Viveca Sten: Das Grab in den Schären

Viveca Sten arbeitete als Justiziarin bevor sie sich als Autorin einen Namen machte. Die Schärenwelt vor Stockholm, Bühne ihrer Krimireihe,  kennt sie gut seit ihrer Kindheit, da ihre Familie dort ein Haus besitzt. Viveca Sten wohnt mit ihrer eigenen Familie bei Stockholm. Ihre Krimi-Reihe ist in diesem Jahr auf stattliche zehn Fälle angewachsen, die ihre Protagonisten, der Kommissar Thomas  Andreasson und dessen Jugendfreundin Nora Linde  zu lösen hatten. Alle Fälle erfreuten sich als Bestseller einer großen Leserschaft. Viele Fälle wurden verfilmt. Der 10. Band der Reihe um Thomas Andreasson und Nora Linde umfasst 416 Seiten, die sich in 104 Kapitel gliedern und um Zwischenkapitel und Rückblenden ergänzt werden. Die Handlung spielt im Sommer 2016 auf Sandhamn.

Auf der Schäreninsel Telegrafholmen werden bei Sprengarbeiten menschliche Knochen gefunden. Thomas Andreasson und sein Kollege Aram müssen ermitteln und stürzen sich in ihre kriminalistische Routine. Zunächst überprüfen sie die Vermisstenakten der letzten Jahre. Tatsächlich gelten zwei Frauen seit zehn Jahren als vermisst: die 17-jährige Astrid und die 35-jährige Siri. Ist eine von ihnen einem Verbrechen zum Opfer gefallen und auf Telegrafenholmen vergraben worden? Die Antwort erweist sich als schwierig und führt die Protagonisten in akribische Ermittlungen.

Ein zweiter Handlungsstrang betrifft Nora Linde selbst. Sie ist krankgeschrieben. Ein alter Fall, ein sogenannter „Cold Case“ macht ihr zu schaffen. Geplagt von Albträumen, Schuldgefühlen und Ängsten gerät sie immer tiefer in eine Krise, die allen Menschen um sie herum Sorgen bereitet und ihre Beziehungen auf eine harte probe stellt. Zweifellos mutet Viveca Sten ihrer Leserschaft hier Ungewohntes zu.

Dank der gewohnt kurzen Kapitel ist es dem Lesenden leicht gemacht der Handlung in polizeilicher und privater Ermittlung zu folgen. Auch den Rückblenden in die damalige Situation der vermissten Frauen kann man gut folgen. Geschickt bündelt die Autorin die parallelen Handlungsstränge und führt sie dramaturgisch gekonnt auf die Lösung des Falles zu. Bis zum Schluss bleibt es spannend, zumal sie immer wieder überraschendes und geheimnisvolles in die Handlung einbaut.

Wie bereits angedeutet, widmet Viveca Sten den Problemen ihrer Staatsanwältin viel Raum. Der Roman nimmt Bezug auf die Vorgeschichte der beiden Protagonisten Thomas und Nora im neunten Fall. Dieser Fall hat traumatische Spuren auf Noras Seele hinterlassen. Ihr vermeintliches Versagen quält sie. Für mein subjektives Empfinden nehmen Noras psychischen Probleme und deren Folgen zu viel Raum im Plot ein. Ganz objektiv darf es einer Staatsanwältin nicht passieren, dass sie aufgrund eines Schuldgefühls ihre Kompetenzen wissentlich überschreitet. Dass der Polizist an ihrer Seite hier nicht einschreitet spricht nicht für ihn. Nicht als Ermittler und nicht als Freund!

Aber der gefällige und flüssige Schreibstil lädt zum Weiterlesen ein und nimmt den Lesenden mit nach Sandhamn in die faszinierende Landschaft des Archipelios, die friedlicher nicht sein kann. Wenn da nicht die Frage nach dem Grab auf Telegrafenholmen wäre…

Bis auf die oben beschriebene Einschränkung sind die Charaktere gelungen. Auch hier verhilft die  bildliche Darstellung dem Lesenden  zu einer eigenen Vorstellung der Personen und Handlungsorte zu gelangen. Jeder Fall ist abgeschlossen. Darum ist ein Einstieg im zehnten Fall problemlos. Überhaupt werden die Lesenden in den Handlungsablauf integriert, so dass ein mitermitteln möglich wird. Dies dient dem Lesevergnügen. Auch das der Spannungsbogen bis zum Schluss hoch bleibt.

Als Schwedenurlauber fällt es mir nicht schwer eine Leseempfehlung auszusprechen. Das Nora in diesem Fall nicht so eine gute Figur macht ist zu verschmerzen und all zu menschlich. Schließlich muss Viveca Sten hier schon Steigerungspotenzial für den elften Fall anlegen.  Also: 4 Sterne!

Viveca Sten: Das Grab in den Schären.
Kiepenheuer&Witsch, März 2021.
416 Seiten, Taschenbuch, 16,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Martin Simon.

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