich Tschick als umgänglicher, verständiger Kumpel und eine wunderbare Freundschaft beginnt.
So kreuzen die Freunde querfeldein durch unterschiedlichste Landschaften, landen mal mitten in einem Feld, an einem See, auf der Mülldeponie oder fahren auf der Autobahn.
Auf der Müllkippe begegnen sie dem Mädchen Isa, das die beiden eine kurze Zeit begleitet und sogar Tatjana in Maiks Gedanken in den Hintergrund drängt. Ein paar Stationen weiter werden Maik und Tschick von einem Mann beschossen, später bauen sie einen Unfall, und nach weiteren teils haarsträubenden Abenteuern landen sie bei der Polizei.
Nach einer Gerichtsverhandlung wird Tschick in ein Heim eingewiesen und Maik muss gemeinnützige Arbeit leisten.
Zurück in der Schule weiß Maik nun, was ehrliche Freundschaft ausmacht. Seine Erlebnisse mit Tschick haben sein Selbstbewusstsein gestärkt und durch Tatjanas plötzliche Aufmerksamkeit gewinnt er an Status.
tschick ist eine Geschichte mit einem außergewöhnlich originellen stimmigen Plot, der mit flügelschlagender Leichtigkeit das Lebensgefühl Jugendlicher aufzeigt.
Die nie abreißende Spannung wird von kuriosen Situationen, brillantem Sprachwitz und dem sensiblen Einfühlungsvermögen des Autors, das die pubertäre Psyche unterstreicht, getragen. Dabei hat man als Leser immer das Gefühl, selbst mittendrin im Geschehen zu stehen.
Herrndorfs Schreibe wechselt schnörkellos vom treffsicher eingesetzten Jugendjargon zum guten sprachlichen Stil, was sich auch noch in dreißig Jahren aktuell lesen wird.
Wolfgang Herrndorf wurde 1965 geboren. Er studierte ursprünglich Malerei und arbeitete u. a. für den Haffmanns-Verlag und die Satirezeitschrift Titanic. Er wurde u. a. mit dem Deutschen Erzählerpreis, dem Deutschen Jugendliteraturpreis, dem Hans-Fallada-Preis und dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet.
Wolfgang Herrndorf starb im August 2013.
Die 1987 geborene Illustratorin Laura Olschok hat die Lizenzausgabe der Edition Büchergilde mit 22 Illustrationen versehen. Nach ihren eigenen Angaben hat sie versucht, die bedeutenden Momente dieser Erzählung festzuhalten. Dies ist der jungen Künstlerin wunderbar gelungen. Man kann sich die Stationen von Maik und Tschick auch nur durch Betrachten der gezeichneten Bilder in Erinnerung rufen.
Für ihre Illustrationen zu tschick wurde Laura Olschok 2016 mit dem Büchergilde Gestalterpreis ausgezeichnet.
Dieses Buch liest man nicht nur, man erlebt es!
Wolfgang Herrndorf: tschick.
Edition Büchergilde, Juni 2016.
288 Seiten, Gebundene Ausgabe,24,95 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.
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