Kleingartenkolonie als Abbild der Gesellschaft – etwas dick aufgetragene Geschichte um Stadtentwicklung, Geheimnisse und Vertrauen
In einer ungenannten Stadt taucht eines Tages die junge Architektin Lu in einer Kleingartenanlage auf. Sie sucht dort Unterschlupf, nachdem ihr Freund, der auch gleichzeitig ihr Chef ist, sie betrogen hat. Nun steht sie ohne Arbeit und ohne Wohnung da.
Zu den Kleingärten hat sie eine besondere Beziehung, wollte ihr Ex-Freund doch genau auf deren Gelände eine große moderne Wohnanlage bauen. Davon sind die Kleingärtner natürlich wenig angetan, weshalb Lu ihre Insiderinformationen erst einmal verschweigt. So wird sie, zwar nicht mit weit offenen Armen, aber doch gutmütig akzeptiert als neue Mitbewohnerin. Erst nach und nach stellt sich heraus, was Lus wirkliche Absichten sind und was diese für die Kleingärtner letzten Endes bedeuten.
Die Kleingartenkolonie ist in der Tat sehr klein, denn sie umfasst gerade einmal sechs Gärten. Darin aber findet sich, und damit wären wir beim ersten Aspekt, der mich an diesem Roman gestört hat, ein exaktes Abbild der heutigen Gesellschaft. Jeder ist vertreten: der Ex-Hippie, das Rentnerehepaar ebenso wie die junge, hippe Familie, die sich bio-vegan ernährt, der Supermarktbetreiber mit Migrationshintergrund und das lesbische Paar, davon arbeitet eine der beiden Frauen dann auch noch bei der Flüchtlingshilfe, während die andere aus mehr als wohlhabendem Elternhaus stammt. Das ist mir dann doch erheblich zu viel Klischee auf kleinem Raum versammelt.
Einfach gestrickte Sätze
Hinzu kommt ein mehr als simpler Schreibstil, sehr einfach gestrickte Sätze mit zu häufigen Wortwiederholungen. Die Figuren sind zu grob, zu plakativ mit dickem Pinsel gezeichnet. Zu wenig wird der Fantasie der Leserin überlassen, alles wird dick und deutlich beschrieben, die Gedanken der Figuren ständig ausführlich dargelegt, statt ein bisschen im Ungewissen zu lassen.
Darüber hinaus gibt es ständige Perspektivwechsel, ein permanentes Hüpfen durch die Köpfe der Beteiligten. Die Dialoge lassen ebenfalls Authentizität und Lebhaftigkeit vermissen.
Der Plot wäre interessant und könnte spannend sein, doch man ahnt früh, dass es auf das, dann auch eintreffende, Friede-Freude-Eierkuchen-Finale hinausläuft.
Ein netter, simpler Roman mit viel verschenktem Potenzial.
Ulla Mothes: Morgenluft
Krüger, Mai 2023
Gebundene Ausgabe, 399 Seiten, 22,00 €
Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.